Ausdruckstanz in Zeitlupe
Einige seiner Gedanken sind richtig klug, andere nicht einmal mehr albern: Der Auftritt von Heinz Gröning mit seinem Programm „Fifty Shades of Heinz“ beim Zeltspektakel ist für die Zuschauer auch ein wenig Achterbahnfahrt zwischen oft begeistertem Lachen und gelegentlich dann peinlich berührtem Schweigen. Am Ende gibt es dennoch viel Applaus, beim Publikum überwiegt offensichtlich die Freude über weitgehend gut angekommene Unterhaltung durch einen sympathisch wirkenden Künstler, der singt, Gitarre spielt und wie ein Wasserfall reden kann, oft witzig ist und sich gelegentlich vertut – die fünfzig titelgebenden Schattierungen des Heinz’schen Humors reichen mit ihrer großen Bandbreite öfter eben auch in unlustige Untiefen.
Der Titel verrät es: Der Rheinländer Heinz Gröning ist als „der unglaubliche Heinz“ nicht weniger als der selbst ernannte „sexiest man alive“ – ein Thema, das dem Komiker viel Raum für mehr oder weniger schlüpfrige Pointen bietet, insgesamt aber leider ebenso überstrapaziert wird wie die anfangs noch lustige Kompensation der fehlenden Haarpracht („viel nackte Haut vor allem auffem Kopp“) durch Hinweise auf seine vermeintlich eindrucksvolle Körperbehaarung. Running Gags, die sich viel zu rasch abnutzen wie auch der x-te betont erotische Gang zur Gitarre samt der implizierten Hoffnung, dass die Damen im Publikum jetzt reihenweise in Ohnmacht fallen oder wenigstens entzückt kreischen.
Dabei hat der unglaubliche Heinz, der im roten Anzug und schwarzen T-Shirt in der Walldorfer Zirkusmanege steht, seine Zuschauer relativ schnell im Griff. Er greift ein paar Akkorde auf seinem Instrument, sagt „hallo“ und holt sich ohne größere Mühen den ersten Applaus. Ganz gezielt animiert der Komiker zum Mitmachen, verteilt Komplimente („ich liebe ein Publikum mit guter Auffassungsgabe“) und spornt mit gezieltem Sticheln („habe ich euch überfordert?“) weiter an. Mitsingen, aufstehen, mitklatschen – das funktioniert, viele machen gerne mit. „Ihr seid ein wunderbares Publikum und es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem ich lieber wäre“, schmeichelt der Künstler, der sich laut seinem Werbe-Aufsteller „Heinzig, nicht artig“ findet und immer wieder fröhlich reimt.
Heinz Gröning schneidet Fratzen, liefert eine astreine Peter-Maffay-Imitation, die seinen später nachgeschobenen Herbert Grönemeyer klar übertrifft, bietet sehr lustigen Ausdruckstanz in Zeitlupe und sorgt mit Liedern wie „Jedes Molekül hat ein Gefühl“ für Stimmung und gute Laune. Ob „dadaistischer Grunge-Rock“, „poetische Gesellschaftskritik“ oder „expressionistisch-nachdenkliche Country-Comedy“ – er hat viel Lustiges im Gepäck. Und eine typische Machart: Der Komiker spielt gerne mit den Erwartungen, um dann eine ganz andere, überraschende Antwort auf die selbst gestellten Fragen oder Steilvorlagen zu liefern. Und er kann unheimlich schnell rap-artig komplexe Reime sprechen. Dann wird’s leider wieder flach: Ein Beispiel für Multitasking? „Frauen können auf zwei Parkplätzen gleichzeitig parken.“ Warum die Deutschen schlecht im Schach sind? „Die Züge kommen immer zu spät.“ Na ja. Und manches hätte sich Heinz besser ganz gespart.
Ein Highlight ist die Abhandlung zum Jugendwort des Jahres, in der er sich vom „npc“, dem „non playable character“ („wir hätten früher ‚Spacko‘ gesagt“), zu „cringe“ kämpft und ein wunderschönes Beispielbild für die damit ausgedrückte Peinlichkeit liefert: der Vater, der seine 15-jährige Tochter mit rosa Luftballons in Herzform und der Aufschrift „mein Lieblingsmensch, schön, dass du wieder da bist“ von der nur zweistündigen Klassenfahrt abholt – ja, das ist zum Fremdschämen und köstlich zugleich, gerne mehr davon. Stattdessen geht’s dann wieder unter die Gürtellinie, das, siehe oben, nutzt sich zunehmend schneller ab. Gelungen improvisiert wird in der Zugabe: Die drei vom Publikum vorgegebenen Wörter „Apfelsaft“, „Nilpferd“ und „Kirchturm“ finden tatsächlich ihren Weg in den Abschlusssong. Und im Werbeblock für sein aktuelles Buch verspricht der Künstler: Wem das Buch nicht gefalle, könne es ihm wieder zukommen lassen. „Ich schicke dann ein Buch zurück, das mir nicht gefällt.“
Begrüßt wird das Publikum am ersten Abend im schon 24. Jahr des Zeltspektakels von Organisator Jürgen Vogel, der ein paar seiner persönlichen Highlights der kommenden zwei Wochen von „Schwester Cordula liebt Groschenromane“ (Montag, 2. September) bis zum Abschluss mit Jochen Malmsheimer (Samstag, 7. September) vorstellt, sich bei den freiwilligen Helfern des Forums ’84 bedankt sowie auf die Auftritte des Walldorfer Zirkus Payaso (an den beiden Samstagen jeweils um 14.30 Uhr) und die längst traditionellen „Late Night“-Konzerte mit der Louis Trinker Band am Lagerfeuer nach der jeweiligen Kleinkunstveranstaltung hinweist. „Es sei eröffnet“, wünscht Jürgen Vogel den Gästen „viel Vergnügen“ beim diesjährigen Zeltspektakel auf dem Gelände am Tierpark.
Info: Das komplette Programm findet sich unter www.inpetto-veranstaltungsagentur.de/zeltspektakel-walldorf.
Text: Stadt Walldorf
Fotos: H. Pfeifer