„Gesundheit ist doch das höchste Gut, das wir haben“, zeigt Bürgermeister Matthias Renschler vollstes Verständnis für den bundesweiten Protesttag der Apotheken. Der hat am Donnerstag dafür gesorgt, dass die meisten Apotheken im ganzen Land geschlossen geblieben sind, so auch die drei Walldorfer Apotheken. Dietmar Sommer (Stadt-Apotheke), Stefan Bastuck (Central-Apotheke) und Enrico Ebner (Astoria-Apotheke), ihre Mitarbeiter sowie Kollegen aus Wiesloch und St. Leon-Rot machen mit einem Infostand und einer kleinen Kundgebung auf der Drehscheibe auf ihre aktuell großen Sorgen und Nöte aufmerksam.
„Das kommunale Interesse ist da“, signalisiert der Bürgermeister die Unterstützung der Stadt, bedauert aber gleichzeitig die geringen Einflussmöglichkeiten. Eine Handhabe habe letztlich nur der Bund. Ganz ähnlich formuliert es die Landtagsabgeordnete Christiane Staab im Gespräch mit den Betroffenen. „Wir müssen unsere Infrastruktur aufrechterhalten“, sagt sie, sonst blute der ländliche Raum aus. Der Kostendruck sei für viele Apotheker nicht mehr zu stemmen, Bürokratismus und unfaire Bedingungen bremsten den Unternehmergeist aus.
Hintergrund des bundesweiten Protesttags sind der zunehmende Bürokratieaufwand und die schwierige finanzielle Situation, in die viele der inhabergeführten Betriebe durch steigende Kosten bei gleichzeitig ausgebliebenen Honoraranpassungen geraten sind, aber auch Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Es stehe auf dem Spiel, „dass wir die flächendeckende Versorgung vor Ort nicht mehr gewährleisten können“, sagt Dietmar Sommer, der im Beirat des Landesapothekerverbands die Region Heidelberg als deren Vorsitzender vertritt. Er spricht eins der Kernprobleme an: „Wir haben einen hohen Bürokratieaufwand und Kosten, die wir nicht erstattet bekommen. Im Gegenteil: Wir müssen den Krankenkassen mehr Geld für ihre Bürokratie bezahlen.“ Dazu kommt aus Sommers Sicht ein „fehlender Inflationsausgleich seit 20 Jahren“. Die Thematik der Lieferengpässe sorge gleichfalls für einen erhöhten Aufwand. Deshalb fehlten dann „am Tag zwei bis drei Stunden für die Arbeit am Patienten“.
Dietmar Sommer schätzt, dass sich bundesweit 95 Prozent der Apotheken am Protesttag beteiligt haben. Ausgenommen seien selbstverständlich die für den Notdienst zuständigen Apotheken, denn man wolle den Protest „nicht auf dem Rücken der Patienten austragen“. Genau die seien letztlich die Leidtragenden der aktuellen Entwicklung. „Wenn sich nichts bewegt, wird die Spirale der Schließungen weitergehen“, warnt Sommer. In den letzten Jahren habe man bundesweit gut 3000 Apotheken verloren, sagt er, allein im Jahr 2022 hätten 393 Apotheken dauerhaft geschlossen. Das bedeutet auch, dass es in manchen Orten schon gar keine Apotheke mehr gibt – in der Region sind Malsch oder Gaiberg Beispiele dafür. In Walldorf hat die Linden-Apotheke Ende März 2021 ihre Pforten geschlossen.
Zu den Forderungen der Apotheker gehört unter anderem die Erhöhung des Fixums in der Arzneimittelpreisverordnung, mehr Handlungsfreiheit für Apotheken für eine schnelle Patientenversorgung und die Reduzierung sogenannter „Retaxationsverfahren“ (wenn die Krankenkasse – oft aus formalen Gründen – die Erstattung eines Arzneimittels verweigert, das die Apotheke bereits an den Patienten abgegeben hat) auf ein sachlich gebotenes Maß. „Die Politik ist gefragt, auf die Krankenkassen zuzugehen, sonst fliegt uns das System um die Ohren“, sagt Sommer. „Es wird weitergehen“, soll der Protesttag nicht die letzte Aktion gewesen sein, um Gehör zu finden.
Auch die drei Walldorfer Apotheken nahmen am bundesweiten Protesttag der Apotheken teil.
Text und Foto: Stadt Walldorf