Der unermüdliche Wünschelrutengänger
„Verloren in Zeit und Raum“ hat Wolfgang Folmer in seinen künstlerischen Anfängen drei Monate lang mit dem Bleistift nichts als Punkte auf eine Leinwand gesetzt und ein faszinierendes Bild geschaffen.
„Die Punkte waren wie die Ameisen“, berichtete er bei der Vernissage seiner großen Werkschau in der Reihe „Kunst im Rathaus“ am 3. April. Er hätte bestimmt nichts dagegen, wenn man ihn mit einer Ameise vergliche, denn die Ausstellung mit Werken aus dreißig Jahren zeigt, wie unermüdlich, energiegeladen und kraftvoll er arbeitet. Wolfgang Folmer ist Künstler durch und durch. „Einer der besten, den ich kenne“, stellte Walldorfs Kunstbeauftragter Hartmuth Schweizer fest. Bei der Vernissage war Wolfgang Folmer „die authentische Quelle“, aus der Hartmuth Schweizer im lockeren Gespräch schöpfen konnte. Folmer gab auch anhand von Fotografien Einblick in frühere Ateliers und Projekte.
Bürgermeisterin Christiane Staab zeigte sich in ihrer Begrüßung sehr beeindruckt von Wolfgang Folmer und seiner Aussage „Ich bin nie fertig“. Schon beim Kunstpreis der Stadt im letzten Jahr habe Folmer sie begeistert, als er vor dem Rathaus an seinem Baumstamm gearbeitet habe. „Wir konnten miterleben, wie ein Kunstwerk entsteht“, so Staab, die sich „froh und dankbar“ zeigte, nun bis zum 7. Juni so viele Werke von Folmer im Rathaus beherbergen zu dürfen. So „besonders wie seine Kunst“ sei auch die Musik zur Vernissage, die „viel Aufmerksamkeit“ erfordere, meinte sie. Die improvisierte Musik von Emanuel Anthropelos und Sven Dauberschmidt mit Maultrommel und sparsam gespieltem Schlagzeug klang archaisch und schien unsichtbaren Linien nachzuspüren. Dies gilt auch für Wolfgang Folmer, der schon als Kind am glücklichsten war, wenn er zeichnen durfte und der besonders feine Antennen für seine Umgebung zu haben scheint. Unentwegt entdeckt er im Alltäglichen Bemerkenswertes und bezieht es in seinen künstlerischen Prozess ein.
Als Student an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bearbeitete er zunächst Tafeln, hielt Zustände mit Schwamm und Kreide fest. Er „spielte mit alltäglichen Gegenständen“, wobei er Zufälle mit einbezog. Später fasste er etwa dreihundert Bleistiftzeichnungen zu Büchern zusammen. „Ich bin dafür wie ein Wünschelrutengänger durch die Bibliothek gegangen, habe Bücher aus den Regalen gezogen, Kopien von Bildern gemacht und habe diese am Leuchttisch bearbeitet“, beschreibt er den für ihn typischen kreativen Prozess. Die Bildgegenstände aus unterschiedlichsten Büchern hat er auf einem Bild zusammengepackt, hat Verbindungen hergestellt, so dass sich die Bilder und Themen nun „durchdringen“. Folmer ist ein Nachtarbeiter. An der Akademie, deren Betrieb er mit einer „Legebatterie“ vergleicht, war es ihm tagsüber zu hektisch. Er ließ sich nachts einsperren, um in Ruhe arbeiten zu können. Nach seinem Studium hielt ihn auch ein eiskaltes Atelier in einer alten Kaserne nicht vom Zeichnen und Malen ab. Mit drei Skianzügen übereinander machte er sich hier ans Werk. Stillstand gibt es bei ihm nicht. „Seine Kunst ist reflektiert, frei und offen“, meinte Hartmuth Schweizer, der bei Wolfgang Folmer „das Zeichnen als andere Art des Denkens“ charakterisierte.
„Der kreative Prozess geht immer weiter“, erklärte Folmer, dem der „innere Prozess mehr bedeutet als das eigentliche Bild“. Es sei mehr als nur ein „Abfallprodukt“, so Folmer, man könne es als Dokumentation des Prozesses sehen. Orte haben einen großen Einfluss auf Wolfgang Folmer. Ein Sommer in Schweden inspirierte ihn, ein Projekt auf Teneriffa und im Ellwanger Schloss konnte er sechs Meter hohe Räume künstlerisch gestalten. Die stärkste Inspiration bezieht er aus der Natur. Nicht nur in Walldorf, sondern zuvor schon in Ludwigsburg arbeitete er mit Baumstämmen. Wenn sich dann Pilze in den von ihm geschnittenen Linien ausbreiten, ist der Dialog mit der Natur vollends geglückt. Er scheut sich auch nicht davor, gestaltete Baumstämme wieder komplett zu überarbeiten. Was er in den Baum geschnitten hat, hält er aber auch manchmal fest, indem er einen Abdruck auf Papier oder Stoff macht. Hierbei erweist sich der Künstler auch als geschickter „Handwerker“ im besten Sinne, der mit der Gummiwalze umzugehen weiß. „Zum Holzschnitt gehört Disziplin“, so Folmer. Bei seinen Holzschnitten bearbeitet er auch immer die Rückseite. Auf den im Rathaus ausgestellten Exemplaren tummeln sich Gartenzwerge, Hirsche, Hunde, aus denen er Traumbilder komponiert. „Ich erfinde Dinge neu“, so Folmer, was intuitiv geschehe. Für Wolfgang Folmer ist eigentlich „alles Atelier“, es gebe so viel Raum, der nicht genutzt werde.
In einem seiner Bilder, die er in der Präsentation zeigte, hat er sich sogar in die „Unendlichkeit hineingearbeitet“ mit einem Bild im Bild, im Bild, im Bild … Zum Abschluss der Vernissage folgte Wolfgang Folmer der spontanen Aufforderung der beiden Musiker, mitzuspielen. Aus dem Duo wurde ein Trio und Folmer trommelte auf der Darbouka und bewies, dass es ihm „immer wieder um den reinen Prozess des Tuns“ geht.
Die Ausstellung im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss des Rathauses ist bis 7. Juni zu sehen.
Kunstbeauftragter Hartmuth Schweizer (li.) und Bürgermeisterin Christiane Staab mit Wolfgang Folmer vor einem seiner „märchenhaften“ Holzschnitte (Foto: Pfeifer)
Text: Stadt Walldorf