Gemeinderat für Hilfe für Flüchtlinge in vorgegebenem rechtlichen Rahmen
In seiner öffentlichen Sitzung am 15. Oktober hatte der Gemeinderat darüber zu entscheiden, ob Walldorf auf Antrag der SPD-Fraktion „ein sicherer Hafen“ für Menschen auf der Flucht im Sinne der Aktion „Seebrücke“ werden sollte. Das Gremium entschied sich mit 12 zu 11 Stimmen dagegen, diesem Bündnis beizutreten.
SPD-Stadträtin Elisabeth Krämer erläuterte zunächst den Antrag ihrer Fraktion. Wie sie ausführte, sei die „Seebrücke“ ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus dem Jahr 2018, das von verschiedenen Stiftungen und Organisationen unterstützt werde. Für Kommunen, die sich mit der „Seebrücke“ solidarisieren, bedeute dies, Flüchtlinge aufzunehmen, die bei ihrem Weg über das Mittelmeer in Seenot geraten seien und gerettet werden konnten. Die Kommunen müssten für diese Flüchtlinge Wohnraum zur Verfügung stellen.
Elisabeth Krämer nannte die Zahl von 82.872 Flüchtlingen, die 2019 bisher im Mittelmeerraum erfasst wurden. Die meisten davon, nämlich 67.838 Menschen, hätten den Weg über das Mittelmeer genommen. Rund eintausend der Flüchtlinge seien als ertrunken oder vermisst registriert, wobei Krämer auf die noch wesentlich höhere Dunkelziffer von 4.500 hinwies. Die Zahl derjenigen, die auf dem Seeweg flüchteten, sei seit 2015 zurückgegangen, stellte Krämer fest, ob sich durch eine verbesserte Seenotrettung daran etwas ändern werde, könne man nicht voraussagen. „Seenotrettung sollte selbstverständlich sein“, stellte Elisabeth Krämer fest. Wenn jemand vor den Färöer-Inseln in Seenot gerate oder ein Tourist vermisst werde, werde alles getan, um Menschenleben zu retten. Die Frage nach der Herkunft der Schiffbrüchigen würde in solchen Fällen von den meist ehrenamtlich über Ländergrenzen hinweg Helfenden nicht gestellt. Seenotrettung, so Krämer, sei eine „zentrale humanitäre Aufgabe“. „Die Retter im Mittelmeer verdienen unsere volle Unterstützung“, erklärte sie. Deren Arbeit dürfe nicht kriminalisiert werden. Solidarität verdienten auch die Mittelmeer-Anrainerstaaten. Wenn deutsche Kommunen Verantwortung für einen Teil dieser Menschen übernähmen, sei dies ein Signal für „praktizierte europäische Solidarität“. „Je größer die Beteiligung, desto stärker das Signal!“ so Elisabeth Krämer. Hilfe sei das oberste Gebot.
Wie aus der Gemeinderatsvorlage hervorging, konnte sich die SPD für Seenotflüchtlinge für Walldorf eine Quote von 10 Prozent des Kontingents an zugeteilten Flüchtlingen vorstellen, was derzeit dreizehn Personen bedeuten würde.
Gesamteuropäische Lösung finden
Jutta Stempfle-Stelzer (CDU) meinte, dass bei diesem Thema ein gesamtgesellschaftlicher Konsens nötig sei, eine „große gesamteuropäische Lösung“. Es könne nicht darum gehen, Einzellösungen zu finden. Sie erinnerte an die Zuständigkeit des Bundes und die klaren Regelungen, von der Erstaufnahmestelle des Landes bis zu den Anschlussunterbringungen in den Gemeinden. Den Antrag der SPD müsse ihre Fraktion daher ablehnen. Die Kommunen sollten sich nicht „außerhalb der bestehenden Rechtslage“ bewegen, so Stempfle-Stelzer, die hervorhob, wie vielfältig asylsuchenden Menschen in Walldorf geholfen werde. „Walldorf bietet einen Ort zum Ankommen“, meinte sie mit Dank an die vielen Ehrenamtlichen, aber auch die Institutionen in diesem Bereich.
„Wir stehen hinter dem Antrag der SPD“, erklärte hingegen Stadträtin Nele Böhm (Bündnis 90/Die Grünen). Sie nannte unter anderem den Klimawandel, der die Lebensbedingungen vieler Menschen verschlechtere und sie zur Flucht treibe. Helfer bei der Seenotrettung dürften nicht kriminalisiert werden, meinte sie mit Blick auf die Initiative „Sea-Watch“. Man müsse Solidarität zeigen.
Stadtrat Matthias Renschler (FDP) erklärte, dass man sich dem fehlenden Bundesrecht nicht entziehen könne. Er konnte sich jedoch eine öffentliche Solidarisierung vorstellen und eine Aufforderung zu legalen Programmen. Eine erhöhte Aufnahmequote begrüße seine Fraktion jedoch nicht, so Renschler. Die finanzielle Unterstützung eines Seenotrettungsschiffs, die ein Beitritt zum Aktionsbündnis „Seebrücke“ beinhaltet hätte, konnte sich Renschler vorstellen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die diesbezüglich bereits geplanten Aktivitäten der Evangelischen Kirche. Auch ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem Walldorfer Verein Hilfe zur Selbsthilfe zog er in Erwägung in einem finanziellen Rahmen von rund 50.000 Euro.
Flagge zeigen
„Wir sind bereits 2015 ein sicherer Hafen geworden“, sagte Bürgermeisterin Christiane Staab. Walldorf sei eine der ersten Gemeinden im Rhein-Neckar-Kreis gewesen, die Flüchtlinge aufgenommen habe, so Staab. „Wir leisten Hilfe, wo wir es können und müssen uns nicht verstecken.“ 130 Personen habe Walldorf aktuell aufgenommen und ein engmaschiges Netz für sie geknüpft. Die Kommunen dürften und sollten nicht nach den Fluchtgründen entscheiden, wen sie aufnähmen oder nicht. „Wir müssen nach einem geordneten Verfahren vorgehen“, sagte sie.
Man wolle dem Bund „nicht ins Handwerk pfuschen“, entgegnete Dr. Andrea Schröder-Ritzrau (SPD), doch man tue gut daran, „Flagge zu zeigen“. Weit über hundert Bürgermeister hätten sich in Deutschland bereits mit der „Seebrücke“ solidarisiert. „Wir wollen dem Sterben im Mittelmeer nicht weiter zuschauen“, so Schröder-Ritzrau. Das wolle niemand, meinte Bürgermeisterin Staab, doch es gebe unterschiedliche Herangehensweisen.
„Das ist eine humanitäre Frage“, meinte Stadtrat Wilfried Weisbrod (Bündnis 90/Die Grünen). Man sei in ganz vielen Dingen „nicht zuständig“, wolle aber trotzdem aktiv werden und etwas tun. „Wo sollen die Leute denn hin?“ fragte er. Es würden keine Massen sein, die kämen.
„Das ist eine Sache, die nicht hier zu lösen ist“, gab Stadtrat Mathias Pütz (CDU) zu bedenken. Wenn der Bund 25 Prozent aufnähme, dann kämen entsprechend auch Seenotflüchtlinge nach Walldorf.
Die Abstimmung ergab mit jeweils 12 Nein-Stimmen und 11 Ja-Stimmen, dass Walldorf der Aktion „Seebrücke“ nicht beitreten wird und auch keine Patenschaft und finanzielle Unterstützung für ein Seenotrettungsschiff übernehmen wird. Mit 16 Ja-Stimmen bei 7 Ablehnungen stimmte das Gremium zu, sich mit den Menschen und den Zielen der „Seebrücke“ zu solidarisieren, sich bei Land und Bund für gesetzliche Änderungen einzusetzen und für den Ausbau von Programmen, die regional, national und europaweit umzusetzen seien.
Text: Stadt Walldorf