Gemeinderat billigt den Änderungsentwurf der Altstadtsatzung – Beschluss im neuen Jahr
„Der Stadtkern ist die gute Stube und die Visitenkarte unserer Stadt. Er ist geprägt von der Vielzahl erhaltenswerter Gebäude, Gebäudegruppen und sonstiger baulicher Anlagen. Das unverwechselbare Gepräge unseres Stadtzentrums zu schützen und wieder herzustellen, ist nicht nur Sache des einzelnen Grundstückseigentümers und Gebäudebenutzers, sondern auch Aufgabe der gesamten Bürgerschaft.“ So heißt es in der sogenannten „Altstadtsatzung“, die dem Schutz und der Erhaltung des Ortsbildes der Walldorfer Altstadt dient. Mit der letzten Novellierung im Jahr 2018 waren zwar die Vorgaben zur Errichtung von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen etwas erleichtert worden, doch mittlerweile herrscht „eine ganz andere veränderte gesellschaftspolitische Situation“, wie Stadtbaumeister Andreas Tisch in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats ausführte.
Nicht zuletzt aufgrund der Energiekrise, des sogenannten „Osterpakets“ der Bundesregierung, der landesrechtlichen Photovoltaikpflicht für Neubauten und Dachsanierungen sowie der auf große Resonanz gestoßenen Walldorfer Photovoltaik-Offensive (von zwei Millionen Euro an bewilligten Fördergeldern sind bereits 1,7 Millionen für 240 bewilligte private Anträge vergeben) sind Hausbesitzer und Bauherren aktuell verstärkt an der Nutzung erneuerbarer Energien interessiert. „Es gilt, die Solarnutzung zu stärken“, sagte Tisch, deshalb wolle man „diese Dinge generell zulässig machen“. Dem im Ausschuss für Technik, Umwelt, Planung und Verkehr intensiv vorberatenen Änderungsentwurf der Altstadtsatzung, der auch ein paar weitere Anpassungen enthält, konnte der Gemeinderat dann auch einhellig zustimmen. Er wird nun zur Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Bürgerschaft für vier Wochen öffentlich ausgelegt. Anregungen und Einwendungen werden danach abgewogen. „Ziel ist es, Anfang des neuen Jahres einen Beschluss zu fassen“, erklärte der Stadtbaumeister.
Wichtigste Änderung der Satzung ist, dass fast sämtliche bisherigen Einschränkungen für die Installation von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen wegfallen. „Wir haben die maximal möglichen Nutzungen zugelassen“, sagte Andreas Tisch. Die Einschränkungen hätten sich, gerade mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen, als „zu restriktiv“ erwiesen.
So waren die Anlagen bislang zwar schon auf „vom öffentlichen Straßenraum nicht sichtbaren Dachflächen“ allgemein zulässig, mussten aber auf einer rechteckigen Fläche angeordnet sein, was nun nicht mehr zwingend notwendig ist, um eine Maximalbelegung zu erleichtern. Ebenfalls geändert wurde, dass Anlagen auf „vom öffentlichen Straßenraum sichtbaren Dachflächen“ eine Gesamtfläche von 15 Quadratmetern nicht überschreiten dürfen. Sie sind nun ebenfalls „im Regelfall zugelassen“, sofern sich keine alternativen Standorte besser eignen und die Anlagen sich der eingedeckten Dachfläche unterordnen. Um diese Voraussetzungen abzusichern, wird lediglich eine Kenntnisgabe an das Baurechtsamt gefordert, das gegebenenfalls dann doch eingreifen könnte.
Weitere Änderungen der Satzung betreffen unter anderem die Fassadengestaltung, die nachträgliche Wärmedämmung, die Zulassung partieller Flachdächer mit einer Dachbegrünung, die Steuerung von Wärmepumpen, Lüftungs- und Klimaanlagen sowie die Minimierung der Versiegelung. „Mit diesen Änderungen haben wir zeitgemäße Regelungen“, sagte der Stadtbaumeister.
„Das ist eine gute Sache“, urteilte Bürgermeister Matthias Renschler und bedankte sich ausdrücklich bei den Stadträten Hans Wölz (Bündnis 90/Die Grünen) und Dagmar Criegee (FDP) für „zielführendes Nachhaken“ in den Vorberatungen, das zu sinnvollen weiteren Änderungen geführt habe.
Die Zustimmung der CDU-Fraktion signalisierte Dr. Gerhard Baldes, auch wenn ihm die neue Satzung „deutlich an die Grenze des Zumutbaren“ gehe. „Wir verlieren vielleicht mehr, als wir gewinnen“, meinte Baldes mit Blick auf die gewünschte Erhaltung des Ortsbildes, der man nun „nur unter dem Eindruck der Krise“ zuwiderhandle. „Wir sehen durchaus einen gewissen privaten Nutzen, einen Beitrag zur Energiewende sehen wir nicht“, erklärte der CDU-Sprecher unter Hinweis auf die „kleinflächigen Dächer im Altstadtkern“.
Spätestens nach dem Osterpaket der Bundesregierung liege die Nutzung solarer Energie „im überragenden Interesse der Öffentlichkeit“ und stießen die „stark einschränkenden Regelungen“ der Altstadtsatzung „auf wenig Verständnis“, stellte Manfred Zuber (SPD) fest. Deshalb müsse man diese ändern, „auch wenn es einigen wehtut, mir auch“. In den Vorberatungen habe man aber „erfreulicherweise gemeinsam annehmbare Änderungen erarbeitet“. Aus Sicht der SPD biete die Stadt damit mehr und zeitgemäßere Möglichkeiten, verliere aber gleichzeitig das Ziel der Satzung nicht aus den Augen.
„Eine zeitgemäße Änderung“ sah auch Hans Wölz für die Grünen. Die große Resonanz auf die Photovoltaik-Offensive der Stadt zeige: „Die Walldorfer Bevölkerung ist bereit, auf ihren Dächern zu investieren.“ Deshalb sei es erfreulich, dass die Verwaltung „die bisherigen Einschränkungen weitgehend aufgehoben hat“. Und sollte es im Kenntnisgabeverfahren doch einmal unterschiedliche Ansichten geben, sei man „überzeugt, dass die Verwaltung die Kompetenz besitzt, eine einvernehmliche Lösung im Sinne der Altstadtsatzung zu finden“. Solarstrom vom eigenen Dach sei heute die günstige Form der Energie. „Wir sind dafür, dass ihn alle Walldorfer Bürger erzeugen können“, sagte Wölz.
Etliche Aspekte des Lebens und Wohnens in der Stadt hätten sich im Lauf der Jahre geändert, sagte Dagmar Criegee in der Stellungnahme für die FDP. Nun gelte es, die Altstadtsatzung an die Landesvorgaben und die aktuellen Gegebenheiten anzupassen, um die Nutzung der Solarenergie „auf allen Dächern zu ermöglichen“. Neben dem Klimaschutz müsse auch die Versorgungssicherheit berücksichtigt werden. Mit den Änderungen ermögliche man eine Weiterentwicklung, verhindere aber gleichzeitig eine Beeinträchtigung des Altstadtbildes.
Text und Plan: Stadt Walldorf