„Im bebauten Bereich wird die Haubenlerche mittelfristig keine Chance haben, die müssen raus“, sagt Andreas Ness unmissverständlich.
Der Diplom-Biologe und seine Kollegen aus dem Büro Institut für Umweltstudien (IUS) Weibel & Ness GmbH sind seit Beginn des Jahres für das Haubenlerchen-Monitoring in Walldorf zuständig. Damit verbunden sind verstärkte Maßnahmen, um die Bodenbrüter sanft in für sie sicherere Gefilde zu bewegen. „Es ist nicht so einfach, die zum Umziehen zu bewegen. Die finden es klasse hier“, sagt Ness über die „Haubies“.
Dass die Experten dennoch viel dafür tun, zeigte er jetzt auf einer Exkursion mit Mitgliedern des Gemeinderats und der Spitze der Stadtverwaltung.
In Hockenheim und Ketsch habe es funktioniert, macht Ness Hoffnung.
Die Stadt Walldorf ist verpflichtet, die in Baden-Württemberg vom Aussterben bedrohten Singvögel zu schützen und ihre Population wieder zu erhöhen. Als 2018 der Bebauungsplan für den zweiten Abschnitt des Neubaugebiets Walldorf-Süd in Kraft getreten war, waren noch fünf Brutpaare gezählt worden. 2022 waren es anfangs noch drei, später nur noch zwei Paare. Deshalb hatte die Untere Naturschutzbehörde des Rhein-Neckar-Kreises im vergangenen Jahr eine Allgemeinverfügung zum Schutz der Haubenlerche erlassen, die Katzen – in denen die Behörde den größten Fressfeind sieht, noch vor Elstern oder Mardern – im betroffenen Gebiet zwischen 1. April und 31. August den Freigang verbietet, und zwar nach aktuellem Stand bis zum Jahr 2025.
„Durch die spezielle Situation“ in Walldorf sei diese Allgemeinverfügung notwendig geworden, meint Ness. „Doch ist sie auch ausreichend?“, fragt er. „Das kann keiner beantworten.“ Für ihn waren viele der bisherigen Aktivitäten „zu sehr Nabelschau“, vieles könne „nicht funktionieren“. Deshalb lege man nun den Fokus auf das Gebiet westlich der Autobahn und habe begonnen, es „in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft massiv umzustrukturieren“. Aus seiner Sicht haben „den Schlüssel zur Lösung dieser Probleme die Landwirte“. Deshalb sei das Flächenmanagement „das A und O“, hier sei man auf einem guten Weg. Man hat Ackerwildkräuter verteilt, Erbsen ausgesät, auch eine spezielle Kleemischung. „Haubenlerchen sind eigentlich vegetarisch unterwegs“, weiß Ness. Nur wenn sie ihre Jungen füttern, hätten sie auch Bedarf an Insekten.
Der Biologe bestätigt, dass momentan wieder Brutzeit ist. „Wir sind im Moment an Tag acht der Fütterung, noch vier Tage, dann werden die Jungtiere flügge“, erzählt er über eins der beiden Brutpaare, die auch in diesem Jahr wieder in Walldorf gesichtet wurden. Dazu kommt, ebenfalls wie im vergangenen Jahr, ein „unverpaartes“ Männchen. Ob es noch ein weiteres Brutpaar gibt, sei ungewiss, sagt Ness. Das liegt einerseits daran, dass die Tiere nur in winzigen Details voneinander zu unterscheiden sind, während die Biologen sich hüten, ihnen zu nahe zu kommen, um sie nicht abzuschrecken – oder zu „vergelschtern“, wie es der Experte mit dem intern verwendeten Ausdruck anschaulich beschreibt. Zum anderen wechseln die Haubenlerchen auch häufiger ihre Standorte. „Haubenlerchen bauen immer drei Nester“, erläutert Ness. „Die sind nicht doof. Die wollen nicht, dass wir ihre Nester finden.“ Müssen die Zäune sein, die an vielen Stellen von Walldorf-Süd und auch außerhalb des Neubaugebiets zu sehen sind? „Wenn man nicht zäunt, liegt der Ausfliegeerfolg unter zehn Prozent“, sagt Ness.
Andreas Ness und seine Kollegen haben vieles im Blick. „Haubenlerchen brauchen auch auf ihren Überwinterungsflächen gute Bedingungen.“ Da ist ihm dann manches ein Dorn im Auge. „Bäume gibt es in der Halbwüste nicht“, sagt er während der Exkursion. Oder: „Entwässerungsmulden sind nicht gut.“ Er ist aber auch zuversichtlich, dass die Anstrengungen Erfolg haben werden, und bleibt gleichzeitig entspannt. „Dass mal eine Brut ausfällt, ist bei Vögeln stinknormal.“ Schon vier Tage nach dem Ende einer Brut könne die Haubenlerche wieder Eier legen. Und was ist mit den acht Jungvögeln, die im vergangenen Jahr die kritische Phase überlebt haben? „Haubenlerchen sind erst im dritten Jahr geschlechtsreif.“ Mit ihnen ist also frühestens 2024 zu rechnen …
Diplom-Biologe Andreas Ness (vorne li.) zeigte vor Ort, mit welchen Maßnahmen er die Population der Haubenlerchen in Walldorf wieder vergrößern will.
Text und Fotos: Stadt Walldorf