Nachfahren von Kurt Klein schenken Walldorf eine Sitzbank im Hochholz
Dass man heute „gemeinsam als Freunde“ beisammen sei, könne ein beispielgebendes Modell sein, sagt Jim Klein. Er hoffe und bete dafür, dass – nach dem schrecklichen Terror-Angriff der Hamas und dem daraus resultierenden Krieg – auch Israelis und Palästinenser eines Tages wieder gemeinsam an einem Tisch sitzen werden. Jim Klein und seine Tochter Jennifer, seine Schwester Leslie Simon und deren Mann Roger sind am 85. Jahrestag der sogenannten Reichspogromnacht in Walldorf zu Besuch. Kurt Klein, der Vater von Jim Klein und Leslie Simon, war 1937 aus Walldorf in die USA geflohen, an ihn und seine Frau Gerda Weissmann-Klein haben im vergangenen Jahr die Kurt-Klein-Tage erinnert. Seine Eltern Alice und Ludwig Klein wurden 1940 wie alle anderen badischen Juden nach Gurs deportiert, beide wurden 1942 in Auschwitz ermordet.
An das Schicksal der Familie Klein wird am Gedenktag doppelt erinnert: Zum Abschluss ihres Besuchs in Walldorf legen die Besucher aus den USA, die am Abend einer Vorstellung des Buchs „Nichts als das nackte Leben“ von Gerda Weissmann-Klein in Heidelberg beiwohnen (s. gesonderter Bericht), an den Stolpersteinen in der Hauptstraße 15 weiße Rosen nieder und entzünden Kerzen.
Am Morgen haben sie bereits an der offiziellen Übergabe einer Sitzbank im Hochholzer Wald teilgenommen, unweit des Waldklassenzimmers, eines Geschenks der Familie Klein an die Stadt Walldorf.
Das sei „ein besonderer und bewegender Moment“, sagt Jim Klein. Für seine Großeltern und seinen Vater habe der Hochholzer Wald eine große Bedeutung gehabt, hier hätten sie sich gerne aufgehalten und hätten hier auch noch spazieren gehen dürfen, als ihnen vieles andere schon verboten gewesen war. So solle die Sitzbank künftig allen Walldorferinnen und Walldorfern Freude bereiten. Leslie Simon spricht, auch im Namen ihrer Schwester Vivian Ullmann, die dieses Mal leider nicht dabei sein kann, vom „unglaublichen Vermächtnis“, das ihre Großeltern und Eltern ihnen hinterlassen haben. Die Bank sei nun Teil davon und solle auch daran erinnern, „was gewesen ist“. Das drückt auch die kleine Informationstafel aus: Die Bank solle „die Erinnerung an das jüdische Leben in Walldorf wachhalten“ und an den bewegenden Besuch der Familie anlässlich der Kurt-Klein-Tage 2022 erinnern.
Für den Ersten Beigeordneten Otto Steinmann ist die Bank, von Arbeitern des Forstreviers aus Douglasienholz aus dem Walldorfer Wald gefertigt, „ein Symbol der Verwurzelung und Beständigkeit“, „ein Ort zum Bleiben und Innehalten“, aber auch „ein Ort, an dem man zurück“ und mehr noch, getragen vom Bewusstsein der eigenen Verantwortung, „nach vorne schauen kann und darf“. In seiner kurzen Ansprache bedankt sich Steinmann im Namen von Bürgermeister Matthias Renschler, der Stadt Walldorf und ganz persönlich für das Geschenk bei der gesamten Familie Klein. Er sei froh, dass man sich auf den Standort im Wald verständigt habe, unterstreiche dieser doch die Verbindung der Familie mit dem Hochholz. Und er spricht auch an, dass die Übergabe an die Öffentlichkeit an „einem Tag mit einer besonderen historischen Bedeutung“ erfolge. Der 9. November sei der Tag des Erinnerns an die Pogromnacht 1938, ein Datum, das zusammen mit dem 22. Oktober 1940 und der Deportation nach Gurs „für die Zerstörung jüdischen Eigentums“ und „für Gewalt und Vertreibung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger“ stehe.
Bevor die Familie die Stolpersteine aufsucht, bedankt sich Bürgermeister Matthias Renschler für den Besuch in Walldorf und „diese uns ehrende Freundschaft“. Er sei froh, „dass diese Verbundenheit“ mit Walldorf bestehe und die Kinder von Kurt Klein keinen Groll hegten. Dass die Sitzbank zu einem „Ort der Erinnerung und der Freude“ werden soll, sei gerade in der heutigen Zeit „ein wichtiges Signal“, sagt der Bürgermeister. Mit Blick auf den Terror-Angriff der Hamas auf Israel und die folgenden Entwicklungen mit antisemitischen Kundgebungen und Parolen in Deutschland und weltweit erklärt er: „Wir müssen eindeutig Stellung beziehen. Jede Form von Antisemitismus muss bekämpft werden.“ Renschler bedankt sich bei Jim Klein auch noch einmal dafür, dass sich dieser im Mai, als eine Walldorfer Delegation die Partnerstädte Freeport/New York und Waldorf/Maryland besuchte, viel Zeit für ein Treffen in Washington, D.C. genommen habe. „Er hat es auch in Washington geschafft, die Brücke zu Walldorf zu schlagen“, sagt der Bürgermeister – nämlich mit einem beeindruckenden Besuch im dortigen Hotel Waldorf-Astoria, einem Ableger des weltberühmten, einstigen Hotels in New York, das von Nachfahren Johann Jakob Astors begründet wurde.
Zwischen Bankeinweihung und Gedenken an den Stolpersteinen gibt es für die Besucher aus den USA auch noch die informative Gelegenheit einer Führung durch das Print Media Center der Heidelberger Druckmaschinen im Werk Wiesloch-Walldorf. Wie Jim Klein und Leslie Simon erzählen, war ihr Vater Kurt Klein selbst im Druckgeschäft tätig und arbeitete mit einer Maschine von Heidelberg, wobei ihm die Kinder regelmäßig halfen. Von der Führung durch Nick Trabold, den Leiter des Print Media Center, und den technischen Fortschritten zeigen sie sich begeistert. „Faszinierend“, sagt Jim Klein. Das habe viele Erinnerungen an ihre Kindheit geweckt, fügt Leslie Simon an.
Info: Das SWR-Fernsehen hat am Samstag, 11. November, ab 19.30 Uhr in seiner Sendung „SWR aktuell“ einen Beitrag über den Besuch von Familie Klein in Walldorf und Heidelberg ausgestrahlt. Er ist online in der Mediathek zu sehen.
Text: Stadt Walldorf
Fotos: H. Pfeifer