Schon zu Beginn seiner Lesung in der Stadtbücherei gibt Volker Kutscher preis, dass es ihm großen Spaß mache, stilistisch etwas anderes aus dem Rath-Kosmos zu erzählen.
Neun Romane hat der Autor nun schon veröffentlicht, die sich um den Kriminalkommissar Gereon Rath drehen, der im Berlin der späten 20er und frühen 30er Jahre ermittelt.
Damit aber nicht genug: Kutscher unternimmt gerne auch mal „Ausflüge“ in andere Gattungen und schreibt zum Beispiel Kurzgeschichten. So hat der Rath-Kosmos stetig Zuwachs erhalten, es gibt auch schon eine Comic-Adaption des ersten Bandes, die der Autor bei der Lesung ebenso lobend erwähnt wie die Zusammenarbeit mit der Illustratorin Kat Menschik. Große Bekanntheit dürfte sicher die Serien-Adaption „Babylon Berlin“ erlangt haben.
Die gut besuchte Veranstaltung in der Stadtbücherei moderiert Dr. Ulrich Sonnenschein, Redakteur beim Hessischen Rundfunk, der Volker Kutscher im Gespräch einige interessante Informationen über den Rath-Kosmos, den aktuellen Roman „Transatlantik“ und die Arbeit als Autor entlockt.
Seine Ideen entstehen während des Schreibens, sagt Kutscher etwa an einer Stelle. Ob die vielen Nebenhandlungen – der Moderator hat im aktuellen Roman sechs Handlungsstränge gezählt – nicht eine große Herausforderung seien? Nicht so sehr, lautet Kutschers Antwort. Wichtig sei ihm, dass alles mit der Haupthandlung in Verbindung stehe. Es sei aber schon so, dass die Erzähldichte im Laufe der Jahre zugenommen habe. Die Begründung liefert der Autor gleich nach: „Es gibt Geschichten, die zu Ende erzählt werden wollen.“ Das werde für den zehnten und letzten Band der Rath-Reihe eine Herausforderung, wie der Autor einräumt und augenzwinkernd verkündet: „Mein Hauptziel ist, unter 1000 Seiten zu bleiben“, was dem Publikum ein wohlwollendes Lachen entlockt.
Ernster wird es, wenn es um den politischen Hintergrund der Roman-Reihe geht. Kutscher erklärt, dass er sich für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg entschieden habe, da es ihm sonst „zu ernst, zu grausam“ erschienen wäre. Spannender sei es zu zeigen, was vorher passiert ist. Ursprünglich habe er in der Zeit vor 1933 bleiben wollen, sich dann aber entschieden, auch den Zeitraum bis 1938 zu erfassen.
Auf die Besonderheit des neunten Rath-Romans angesprochen, dass Gereon Raths Frau Charlotte im Mittelpunkt steht, betont der Autor lachend, dass das kein Etikettenschwindel sei, schließlich trage sie den gleichen Nachnamen und so könne man trotzdem von einem „Rath-Roman“ sprechen. Natürlich kommt Charlotte „Charly“ Rath auch in der eigentlichen Lesung vor. Jedoch nicht in allen Passagen, die Kutscher vorliest. So spielen auch Charlys Freundin Greta, ihr Adoptivsohn Fritze oder Gangsterboss Johann Marlow eine Rolle. „Die Figurenentwicklung ist nicht von vornherein klar“, sagt Kutscher. „Ich erzähle von Roman zu Roman.“ Er habe allerdings Spaß daran, Figuren aus vorangegangenen Romanen wieder auftauchen zu lassen. „Mal schauen, wer da noch alles auftaucht“, sagt der Autor in Bezug auf den nächsten Rath-Roman.
Was der Autor auch gerne macht: sogenannte Easter Eggs, also Überraschungen mit Bezug außerhalb des Mediums, in der Geschichte unterzubringen.
Bei Volker Kutscher sind das oft Anspielungen auf die Gegenwart, etwa Titel bekannter Lieder wie „Hello again“, auf den ihn Dr. Ulrich Sonnenschein anspricht. Auf der einen Seite sei es „eine Spielerei“, sagt Kutscher dazu. Es habe aber auch den Hintergrund, dass ihm wichtig sei, dass der Leser erkennt: „Es ist aus der heutigen Sicht geschrieben.“ Trotzdem betonte er die Bedeutung der historischen Fakten als Grundlage seiner Romane. Was die Frage nach seiner Haltung zur Babylon-Berlin-Serie, einer Adaption seiner Bücher, aufwirft. Dass ihn die erfolgreiche Serie beeinflusst habe, verneint Volker Kutscher jedenfalls vehement. Die Serie sei komplett anders angelegt. „Für mich ist es ein Paralleluniversum – deswegen kommt es mir gar nicht in die Quere beim Schreiben.“ Die Macher von Babylon Berlin nehmen sich viele künstlerische Freiheiten heraus und hielten sich weniger an historische Fakten, als er das tue. Was er schade finde: Die Aufmerksamkeit für Filme und Serien sei oft ungleich größer im Vergleich zu anderen Adaptionen seiner Werke wie beispielsweise dem Comic zu seinem ersten Roman. Es gebe auch tolle Hörspiele, wirbt Kutscher dafür, den Blick auch auf andere Medien zu richten.
Der Blick von Volker Kutscher richtet sich im Moment jedenfalls noch voll und ganz auf sein Rath-Universum. Mit der Frage, was nach Rath kommt, beschäftigt sich der Autor dagegen (noch) nicht. Zwar habe er viele „Ideen in der Schublade oder auf der Festplatte“. Das Rath-Projekt werde ihn aber sicher noch einige Jahre beschäftigen. Was danach komme, wisse er noch nicht, sicher sei aber: „Es wird etwas sein, woran ich dann am meisten Spaß habe.“
Für die potenzielle Leserschaft wird das sicher nicht die schlechteste Entscheidung sein.
Text und Fotos: Stadt Walldorf