Bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl Ende dieses Monates wird ein Thema ganz oben auf der Agenda stehen. Für vier der sechs im jetzigen Bundestag vertretenen Fraktionen ist das Cannabisverbot zu teuer, zu ineffizient und nicht mehr zeitgemäß. Nur Union und AfD halten eisern an einem Verbot fest.
Die restlichen Fraktionen von SPD, den Grünen, FDP und der Linken sind sich weitestgehend einig, dass die Prohibition von Cannabis (Hanf) gescheitert ist. Zudem laufen erstmals seit 2002 beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwei aktuelle Anträge, die das Verbot kippen möchten. Experten sehen deshalb die Stunde gekommen, dass eine neue Konstellation in der Regierung den vor fünf Jahrzehnten ausgesprochenen Bann kippen wird.
Volksdroge Cannabis
Seit Jahren steht das Verbot von Hanf in der Kritik. Auf 30 Milliarden Euro wird der jährliche Umsatz illegaler Drogen in Europa geschätzt. Cannabis beansprucht dabei den weitaus größten Anteil für sich. In Deutschland besitzen mehr als 25% der Menschen zwischen 15 und 65 Jahren Erfahrung mit dem Genuss- und Rauschmittel.
In Deutschland darf Cannabis seit 2017 auf Rezept verschrieben werden. Dabei reicht die Geschichte von medizinischen Cannabissamen weit zurück, wie zamnesia.com/de auf seinem Blog eindrucksvoll dokumentiert. Der medizinische Wert wurde erst kürzlich von offizieller Seite (wieder) anerkannt. Unzählige Onlineshops bieten CBD-Produkte mittlerweile legal, Hanfsamen mit hohem CBD Gehalt (Cannabidiol) oder wirkungsvoller THC Konzentration (Tetrahydrocannabinol) aber immer noch mehr oder weniger illegal an. Die beiden Substanzen sind die bekanntesten Wirkstoffe der Hanfpflanze. Cannabis ist in der Gesellschaft nicht nur angekommen, es scheint bereits fest verankert.
Der Druck auf Befürworter des Verbots nimmt zu
Strafrechtler, Polizisten, Kriminologen und Sozialarbeiter stellen die Verbotspolitik der aktuellen Bundesregierung infrage. Momentan wird auch wieder in der Politik laut darüber diskutiert, ob Polizei und Justizbehörden die geeigneten Instrumente sind, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. In Ländern wie Kanada, den USA, Uruguay und Portugal sind die staatlichen Restriktionen gegen den Freizeitgebrauch der Nutzpflanze Hanf inzwischen im Großen und Ganzen gefallen.
Suche nach neuen Wegen
Die Argumente der Gegner des Verbots unterscheiden sich in Details. Sie sehen Lösungsansätze zwischen den Polen Legalisierung, Entkriminalisierung und Regulierung.
Die Sozialdemokraten
Die SPD nimmt Cannabis in ihrem Wahlprogramm als “gesellschaftliche Realität” ähnlich dem Alkohol und dem Tabak wahr. Die Kriminalisierung binde enorme Kräfte bei der Polizei. Die Fraktion spricht sich für eine weitere Verfolgung der organisierten Kriminalität aus, der Besitz kleinerer Mengen solle aber nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
Die Grünen
Die Grünen haben bis dahin als einzige Partei mit dem “Cannabiskontrollgesetz” einen ausformulierten Gesetzentwurf vorgelegt. Sie setzen auf eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene. Dadurch werde die Justiz entlastet, der Jugendschutz gewährleistet und der Schwarzmarkt ausgetrocknet. Die dabei erzielten Steuereinnahmen könnten dann zur Prävention und Behandlung verwendet werden.
Die Freien Demokraten
Auch die FDP denkt an die Eindämmung des Schwarzmarktes. Laut ihren Berechnungen gehen dem Staat durch den unkontrollierten Verkauf Milliardensummen durch die Lappen.
Die Linke
Von dieser Partei geht die einschneidendste Veränderung der Drogenpolitik aus. Sie wendet sich der Strafverfolgung ab und plädiert für eine Stärkung von Prävention und Beratung. Der Wunsch nach Rausch sei ein Bestandteil der meisten Kulturen und sollte nicht moralisch bewertet werden. Demnach sei der Gebrauch von Cannabis zu legalisieren, den mündigen Bürgern kann der Eigenanbau gestattet werden.
Bundesverfassungsgericht beauftragt
Den entscheidenden Anstoß für den Fall des Verbots könnte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geben. Dort sind derzeit zwei Normenkontrollverfahren im Rollen. Dabei wird geprüft, ob das Cannabisverbot womöglich gegen das Grundgesetz verstößt.
Die anhängigen Verfahren stammen vom Amtsgericht Münster und dem Berliner Jugendrichter Andreas Müller. Letzterer engagiert sich seit Jahren für die Legalisierung von Cannabis. Er findet, dass dem “Cannabisverbot die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben steht”.
Verbot fördert kriminelle Strukturen
Cannabiskonsumenten seien jahrzehntelang kriminalisiert und drangsaliert worden. Hohe Geld- und Haftstrafen hätten nicht verhindern können, dass die Zahl der Konsumenten von Jahr zu Jahr zunimmt. Laut Müller hat die Forschung in den letzten Jahren eine große Anzahl neuer Erkenntnisse gewonnen, wie die Freigabe für medizinische Zwecke beweise. Dieser Entwicklung habe sich der Gesetzgeber nun endlich zu stellen.