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Über Sanna Kondas Roman „Insel der Verwandlung“

22. März 2025 | > Walldorf, Allgemeines, Das Neueste, Kultur & Musik, ~ Umgebung

 

Bereit für die andere Welt

Zwei Textauszüge sind es, die Sanna Konda mit ihrer Bewerbung als potenzielle Gastkünstlerin der Stadt Walldorf einreicht. „Eine Bedrohung in fünf Reisebildern“ entführt die lesende Jury auf drei Seiten nach Brasilien. Aus ihrem im Werden begriffenen Roman legt die Autorin unter dem Arbeitstitel „Wie ein Vogel leben“ bereits gut achtzig Seiten vor. Die Jury beißt an, zeigt sich begeistert von der Klarheit ihrer Sprache, dem (zumindest für Walldorfer Verhältnisse) exotisch-ungewöhnlichen Setting und der schon im Fragment gut zu beobachtenden Entwicklung der Protagonistin. Und vielleicht schimmert schon zu diesem frühen Zeitpunkt auch die humorvolle, gut zugängliche Ader der Autorin durch ihre Zeilen.

Drei Monate später kommt die in Münster geborene, in Norddeutschland aufgewachsene, zwischen Norden in Ostfriesland, Wien und Reykjavik pendelnde Autorin, die auch Universitätsdozentin, Publizistin und Schauspielerin ist, ins beschauliche Walldorf, in die schöne Kurpfalz. Weit weg von ihrer „Vogelinsel“ verfasst sie nicht nur das „Walldorfer Tagebuch“, sondern schreibt vor allem ihren aus autobiografischen Erlebnissen gespeisten Roman zu Ende, findet einen Verlag, streitet (im Guten, versteht sich) über den Titel, wie das manchmal so ist, wenn Künstler-Idealismus und Verlags-Business aufeinandertreffen, und darf sich jetzt, als Lohn aller Mühen, über die Veröffentlichung des Geschriebenen zwischen zwei Buchdeckeln freuen: als „Insel der Verwandlung“ im ostfriesischen SKN Verlag. „Mir gefallen die Anspielungen auf Ovid und Kafka“, sagt die Autorin selbst über den finalen Titel, der im Traum zu ihr gekommen sei. Das passt in vielerlei Hinsicht sehr gut zum Buch, in dem Träume der verschiedensten Art eine große Rolle spielen. „Den Vögeln ist zu danken für den Traum vom Fliegen“, schreibt Sanna Konda als letzten Satz ihrer Dankesworte ganz am Ende des Buchs. Ihre Leser haben es natürlich schon viel früher gemerkt: Der Autorin ist ein sehr lesenswerter Roman gelungen, der inhaltlich wie auch sprachlich einiges zu bieten hat, der mit leichter Hand auch tiefsinnige Gefilde durchschifft, ernste Themen aufgreift, dabei aber den Spaß nicht vergisst.

„Als ich meine Füße auf die Insel setzte, wurde es unwichtig, was mich hergebracht hatte. Meine Aufgabe im nächsten halben Jahr war denkbar einfach: hier sein, beobachten, aufzeichnen“, heißt es schon im frühen Fragment des Romans. Das fertige Buch wird um einen weiteren Satz ergänzt: „Vielleicht mir selbst begegnen.“ Eine Binsenweisheit? Oder doch eine wichtige Erkenntnis, die bei aller Selbstverständlichkeit, welche Umstände Grenzerfahrungen nun einmal mit sich bringen, gar nicht oft genug wiederholt werden kann? Ja, „Insel der Verwandlung“ ist in vielerlei Hinsicht ein klassischer Entwicklungsroman: Die Hauptfigur und Ich-Erzählerin wird in ihrer Auseinandersetzung mit sich selbst und mit ihrer Umwelt dargestellt. Wie es sich gehört, wächst sie daran. Naturgemäß natürlich nicht, ohne die eine oder andere Hürde überwinden zu müssen. Nicht zuletzt deshalb verläuft die Entwicklung keineswegs linear, was für zusätzlichen Reiz sorgt.

„Was ist die Handlung, wenn ein Mensch allein auf einer Insel ist?“, hinterfragt Sanna Konda selbst bei ihrer Lesung in der Walldorfer Stadtbücherei die Ausgangssituation. Als sie dieser Gedanke beschäftigt, hat sie allerdings längst gemerkt: „Es gibt viel zu schreiben.“ Ihr Roman schickt eine junge Frau für ein halbes Jahr auf eine ostfriesische Insel, auf der sie ganz allein sein wird und nur alle zwei Wochen kurzen Besuch von einem Versorgungsboot erhält. Ihre Aufgabe ist es, die auf der Insel lebenden Vögel zu zählen und zu beobachten. Das könnte langweilig sein, ist es aber keineswegs. Wenn die Ich-Erzählerin „ihre“ Insel „mit den Augen erobert“, ist der Leser hautnah dabei. Die Eindrücke sind lebendig, anschaulich, nachvollziehbar – man hört es förmlich krähen, zwitschern und was der Vogellaute mehr sind. Der Duft von Salzwasser liegt in der Luft.

Der Roman lebt daneben auch von den Kontrasten. Da ist die Einsamkeit, die die Protagonistin in den ersten Tagen nicht nur genießt, sondern regelrecht zelebriert. Marshmallows, so lernen wir, können richtig glücklich machen. Und Bücher sind dazu da, gelesen zu werden, auch wenn der Vorrat knapp werden könnte. Aus Euphorie wird aber auch Furcht: So ganz allein auf einer Insel kann einen schon einmal der Gedanke quälen, dass man vergessen worden sein könnte – wird das Versorgungsschiff wirklich noch einmal auftauchen? Oder war es das jetzt vielleicht für immer mit dem Kontakt zur Zivilisation? Fragen, die nicht aufgesetzt, sondern glaubwürdig wirken und für die Hauptfigur verständlicherweise essenziell sind. Währenddessen kommt sie den gefiederten Bewohnern der Insel immer näher – und diese ihr.

Dass die Erzählerin dann zwischenzeitlich doch wieder in engeren Kontakt mit anderen menschlichen Wesen kommt, hat sie den Unbilden der Natur zu verdanken: einem Sturm, der über ihre Insel hinwegfegt und den sie in einer Mischung aus Angst und Panik, Naivität und Faszination erlebt. Und, Vorsicht Spoiler, bei aller Dramatik, die in diesen Szenen mitschwingt, auch überlebt. Die folgenden Tage in Gesellschaft geben der Entwicklung noch einmal einen neuen Schub – ohne den Sturm und seine Nachwirkungen hätte sich unsere Hauptfigur sicher als ganz anderer Mensch nach einem halben Jahr wieder von der Insel zurückgezogen.

So ganz ist nach dem Sturm ohnehin nichts mehr, wie es vorher gewesen ist. Traumhaften Sequenzen stehen ganz reale Ereignisse gegenüber. Die Einsamkeit wird durch Besucher mehrfach durchbrochen, diese Begegnungen sind kurz, aber einschneidend, der Sommer naht, die Vögel brüten nicht mehr und müssen deshalb auch nicht mehr gezählt werden – und die Ich-Erzählerin bekommt plötzlich auf Manuskriptseite 120 erstmals einen Namen. „Ich bin Sanna“, sagt sie zu dem vermeintlich schiffbrüchigen Pärchen. „Das ist meine Insel.“ Letzteres stimmt da vielleicht schon nicht mehr ganz, denn während es bisher vorwiegend um die Gegenwart gegangen ist, mit gelegentlichen Blicken in die Vergangenheit, richtet sie jetzt ihren Blick auch in die Zukunft. Die Entwicklung ist sicher noch nicht abgeschlossen, scheint aber weit genug fortgeschritten, dass die sichtlich gereifte Protagonistin die Insel verlassen kann. „Ich war auf die Insel gekommen mit sehr vielen Ideen davon, was ich nicht war und nicht sein wollte. Das hatte sich verändert“, stellt sie fest. Insofern passen sowohl der Arbeits- als auch der endgültige Titel: Sie hat mit den Vögeln und wie ein Vogel gelebt, sie hat sich verändert, auf eine spannende Art und Weise verwandelt, vielleicht nicht grundlegend, aber doch entscheidend genug, um wieder bereit für die andere Welt zu sein – die der Menschen, nicht der Vögel.

Text: Armin Rößler
Fotos: Stadt Walldorf und SKN Verlag

Info: Sanna Konda – Insel der Verwandlung, SKN Verlag, ISBN 978-3-910358-16-4, 16 Euro.

 

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