„Turandot“? Bei diesem Titel denkt man für gewöhnlich an die Oper von Giacomo Puccini, 1926 uraufgeführt, und die berühmte Arie „Nessun Dorma“, ob nun in der Interpretation von Luciano Pavarotti oder vielleicht auch von Paul Potts. Die literarische Vorlage der Oper ist noch ein gutes Stück älter: Carlo Gozzi hat das erstmals 1762 in Venedig gezeigte tragikomische Märchen verfasst und sich dafür einer noch viel älteren persischen Erzählung aus dem 12. Jahrhundert bedient. Eine bekannte Nachdichtung stammt von Friedrich Schiller (1801).
Dass der Stoff alles andere als angestaubt ist, hat jetzt die Mittel- und Oberstufen-Theater-AG des Gymnasiums Walldorf unter der Leitung von Jonas Rehm mit der Aufführung einer modernisierten Fassung bewiesen.
„Wir wollten mal etwas Lustiges machen“, sagt der Lehrer kurz vor Beginn und hofft, dass das funktioniert. Tut es: Die Vorstellung unterhält das Publikum in der Aula bestens, die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler machen ihre Sache prächtig und am Ende gibt es viel Applaus, sogar stehende Ovationen.
„Ich bin ausnahmsweise sprachlos“, ist auch der stellvertretende Schulleiter Jürgen Brunsch restlos begeistert. Er überreicht Blumen und verspricht den Darstellern ein Eis. Rehms besonderer Dank geht neben der Technik-AG unter der Leitung seines Kollegen Thomas Weigel („Die haben uns großartig unterstützt“), dem Verein der Freunde und Förderer, der für die Bewirtung sorgt, und der von Jasmin Ziegler geleiteten Unterstufen-Theater-AG vor allem an seine Schülerinnen und Schüler. Den Jugendlichen bleibe in Zeiten von G8 und vollen Lehrplänen leider immer weniger Zeit „für Dinge, die die Schüler wirklich weiterbringen und dem Lehrer Spaß machen“. Dass Schüler viermal in der Woche am Nachmittag Unterricht haben und am letzten freien Tag trotzdem in seine Theater-AG kommen, lässt Rehm strahlen.
Prinzessin Turandot (Daphne Harder), die Tochter des Kaisers von China (Jonas Rehm), soll heiraten, will aber nicht. Ihre Bedingung: Nur ein Prinz, der drei von ihr gestellte Rätsel lösen kann, erhält ihre Hand. Findet der Heiratskandidat aber die Antworten nicht, wird er sofort Henker Truffaldino (Philippe Happel) vorgeführt. Dementsprechend zieren schon einige Köpfe die Mauern des Palasts. Als die Handlung auf der Aula-Bühne zu orientalischer Musik einsetzt, steht gerade die Hinrichtung des Prinzen von Samarkand bevor. „Der Letzte ist erst vor drei Stunden gestorben und der Nächste hat sich schon angemeldet. Das ist doch grauenhaft“, sagt die Prinzessin später selbst. Da hat das Publikum diesen nächsten Kandidaten schon kennengelernt: Prinz Kalaf aus Astrachan (Mara Peter), der sich beim Anblick der Prinzessin sofort in sie verliebt.
Auch Kalaf hinterlässt mächtig Eindruck. „In meinem ganzen Leben habe ich noch keinen schöneren Prinzen gesehen“, schwärmt Zofe Zelima (Viona Hecker). Und die zweite Dienerin, Adelma (Manina Machts), kennt Kalaf noch aus ihrem früheren Leben als Prinzessin im Tatarenland, bevor sie in die Sklaverei gezwungen wurde, und hegt anfangs Hoffnung, mit ihm gemeinsam fliehen zu können. Ein weiterer alter Bekannter ist Zelimas Vater Barak (Jonna Großmann), der einst Hofmeister bei Kalafs Vater, Kaiser Timur von Astrachan (Julius Peter), gewesen ist, nun aber mit seiner Frau Skirina (Svenja Galka) hier heimisch geworden ist. In den Rollen der immer wieder präsenten Palastwachen sind zudem Titus Peter, Helena Große, Julius Peter und Nilay Srivastava zu sehen. Als Souffleur unterstützt Tamino Bruckmeier die Akteure.
Nachdem Kalaf im von der bekannten Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ musikalisch eingeleiteten zweiten Aufzug die drei kniffligen Rätsel überraschenderweise gelöst hat, Turandot ihn aber dennoch nicht heiraten will, bietet er ihr großmütig einen Ausweg an. Bringt sie seinen Namen und seine Herkunft in Erfahrung, die er bisher erfolgreich geheim gehalten hat, weil er sich auf der Flucht befindet, ist sie von ihrem Versprechen entbunden und darf ihn zudem töten lassen. Turandot setzt alle Hebel in Bewegung, seine Identität zu klären, was die Lage vor allem für Barak, Adelma und den ebenfalls auftauchenden Kaiser Timur brenzlig macht. Am Ende wird natürlich trotzdem alles gut, Turandot und Kalaf finden letztlich zueinander, auch alle weiteren Probleme werden gelöst.
Eine gelungene Aufführung der Theater-AG mit überzeugend agierenden Darstellern, die ihre Sache allesamt gut gemacht haben. Und die sich über besondere Gäste im Publikum freuen durften: Nachdem 30 Minuten des Stücks bereits bei den Schultheatertagen in Heidelberg aufgeführt worden waren, besuchte nun eine davon sehr begeisterte Grundschulklasse aus der Bahnstadt mit ihrer Lehrerin Walldorf, um hier die komplette Vorstellung erleben zu können. Wie an den strahlenden Gesichtern der Kinder zu sehen war, wurden die großen Erwartungen nicht enttäuscht.
Das gesamte Ensemble drückt Prinz Kalaf die Daumen, damit er Turandots knifflige Fragen beantworten kann.
Text und Fotos: Stadt Walldorf