In Wiesloch Wurzeln geschlagen: „Unser Ziel war es, einer möglichst großen Zahl von jungen Menschen aus Amarante hier eine Perspektive zu ermöglichen“, fasste Oberbürgermeister Dirk Elkemann die Bemühungen der Stadt Wiesloch und vieler Unterstützerinnen und Unterstützer in den vergangenen drei Jahren zum Projekt „Job of my life“ zusammen. Im Herbst nähert sich dieses Projekt dem Ende, Zeit nun eine Bilanz zu ziehen.
Rückblick
Im Jahr 2013 war der damalige Oberbürgermeister Franz Schaidhammer anlässlich des 10-jährigen Partnerschafts-Jubiläums in Amarante und wurde hier um Unterstützung gebeten. Die schwierige wirtschaftliche Situation in Portugal hatte zur Folge, dass es wenig Ausbildungsplätze für SchulabgängerInnen gab. Die „Bundesagentur für Arbeit“ unterstützte mit dem Programm „The job of my life” Jugendliche aus Europa, finanziert wurden Sprachkurse, Reisekosten und teils auch die Lebensunterhaltungskosten. Die Stadt Wiesloch nahm es als Aufgabe an, dieses Projekt für die portugiesische Partnerstadt Amarante, in Wiesloch umzusetzen. Unter der Projektleitung von Cornelia Schneider, Wirtschaftsförderin, wurde auf diversen Ebenen an der Verwirklichung gearbeitet. Mit Paula und Pit Christiansen, sie ist selbst gebürtige Portugiesin, beide sind Wieslocher, fand man rege Unterstützer für das Vorhaben. Durch die guten Netzwerke zu Firmen konnten in Wiesloch und Umgebung Ausbildungsplätze für 27 junge Menschen wurden gefunden werden. In Amarante wurden daraufhin 27 Bewerberinnen und Bewerber ausgewählt, die im Februar 2014 im Rathaus Wiesloch insgesamt 87 Bewerbungsgespräche mit den Unternehmen führten, die Ausbildungsplätze zur Verfügung stellten: HDM, EnBW, Das Palatin, Hotel Mondial, Hotel Kalipeh, REWE, Tari Bikes, Auto-Hofmann, PZN, Ford Wagner, Bäckerei Rutz, Florapark. Es folgte ein dreiwöchiges Praktikum und danach bei fast allen Amarantinos die Zusage für eine Ausbildungsstelle, die im September 2014 angetreten werden konnte. Parallel wurden Wieslocher Pateninnen und Paten gesucht und sehr schnell gefunden.
Die Paten wurden betreut vom jetzigen Leiter des Wieslocher EhrenamtsBüro, Peter Schmid, der auch darüber hinaus das Projekt unterstütze. Fachlich betreut wurde man in Sachen Anträgen, Sprachunterricht und allen „amtlichen“ Vorgängen durch die Heidelberger Dienste um Dr. Christian Krohne.
Mit dem „portugiesischen Studentenwohnheim” in der Schloßstraße 8 wurde eine schöne Unterkunft gefunden, die es ermöglichte, den jungen Portugiesen ein Stück Heimat zu schaffen, um gemeinsam besser in Deutschland anzukommen und den Alltag fern von Familie Freunden und gewohntem Alltag zu bewältigen.
Dank und Ausblick
Der Dank von Oberbürgermeister Dirk Elkemann gilt in der Zusammenfassung allen, die den 27 „Amarantinos“ hier eine neue Perspektive eröffnet haben. Mittlerweile leben sie in Wiesloch wie selbstverständlich und sind gut in Deutschland und ihrem neuen Leben angekommen. Seine Anerkennung gilt im Besonderen allen, die sich für dieses Projekt stark gemacht haben, insbesondere den Patinnen und Paten und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern.
Sehr skeptisch wurde das Projekt am Anfang bewertet, denn die große Hürde, die Sprache, schien wie ein Damokles-Schwert über dem gesamten Projekt zu schweben. Doch der Erfolg gibt nun zum Ende allen Recht. Nur vier Abbrüche und drei verlorene Ausbildungsstellen gibt es zu verzeichnen. Alle Amarantinos möchten nach der Ausbildung hier in Wiesloch bleiben und viele werden auch übernommen. „So haben wir unsere Städtepartnerschaft auf eine ganz neue Ebene gehoben“, erklärt Elkemann stolz.
Zusammenfassung zum Projekt
„Ich hatte in Amarante wie alle Portugiesen, die nach Deutschland kamen, schon einen Sprachkurs angefangen“, so Antonio Pereira, der bei EnBW, Netze BW, seine Ausbildung absolviert, „ich hatte und habe viel Spaß bei der Arbeit.“ In Portugal hätte er nach eigenen Angaben, „nie so viel erreicht wie in Deutschland in den vergangenen drei Jahren“. Das positive Feedback, das er in seiner Ausbildung und darüber hinaus erhält, gibt seiner Entscheidung Recht: „Ich sehe meine Zukunft hier in Deutschland und bei meinem Unternehmen“. Hier hat er viele Freunde gefunden, sucht gerade eine eigene Wohnung und fühlt sich durch die Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Paten voll integriert, „uns wurde viel geholfen, dafür sind wir sehr dankbar.“ Auch Ausbildungsleiter Gerhard Heinrich, der bei der EnBW für gesamt Baden-Württemberg zuständig ist, kann ausschließlich Positives vermelden, „er war leicht zu integrieren.“ Antonio und ein andere Auszubildende aus Amarante wurden in den Teams hervorragend aufgenommen. Fachlich hatten beide hervorragende Voraussetzungen mitgebracht, die „Sprache war der Pferdefuß“, so Heinrich, „hier mussten wir viel unterstützen.“ Auch Paula Ramos bestätigt, dass die Amarantinos trotz Deutschkursen in Portugal dem Sprachniveau in den Betrieben und vor allem in der parallel stattfindenden Berufsschulausbildung im Durchschnitt nicht gewachsen waren. Hier wurde dann in intensiven Sprachkursen nach der Arbeit und der Schule kräftig weiter gearbeitet.
„Am Anfang war es in Deutschland gar nicht leicht“ so Ines Alves, die im PZN eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolviert. „Alle Patienten sprechen Dialekt, da hatte ich es zusätzlich noch schwer“, so die junge Frau. Alles war neu beim Start in Wiesloch, sie war allein, das erste Mal weg von den Eltern ohne enge Freunde, die sie unterstützen könnten. Doch die Entscheidung nach Deutschland gegangen zu sein, hat auch sie nie bereut. Hier hat sie neue Freunde gefunden, eine gute Arbeit und eine sichere Zukunft, auf der sie aufbauen kann.
Renato Carvalho lernt Mechatroniker bei Heidelberg. In Amarante hatte er schon eine Ausbildung aber keine Stelle gefunden und keine Perspektiven zur Entwicklung. Hier in Deutschland sei er Teil einer tollen Gruppe, ist gefordert in der Arbeit und hat tolle Zukunftschancen. Auch sein Ausbilder Joachim Funkert wusste gleich von Anfang an, „dass er diesen jungen Mann für Heidelberg haben muss“. Bis heute unterstützt der Arbeitgeber ihn im Erlernen des Deutschen, denn „die Sprache ist und bleibt das Problem.“ In der praktischen Umsetzung und in der Begeisterung für seine Arbeit gebe es nichts zu meckern, aber die Theorie und die anderen Fächer in der Schule, wie Gemeinschaftskunde, seien wirklich große Hürden, die die Amarantinos nehmen mussten. „Manchmal weiß er die Umsetzung und die Antwort der technischen Frage, versteht aber die Fragestellung nicht.“ Nach dem Abschluss schließt sich eventuell eine Servicetechniker Ausbildung an, „dann sehen wir, wie es weiter geht“.
Auch in Amarante wurden die Eltern der jungen Portugiesen „nicht allein gelassen“, regelmäßige Treffen machten den Abschied von den Kindern erträglicher. „Die Eltern haben nach wie vor Kontakt zueinander“, so Paula Ramos. Auch die Patinnen und Paten in Wiesloch sind zu einer guten Gemeinschaft zusammen gewachsen. Ein gemeinsamer Besuch in Amarante fand schon statt, hier konnten sich auch Paten und Eltern begegnen.
So sind in Wiesloch und Amarante Menschen nicht nur aus zwei Ländern zusammen gekommen, die sich sonst nie begegnet wären, sondern auch innerhalb der beiden Orte entstanden völlig neue Beziehungen zu Menschen, die sich sonst nie getroffen hätten. „Sie alle haben Wurzeln geschlagen und hier Fuß gefasst. Darüber sind wir alle sehr glücklich“, so OB Elkemann.
Quelle: Stadt Wiesloch