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„Talk“ mit Dr. Timo Jouko Herrmann und Marcus Imbsweiler eröffnet die Musiktage

28. September 2024 | > Walldorf, Allgemeines, Das Neueste, Kultur & Musik

 

Unterhaltsame Lehrstunde zur Kurpfälzer Musikgeschichte

Wie hat man sich ein Konzert zu Zeiten Carl Theodors vorzustellen? „Die Leute saßen an kleinen Tischen, hatten ein Kartenspiel dabei und etwas zu trinken“, erzählt Marcus Imbsweiler. „Da kam der Orangenverkäufer durch und man hat sich unterhalten“, schildert Dr. Timo Jouko Herrmann, wie es im typischen Opernhaus zuging, das keineswegs wie heute üblich abgedunkelt war – weil es viel zu aufwändig gewesen wäre, die Kerzen in den unter der Decke hängenden Kandelabern erst anzuzünden, dann wieder zu löschen und schließlich erneut anzustecken. Die Botschaft: „Die Musik hatte es nicht leicht“, überhaupt die Aufmerksamkeit des Publikums zu bekommen. Also war der Komponist gefordert: „Er musste etwas liefern.“

Nur eine von vielen anschaulichen Anekdoten, die Herrmann und Imbsweiler dem erfreulich zahlreichen Publikum zum ersten „Musiktage Talk“ mitgebracht haben. Im Café des JUMP geht es bei Kaffee und Kuchen in angeregter Runde, in der Fragen und Anmerkungen ausdrücklich erwünscht sind, zurück in die Zeit des großen Kurfürsten, dessen 300. Geburtstag dieses Jahr begangen wird. Im Dialog der beiden Fachleute erschließt sich den Zuhörerinnen und Zuhörern, die am Ende lange Beifall spenden, warum die diesjährigen Musiktage den Titel „Arkadien in der Kurpfalz“ tragen, welche Rolle Carl Theodor für die Region, ihre neue Blüte nach den großen Verwüstungen in den vorangegangenen Kriegen und ganz besonders für die Förderung von Kunst und Kultur gespielt hat, was es mit der „Mannheimer Schule“ auf sich hat und welche Wirkung sie auch auf Komponisten wie beispielsweise Mozart hatte.

 

 

Der städtische Musikbeauftragte Timo Jouko Herrmann, künstlerischer Leiter und Initiator der Musiktage, und Marcus Imbsweiler, nicht nur erfolgreicher Schriftsteller (unter anderem der Heidelberg-Krimis mit Privatdetektiv Max Koller), sondern auch Musikwissenschaftler, spielen sich sehr geschickt einander die Bälle zu. Der Kurfürst, ab 1742 im Amt, sei für ihn „eine schwer zu fassende Figur“, sagt Imbsweiler. „Ambivalent“ nennt ihn Herrmann. Einerseits noch „absolutistischer Herrscher“, gleichzeitig aber auch mit einer sehr aufgeklärten Geisteshaltung. Dem „Prunk wie im Barockzeitalter“ stand eine ungewöhnliche Nähe zum Volk gegenüber. So habe Carl Theodor in München, wo er ab 1778 als Kurfürst von Bayern residierte, den Englischen Garten nicht für den Adel, sondern explizit fürs Bürgertum anlegen lassen.

Und die Musik? Eine Hofkapelle sei „an sich nichts Besonderes“ gewesen. Wohl aber das Orchester in Mannheim, schon seiner Größe mit bis zu hundert Instrumentalisten und Sängern wegen, die aus vielen verschiedenen Ländern stammten, was sich ebenso sehr befruchtend ausgewirkt habe wie der „hohe Anteil an Komponisten“. Carl Theodor erlaubte seinen Musikern Reisen, was ungewöhnlich war, aber ebenfalls für neue Impulse sorgte, und zeigte sich allgemein Neuerungen gegenüber aufgeschlossen. Diese machen Herrmann und Imbsweiler nicht nur mit Worten, sondern auch mit Hörbeispielen deutlich. So mit einem Ausschnitt aus dem 1750 entstandenem Opus 3 von Johann Stamitz, der als Begründer der „Mannheimer Schule“ gilt. Gut hörbar werden das damals innovative Spiel mit Überraschungen, die extrem dynamische Ausgestaltung von Kontrasten und die klare Struktur durch die Arbeit mit zwei Themen, die sich als wichtig für die Entwicklung der Sinfonie erweisen sollte. „Der Barock war noch da, die Klassik noch nicht geboren“, ordnet Herrmann Stamitz‘ wegweisende Impulse zeitlich ein. „Da hört man fast nichts mehr Barockes“, urteilt Imbsweiler. „Das klingt so richtig knackig“, sagt ein Zuhörer.

 

Der Dialog lebt von vielen gut nachvollziehbaren Beispielen und anschaulichen Bildern. Zeitzeugen, die Mannheim besuchten, hätten sich lobend über die Qualität und erstaunt über das gute Zusammenspiel der Hofkapelle geäußert. Letzteres war für damalige Verhältnisse keineswegs selbstverständlich: „Gehen Sie mal in ein Musikschulkonzert“, liefert Imbsweiler mit einem Schmunzeln einen etwas boshaften Vergleich, den er sich, wie er gleich entschuldigend nachschiebt, als Vater musizierender Kinder erlauben dürfe. Und Mannheim als „Geburtsort des Crescendo und Diminuendo“, wie damals ein englischer Journalist geschrieben hat, veranlasst Herrmann zur Schilderung: „Wenn die Musik stufenlos lauter wurde, hat es die Leute aus den Sitzen gehoben.“

Auch Solokonzerte seien typisch für Mannheim gewesen, weil es so viele gute Musiker gab, die ins rechte Licht gerückt werden mussten. Dass die Klarinette in einem Orchester spielte, sei 1758 noch einzigartig gewesen, für Mozart bei einem seiner Besuche gar „der Erstkontakt“, reguläre Klarinetten im Orchester spielen zu hören. „Ach, wenn wir [in Salzburg] auch nur Klarinetten hätten“, habe er seinem Vater geschrieben. Wie das geklungen hat, veranschaulichte ein Ausschnitt aus einem Konzert von Carl Stamitz, einem Sohn von Johann Stamitz. Gut zu hören, ist auch die damalige Vorliebe für Jagdmusiken.

„Carl Theodor wollte andere Stoffe, die zum Beispiel aus der deutschen Geschichte kommen“, sagt Herrmann über die gängige Praxis, hauptsächlich italienische Opern aufzuführen. So entstand 1777 die Oper „Günther von Schwarzburg“, die Hofkapellmeister Ignaz Holzbauer „schon relativ betagt“ (im Alter von 65 Jahren) komponierte. „Das Ganze spielt in Frankfurt, nicht etwa im Olymp“, und in einer Szene heiße es: „Im Hintergrund sieht man Sachsenhausen.“ Mozart habe die Oper gehört und sei „hin und weg“ gewesen, sie stelle „unheimlich hohe Anforderungen an alle Beteiligten“ und das Hörbeispiel, die Arie der Pfalzgräfin aus dem zweiten Akt, klinge später durchaus in den Arien der „Zauberflöte“ an. Anekdote am Rande: Weil das „nicht so tolle“ Textbuch von Anton Klein für eine schlechte Kritik sorgte, befahl Carl Theodor dem Verfasser kraft Amtes, „noch einmal eine gute Kritik zu schreiben“.

Die letzten Hörbeispiele liefert dann Mozart selbst mit einer Sinfonia concertante für Geige und Bratsche, die laut Herrmann viel von dem aufgreift, „was er in Mannheim gesehen und gelernt hat“ – unter anderem die Arbeit mit Kontrasten und das Ausreizen des Crescendo – sowie einer Klaviersonate, die er der Tochter des Kapellmeisters Christian Cannabich widmete, einer begabten Pianistin und „angeblich eine der schönsten Frauen Mannheims“. In Mozarts eigenen Worten klingt der zweite Satz „ganz nach dem Wesen der Mademoiselle Rose“. Das Werk wird bei den Musiktagen auch „live“ zu hören sein: am Freitag, 27. September, 19 Uhr, beim Konzert von Anders Muskens in der Laurentiuskapelle.

 

Bürgermeister Matthias Renschler hat in seiner Begrüßung „viel Spaß und Freude“ beim neuen Format gewünscht. Der lange Applaus für Herrmann und Imbsweiler beweist, dass das sehr gut funktioniert hat: eine Lehrstunde (eigentlich sogar zwei), die alles andere als belehrend, sondern sehr unterhaltsam dahergekommen ist. 

Zum kleinen Jubiläum und seinem eigenen Geburtstag hat Timo Herrmann die Ehre, die leckere Torte anschneiden zu dürfen, die den Gästen zum Dialog serviert wird.

Info: www.walldorfer-musiktage.de

 

 

 

Text: Stadt Walldorf
Fotos: Pfeifer

 

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