Stürmischer Applaus fürs Seekonzert –
Am Ende erhebt sich das Publikum von seinen Klappstühlen vor der großen Bühne im Walldorfer AQWA und klatscht stehend lang anhaltenden Beifall. Mit viel Applaus und begeisterten Rufen haben sich die rund 700 Besucher beim Benefizkonzert des SAP-Sinfonieorchesters für den Förderverein des Hospiz Agape in Wiesloch nach dem regulären Programm schon zwei Zugaben verdient: John Miles‘ „Music“, laut Dirigent Frederik Diehl das „signature Stück“ des Orchesters, das dank seiner wenigen Textzeilen noch einmal viel Raum für die Dynamik des perfekt aufeinander abgestimmten Klangkörpers lässt und mit seinen majestätischen, sich im finalen Part immer weiter steigernden Klängen natürlich auch die Zuhörer auf dem Freibad-Rasen mitreißt. Und „The Edge of Glory“ von Lady Gaga, das ebenfalls für viel Bewegung auf den Sitzplätzen sorgt.
Letzteres ist der einzige Titel des Abends, der das Motto „very British“ nicht erfüllt, der aber wie der Rest des Repertoires „very good“ oder sogar noch besser dargeboten wird. Und das in der ganz besonderen Atmosphäre des Bäderparks mit Blick auf den Badesee, an dessen Rand die Bühne steht, die dem Orchester etwas mehr Platz und Komfort bietet als die bei früheren Konzerten genutzte Seebühne.
Lässig und cool, aber auch geheimnisvoll und gefährlich: Das passt zum Geheimagenten seiner Majestät und das vermittelt das von Monty Norman für „James Bond – 007 jagt Dr. No“ (1962) komponierte Thema. Der leise, gemächliche Auftakt dieses populären Stücks Filmmusik wird von auf- und abschwellenden Bläsern zu etwas Geheimnisvollem und Spannungsreichem aufgebaut. Famos vom Orchester dargeboten, entstehen vor dem inneren Auge die Bilder vom gefährlichen Einsatz und dem heldenhaften Agenten wie von selbst.
Damit nicht genug: Sopranistin Kerstin Bauer kommt im langen silberschwarzen Kleid auf die Bühne und erinnert mit Sheena Eastons pompös präsentierten „For your eyes only“ an Bond „In tödlicher Mission“ (1981).
Und der zweite Gesangssolist des Abends, der unter anderem aus dem Mannheimer Capitol bekannte Sascha Kleinophorst, lässt im feinen Zwirn mit „Live and let die“ (1973) einen weiteren Klassiker aufleben. Die Wings-Nummer, schon im Original mit orchestralen Einsätzen versehen, eignet sich wie so viele Paul-McCartney-Stücke bestens für die Umsetzung mit großem Orchester, gerade in den schnelleren Passagen, wenn die Bögen über die Saiten flitzen dürfen.
Mit auf der Bühne sind jetzt auch die Background-Sänger der „Scream Factory“ aus Frankfurt, George Liszt, Sophie Löbermann und Linda Rocco.
Einen „Hörgenuss“ kündigt Hartmut Beck in seiner Begrüßung an. Der ehemalige Altlußheimer Bürgermeister und zweite Vorsitzende des Hospiz-Fördervereins hat nicht zu viel versprochen. Sein Dank gilt neben den vielen ehrenamtlichen Helfern vor allem dem SAP-Sinfonieorchester, das schon weit über 40 Benefizkonzerte für den Verein gegeben hat, dessen Aufgabe es ist, das gesetzlich vorgeschriebene Defizit des Hospizes zu decken. Das hat laut dem Fördervereins-Vorsitzenden Peter Schäfer auch während der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Wegfall von Veranstaltungen dank vieler großzügiger Spender gut funktioniert.
Wie wichtig die Unterstützung der Hospizarbeit ist, macht der Walldorfer Bürgermeister Matthias Renschler in seinem Grußwort deutlich. Denn im Hospiz Agape werden Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet, wird ihnen ein würdevolles Sterben ermöglicht. „Das ist ein vorbildliches Beispiel für bürgerschaftliches Engagement“, sagt Renschler über alle, die daran mitwirken.
Dass die Unterstützung durch das Orchester fortgesetzt wird, kündigt dessen Geschäftsführer Christian Stumpf an, indem er das nächste Seekonzert für kommendes Jahr verspricht. In Walldorf wird die Formation aber schon vorher wieder zu hören sein: im November mit einem Kinderkonzert in der Astoria-Halle und am selben Ort beim Neujahrskonzert der Stadt.
Mit „The Phantom of the Opera“ liefert die Musical-erfahrene Kerstin Bauer einen hörenswerten Ausflug in die Klangwelten von Andrew Lloyd Webber.
Sascha Kleinophorst, jetzt ohne Jackett, macht sich mit „Survival“ von Muse in aktuellere Klangwelten auf, ehe eine Reihe von Coldplay-Songs, von „A Sky full of Stars“ bis zu „Viva la Vida“, nicht nur die Akteure auf der Bühne ordentlich in Bewegung bringen – würde sich jetzt im Publikum jemand trauen, aufzustehen und zu tanzen, würden ihm bestimmt viele folgen.
Das passiert zwar leider nicht, dafür wird das lang gezogene „Oh-oh-oh, oh-oh-whoa“ begeistert aus vielen Kehlen mitgesungen.
Dirigent Frederik Diehl erklärt zum Programm, dass Konzertmeister Michael Strecker („ein Mensch, der uns die Sachen auf den Leib schreiben kann“) „schon immer mal Bond machen wollte“. Daraus sei dann die Idee entstanden, zu zeigen, dass es in Großbritannien „auch gute Dinge gibt“, so Diehl mit einem Augenzwinkern.
Nämlich viel mitreißende Musik: ob Ed Sheerans „Perfect Duet“, bei dem die ersten Handylampen Feuerzeug-Ersatz spielen, Robbie Williams‘ „Love Supreme“, das mit stürmischem Applaus bedachte „Babooshka“ der dank der Netflix-Serie „Stranger Things“ wieder ins Rampenlicht geschossenen Kate Bush oder dem unsterblichen „Sussudio“ von Phil Collins. Nicht nur ein herausragender, sondern auch ein extrem wandlungsfähiger Song, den Collins selbst dereinst auch schon in Big-Band-Besetzung auf die Bühne gebracht hat und der natürlich auch mit Orchester bestens funktioniert. Da muss sich sogar der Dirigent als „Tanzbär“ (Kleinophorst) freundlichen Spott gefallen lassen. Kerstin Bauer darf beim funky präsentierten „The real Thing“ von Lisa Stansfield noch einmal ihre fantastische Stimme beweisen und geht jetzt richtig aus sich raus, ehe Elton Johns „Don’t let the Sun go down on me“ den Schlusspunkt setzt. Dem folgen die Zugaben und nach einem fantastischen Abend die Vorfreude aufs nächste Jahr.
Text: Stadt Walldorf
Fotos: Pfeifer