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Prof. Dr. Klaus Töpfer im Palatin

6. Oktober 2012 | > Wiesloch, Das Neueste, Palatin, Photo Gallery, Politik

Töpfer: Es gibt kein Zurück mehr von der Energiewende
Gemeinsame Veranstaltung der CDU Rhein-Neckar, der CDU Wiesloch, des BUND und des NABU mit Prof. Dr. Klaus Töpfer zum Thema „Energiewende mit Ambition und Augenmaß“

Wiesloch. Kaum ein Thema wird derzeit in Deutschland so intensiv und auch so kontrovers diskutiert wie die Energiewende. Groß war folglich das Interesse an der gemeinsamen Veranstaltung der CDU Rhein-Neckar, der CDU Wiesloch, des BUND und des NABU. Rund 200 Zuhörerinnen und Zuhörer waren ins Wieslocher Palatin gekommen, unter ihnen Wieslochs Oberbürgermeister Franz Schaidhammer wie auch die Landtagsabgeordneten Karl Klein (CDU), Elke Brunnemer (CDU) und Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr (Bündnis 90/Die Grünen). Als Hauptredner fungierte der ehemalige Bundesumweltminister Prof. Dr. Klaus Töpfer, der aufgrund seiner vielfältigen einschlägigen Tätigkeiten – ob bei den Vereinten Nationen, als Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung oder als Vorsitzender der Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung – auch oftmals „Mr. Umwelt“ genannt wird.

Dr. Stephan Harbarth, dem Kreisvorsitzenden der CDU Rhein-Neckar und CDU-Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Rhein-Neckar, war es gelungen, Töpfer, der nahezu jeden Tag in der Welt unterwegs ist, für eine Veranstaltung zu gewinnen. Den ersten anberaumten Termin musste Töpfer kurzfristig absagen, da seine Präsenz im Emirat Katar gefragt war. Am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit klappte es dann doch und der Umwelt- und Klimaexperte war in Wiesloch vor Ort. „Wir sprechen heute über ein großes Thema von epochaler Tragweite, nicht für die Wirtschaft und die Umwelt, sondern für unsere Gesellschaft insgesamt“, so Harbarth in seiner Begrüßungsrede, „das ist eine wahrhaft groß dimensionierte Querschnittsaufgabe.“

Berthold Frieß, Landesgeschäftsführer des BUND, wies in seinem Grußwort darauf hin, dass es wichtig sei, bezüglich der Energiewende zusammenzuarbeiten und „über die manchmal plakativ erscheinenden Denkgrenzen unserer Gesellschaft hinweg“ miteinander zu diskutieren. In Deutschland gebe es 380.000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien: „Wir stehen vor einer großen Transformation. Wir müssen wegkommen von Atom und Kohle, wir müssen hinkommen zum Energiesparen, zum effizienten Umgang mit Energie und zur effizienten, ressourcenschonenden Erzeugung von Energie.“

Dr. Andre Baumann, Landesvorsitzender des NABU Baden-Württemberg, machte deutlich, dass der Deutsche Bundestag gemeinsam den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen habe: „Wir stehen jetzt nicht vor der Frage, ob es eine Energiewende gibt, sondern wie es sie gibt. Die Energiewende wird vor Ort sichtbar, wenn Windräder gebaut, Speicherkraftwerke geplant und Netze durch Deutschland gezogen werden, damit sie bei uns ankommt.“

Etwas über eine Stunde sprach im Anschluss Prof. Dr. Klaus Töpfer zur Energiewende – mit beeindruckender Tiefe, auf vielfältige Aspekte eingehend und auf unterhaltsame Art und Weise. „Viele sind der Meinung, Fukushima wäre der Schock gewesen und damit hätten die Deutschen auf einmal voller Angst und Panik gesagt: ` Jetzt müssen wir aber raus aus der Kernenergie.´ Man vergisst sehr schnell. Sie wissen, dass wir in Deutschland zum ersten Mal im Jahre 2001 aus der Kernenergie ausgestiegen sind“, sagte Töpfer. Der Anfang des Bundesumweltministeriums sei Tschernobyl gewesen: „In dieser Zeit sind wir nicht aus der Kernenergie ausgestiegen, obwohl dies damals viele intensiv anmahnten. Wir haben damals gesagt: Welche Alternativen haben wir? Aber wir waren in einer fast alternativlosen Situation,“ so der Umweltexperte, der im gleichen Atemzug seine tiefe Abneigung gegen das Wort „alternativlos“ preisgibt. „Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, Alternativen zu entwickeln“, so Töpfer weiter, „wir müssen alles machen, wenn so etwas wieder passiert, dass wir eine Alternative haben. Ich habe damals gesagt: Wir wollen eine Zukunft ohne Kernenergie erfinden.“ Alle Parteien hätten sich mit diesem Thema beschäftigt, es sei viel Geld investiert worden, vornehmlich in die Solartechnik, diese sei zentral in Deutschland entwickelt worden. „Auch hat es Investitionen in den Windbereich und bei der Biomasse gegeben, leider nicht bei der Geothermie, leider auch nicht bei der Energieeffizienz und der Speicherung von Energie. Hier sind die Koreaner Technologieführer.“

Bei Konferenzen im Ausland habe er den Eindruck gehabt, dass sich so mancher über die Entscheidung Deutschlands auf ganz besondere Weise freue: „Jetzt machen die Deutschen das, was wir nie geschafft haben: Sie schwächen ihre Wirtschaft selber.“ Allerdings habe er auch gehört: „Das wird nie klappen, aber wenn es die Deutschen machen, dann kannst Du nie ausschließen, dass es nicht doch klappt.“ Töpfer weiter: „Und wenn es klappt, dann ist das ein unglaublicher wirtschaftlicher Vorteil. Machen wir uns nichts vor, das ist auch für die Glaubwürdigkeit des Standortes Deutschland von größter Bedeutung.“ Deutschland habe seit der Reaktorkatastrophe Tschernobyl angefangen, nicht nur in die Technik der Nutzung erneuerbarer Energien zu investieren, sondern auch den Markt für erneuerbare Energien zu öffnen: „Ich bin viel unterwegs, auch in Japan. Die haben nichts in erneuerbare Energien investiert, die stehen da wie wir direkt nach Tschernobyl.“

Nach Ausführungen zum „Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz“ (Stromeinspeisegesetz) erläuterte Töpfer, dass es letztlich keine große Sache sei, Strom in Gas umzuwandeln und auf diese Weise nicht nur die Stromnetze, sondern auch die Gasnetze zu nutzen: „Das ist technisch machbar, aber aktuell noch zu teuer, die Effizienz ist noch zu gering. Die Frage ist: Können wir nicht etwa einen Windstrom, den wir an der Nordsee ernten, an Land über diese Technogien so verändern, um die vorhandenen Gasleitungen mitzunutzen?“ Die Welt schaue nach Deutschland, überall werde „massiv“ im Bereich der erneuerbaren Energien gearbeitet: „Ob China, Frankreich oder USA – die wollen da nicht den Anschluss verlieren.“ Besonderes Lob zollte der Umweltexperte den in Deutschland vorhandenen Energiegenossenschaften, von denen immer mehr gegründet würden: „ Ich finde das toll. Als ich noch studierte, da dachte ich, Genossenschaften sind so ein auslaufendes Unternehmensmodell. Von wegen. Es gibt ganz viele Leute, die sich dafür interessieren, in einer Gesellschaft, in der wir darüber klagen, dass wir nicht mehr die demokratische Teilhabe haben.“ Die Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) findet seine Zustimmung: „Ich halte das für richtig. Das sollte auch nicht in einen Wahlkampf hineingezogen werden, ansonsten ist dann von einem Gemeinschaftswerk nichts mehr zu sehen.“

Ferner befürwortet Töpfer, Unternehmen, die im weltweiten Wettbewerb stehen, von der EEG-Umlage auszunehmen: „Diejenigen, die davon profitieren, sollten allerdings mehr Anstrengungen machen, um die Energieeffizienz zu erhöhen.“ Klare Worte fand Töpfer, der auch Vizepräsident der Welthungerhilfe ist, bezüglich der „großen Problematik Biomasse“: „Wenn man durch Deutschland fährt, dann ist eine Art `Vermaisung´ festzustellen. Es ist für mich ethisch nicht vertretbar, immer mehr Mais zur Energiegewinnung zu nutzen, während viele Menschen in der Welt hungern.“ Drei Zahlen seien für sein gesamtes Wirken bedeutsam: „Im Jahre 1950 war der Anteil der europäischen Bevölkerung an der Weltbevölkerung noch 22 Prozent, im Jahre 2000 bei noch etwas über 10 Prozent und im Jahre 2050 wird er bei 5 Prozent sein. Da muss man sich fragen: Was machen wir? Welche Angebote haben wir für die Welt?“

In der anschließenden Podiumsdiskussion führte zunächst Harbarth in die Thematik „Energiewende im Rhein-Neckar-Kreis“ ein. Baumann (NABU) bezeichnete die Energiewende als „Operation am offenen Herzen“ und forderte, dass Deutschland mutig und kraftvoll vorangehen solle. Der NABU setze auf den breiten gesellschaftlichen Dialog. Auch Frieß (BUND) sprach sich dafür aus, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Der BUND habe beispielsweise Vorschläge gemacht und Bewertungen vorgenommen, an welchen Standorten im Rhein-Neckar-Kreis Windkraftanlagen nach Ansicht seines Verbandes sinnvoll wären.

Weiterer Diskussionsteilnehmer war Bruno Sauerzapf, der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion. „Die Energiewende muss zu einem Erfolgsmodell werden, alle Akteure müssen einbezogen werden. Wir werden das Ziel erreichen, wenn wir gemeinsam daran arbeiten“, sagte Sauerzapf.

Und weiter: „Klimaschutz und Energiewende wird es nicht zum Nulltarif geben. Man muss Mittel in die Hand nehmen.“ Ziel des Rhein-Neckar-Kreises sei ein energieautarker Kreis hinsichtlich der Strom- und Wärmeversorgung der Haushalte. Sauerzapf ging ferner unter anderem auf die Kliba ein – der Kreistag hat beschlossen, als Kreis dieser Beratungsagentur beizutreten-, auf die neue gebührenfreie Biomülltonne, auf die Einrichtung einer entsprechenden Biogasanlage und auf das Biomasseheizkraftwerk mit Fernwärmenetz in Sinsheim.
Abschließend hatten die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, Fragen an Klaus Töpfer zu stellen. Unter anderem ging es hierbei darum, ob die Energiewende unumkehrbar sei und wie die Folgen der Kernenergienutzung bewältigt werden können. Töpfer äußerte die Ansicht, dass der „Point of no return“ überschritten sei: „Es gibt kein Zurück mehr von der Energiewende. Sie müssen sehen: Die erste Wende war die von zwei Parteien, diese Energiewende ist von allen Parteien.“ Weltweit existiere noch keine Lösung, was man mit den Kernenergieabfällen letztlich mache. Der Kreisvorsitzende der CDU Rhein-Neckar, Dr. Stephan Harbarth MdB, bedankte sich bei Prof. Dr. Klaus Töpfer für seine Rede und seinen Besuch in Wiesloch mit einem kreativen Geschenk, einem Solarbaum, mit dem Töpfer sein Handy aufladen kann. (Text/Fotos: Busse)

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