(fwu) Der Name “Willy Brandt” zieht immer noch! Ob “Willy wählen” oder “Mehr Demokratie wagen”, die Wahlkampfmottos der Willy-Brandt-Zeit gehören längst zu den Bonmots der Gegenwartskultur und bringen nicht nur Sozialdemokraten zum schwärmen und sich erinnern. Dementsprechend voll war denn auch das Foyer des Kurpfalz-Centrums am Montag Abend bei der Vortragsveranstaltung der Leimener und St. Ilgener SPD mit Prof. Peter Brandt, dem Sohn des ehemaligen Kanzlers und Friedensnobelpreisträgers.
Der Hausmeister musste Stuhlreihe um Stuhlreihe anbauen, um allen Zuhörern einen Platz bieten zu können. Nachdem alle Besucher Platz gefunden hatten begrüßte der Leimener Ortsvereinsvorsitzende Hartwig Wätjen die Anwesenden und übergab sodann das Wort an den ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Mitglied des Vorstandes der SPD- Bundestagsfraktion Prof. Gert Weisskirchen, der in das Thema des Abends einführte und seinen “Bruder-im-Geiste” und Redner des Abends Prof. Peter Brandt dem Publikum vorstellte.
Peter Brandt ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Fernuniversität Hagen und keine Politiker, wie er selbst ausdrücklich betonte und sein gut einstündiger Vortrag über 150 Jahre Geschichte der Sozialdemokratie von 1868 bis heute, über die er auch sein neuestes Buch verfasst hat, war denn auch ein professoraler Parforceritt durch diese Zeit. Hinter dem Leimener Vortragspult stehend, spannte er den Bogen von den Anfängen mit Ferdinand Lassalle über das Kaiserreich bis hin zur sozialdemokratischen Hochblüte unter Willy Brandt mit dem Gewinn der fast absoluten Mehrheit in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Ein komprimierter historischer Schnelldurchlauf durch nahezu die gesamte Geschichte der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie!
Doch erst in der ebenfalls gut einstündigen Fragestunde nach seinem Vortrag, in dem er ausdrücklich auch private Fragen zuließ, wurde das tatsächliche unausgesprochene Kernthema des Abends “Willy Brandt” durch die Antworten seines Sohnes lebendig. Ob die Frage nach seinem persönlichen Verhältnis zum Vater, dessen Erziehungsstil oder des Sohnes Verhältnis zu den späteren Frauen seines Vaters, jede Frage beantworte Peter Brandt ausführlich und aufschlußreich. Auch Fragen nach dem menschlichen Verhältnis von Willy Brandt zu beispielsweise Herbert Wehner oder Oskar Lafontaine wurden aus der Innenperspektive beantwortet.
Besonders jedoch seine Antwort auf die Frage nach der Wirkung seines Vaters war prägnant: Seiner Meinung nach zeichneten Willy Brandt vier Eigenschaften aus. Zuvorderst seine Fähigkeit mit Menschen so umzugehen, daß sie sich verstanden und ernst genommen fühlten. Sodann sein ausgereifter politischer Instinkt, der ihn Situationen richtig einschätzen ließ. Auch sein nichtautoritärer Führungsstil wäre für seine Wirkung auf Dritte mit entscheidend gewesen. Und nicht zuletzt, die ihm eigene Art, sich selbst mit einer gehörigen Portion Selbstdistanz zu betrachten und damit auch politische Gegner respektvoll zu behandeln, resümierte er zum Ende des Abends und machte damit wohl auch die große Differenz zum heutigen Politikbetrieb deutlich.
Das Publikum dankte mit anhaltendem Applaus für seine Ausführungen, darunter Bürgermeisterin Claudia Felden, nahezu die gesamte SPD-Ratsfraktion, der Fraktionsvorsitzende der CDU Hans Appel und der FDP-Fraktionsvorsitzende Klaus Feuchter.
Hartwig Wätjen und Gert Weisskirchen bedankten sich bei Peter Brandt für seinen Vortrag und die informative Fragestunde und überreichten ihm zum Abschied eine gute Flasche Leimener Wein.
Fotos: Friedrich-Wilhelm Uthe