Öffentliche Sitzungen des Gemeinderats werden nicht im Internet übertragen
Keine Mehrheit hat der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen bekommen, öffentliche Sitzungen des Gemeinderats künftig live im Internet zu übertragen. Nur die antragstellende Fraktion selbst stimmte bei der Sitzung des Gemeinderats am 14. Juni dafür bei 19 Gegenstimmen, die von Bürgermeisterin Christiane Staab und den anderen Fraktionen kamen.
Wie Wilfried Weisbrod als Fraktionsvorsitzender der Grünen ausführte, seien die Besucherzahlen der Sitzungen „bescheiden und gingen zeitweise gegen null“. Das Angebot, Gemeinderatsitzungen zuhause verfolgen zu können, könne motivieren, sich mehr mit politischen Themen im Heimatort auseinanderzusetzen. Im gerade zu renovierenden Ratssaal solle man die technischen Möglichkeiten für Live-Übertragungen schaffen. Er erklärte auch, dass der Gemeinderat mehr in die Außendarstellung der städtischen Öffentlichkeitsarbeit aufgenommen werden solle. Ihm war bewusst, dass die datenschutzrechtlichen Gegebenheiten in Baden-Württemberg „etwas schwieriger sind als in anderen Bundesländern“. Das Recht des Einzelnen werde hier restriktiver gehandhabt. Trotzdem wolle seine Fraktion die Debatte anstoßen.
Erster Beigeordneter Otto Steinmann bekräftigte, dass tatsächlich die individuelle Zustimmung aller an einer Gemeinderatsitzung Teilnehmenden zu Filmaufnahmen eingeholt werden müsse. Diese Zustimmung müssten nicht nur die Mitglieder des Gemeinderats geben, sondern auch die anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die Zuschauerinnen und Zuschauer und eventuell eingeladene Sachverständige. Die Verwaltung glaube nicht, so Steinmann, dass das Interesse an den Sitzungen durch Live-Übertragungen deutlich gesteigert werde. Neben dem erheblichen technischen und personellen Aufwand bei Live-Übertragungen sehe die Verwaltung auch die Gefahr, dass beim Einstellen ins Netz das Material auch über YouTube verbreitet und eher Negatives herausgestellt werde. Auch in zeitversetzten Übertragungen mit Ausschnitten aus Sitzungen, wie sie einige Kommunen praktizieren, sah die Verwaltung keinen Vorteil und erteilte dem Antrag ihrerseits eine Absage. Ähnlich sahen dies auch die Redner der Fraktionen von CDU, SPD und FDP.
Stadtrat Werner Sauer (CDU) kritisierte, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sich gegenüber der Videoüberwachung an der „Drehscheibe“ skeptisch gezeigt habe, obwohl hier nichts veröffentlicht würde und die Aufnahmen nur bei einem Vorfall herangezogen würden. Aus dem Gemeinderat würde aber alles live übertragen, jede Handbewegung. „Das passt nicht zusammen“, stellte Sauer fest. Aus Datenschutzgründen könne man dem Antrag nicht nähertreten. Die im Gemeinderat diskutierten Themen seien vielleicht langweilig, denn an den Entfernungen in Walldorf könnten die Besucherzahlen nicht liegen. Er würde es auch bedauern, dass die sozialen Kontakte, die sich nach einer Sitzung mit Zuschauern ergäben, wegfielen. „Wir würden auch signalisieren: Du brauchst nicht zu kommen“, so Sauer. Sein Fraktionskollege Mathias Pütz meinte, dass ihm der Antrag auf den ersten Blick „sehr sympathisch“ gewesen sei, da man relativ viele Menschen erreichen könne. Die Reproduzierbarkeit im Netz könne jedoch die Redner hemmen, etwas zu sagen beziehungsweise, das zu sagen, was sie wollten. Insgesamt sei die Live-Übertragung sehr schlecht umsetzbar, daher könne auch er nicht zustimmen.
Lorenz Kachler (SPD), der sich selbst als intensiver Nutzer neuer Medien bezeichnete, fand den Vorschlag zwar „faszinierend“, sprach sich aber letztlich auch dagegen aus. Er meinte, dass Ausschnitte im Internet kursieren könnten, die das Negative hervorheben würden. Man wolle die Reaktionen schon überblicken können. Zeitversetzte Versionen wiederum könnten – ohne Vorsatz – Dinge verfälschen. Er meinte auch, dass man den Besuch der Sitzungen schmackhafter machen müsse. Die Struktur des Ratssaals müsse auf jeden Fall für Live-Übertragungen vorbereitet sein und vielleicht könne man mit einzelnen Sitzungen diesen Weg gehen.
„Wir müssen uns an die eigene Nase fassen“, stellte Dr. Günter Willinger (FDP) fest. Eine verkürzte Dauer der Sitzungen könne mehr Publikum anlocken. Die Tendenz, dass eher Negatives im Internet kursiere, sah auch er. Das Recht auf die eigenen Wortbeiträge sei ein hohes Gut, erklärte Willinger. Bei Live-Übertragungen befürchte er jedoch Schaufensterreden, die man nicht brauche. Auch Willinger kritisierte, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das System der Videoüberwachung an der „Drehscheibe“ ablehne, nun aber Daten ins öffentliche Netz stellen wolle. Wilfried Weisbrod meinte hierzu, dass ein „himmelweiter Unterschied“ zwischen der Übertragung von Sitzungen im Internet und seiner Ablehnung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum bestehe.
Dagmar Criegee (FDP) schließlich befürchtete ebenfalls Manipulationen im Internet und wies auf die qualitative Differenz zwischen dem Anschauen einer Sitzung im Internet oder im Ratssaal hin. „Die Zuschauer hier machen sich Gedanken“, meinte sie.
„Wenn ich informiert sein möchte, halte ich es nicht für unzumutbar, einmal im Monat zu einer öffentlichen Sitzung zu kommen“, erklärte Bürgermeisterin Christiane Staab. Die Bürgerinnen und Bürger hätten sehr viele Rechte, die Pflicht spiele jedoch offensichtlich gar keine Rolle mehr, gab sie zu bedenken und lud herzlich dazu ein, an den öffentlichen Sitzungen teilzunehmen.
Zurzeit finden die Sitzungen des Gemeinderats noch in der Schillerschule statt, aber die Wege in Walldorf seien kurz, ob hierhin oder in den Ratssaal, war im Gemeinderat zu hören.
Text: Stadt Walldorf, Foto: Pfeifer