Die Projektgruppe der Evangelischen Kirchengemeinde Walldorf „punktsieben“ hatte am 22. Februar 2015 die Walldorferin Michaela Schießl eingeladen, die Reporterin und Autorin im Wirtschaftsressort bei „Der Spiegel“ in Hamburg ist. Sie referierte über „Massenware Bio – das Gleiche in Grün?“.
(bb) Ralf Tolle als Mitglied der Projektgruppe begrüßte die zahlreichen Gäste und zitierte einen Artikel aus dem „Spiegel“ zum Thema Bio aus dem Jahre 1971 – ein Beweis dafür, dass Bioproduktion bereits seit über 40 Jahren ein (Streit)-Thema ist.
In ihrem interessanten Vortrag ging Michaela Schießl auf die verschiedenen Aspekte der Bioproduktion ein – von den Bauern in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die ihre Tiere artgerecht im Matsch wühlen lassen, nicht nur in „Bodenhaltung“, sondern im freien Gelände, über die Großzuchtbetriebe (Beispiel Almaria in Spanien als größtes Obst- und Gemüseanbaugebiet, alles unter Folie) bis hin zu den Kontrollsystemen, die leider in jedem Land unterschiedlich sind und jede Menge Ausnahmen zulassen.
Es ist verständlich, dass immer weniger Bauern nach den neuen Öko-Regeln ihren Hof bewirtschaften können, denn diese richten sich nach den Babykost-Grenzwerten. Um z. B. einen Hof auf Bio umzustellen, muss der Boden drei Jahre darauf vorbereitet werden. So lange darf der Bauer nur „Umstellungsware“ verkaufen, die ihm so gut wie keinen Gewinn bringt. Bis jetzt hat die Landwirtschaft lediglich einen Anteil von 6 % an Bio-Landwirtschaft. „Warum nicht an diesen anderen 94 % arbeiten?“ so Michaela Schießl. Weil es für die Bauern schwer ist, die neuen Öko-Regeln zu beachten, weil sie nur mit einer riesigen Fläche Land Gewinn machen können, weil es viele Betrugsfälle gibt, weil es zu viel „billiges Bio“ gibt durch Billigimporte aus Fremdländern, die mit schlechter Bezahlung ihrer Arbeiter und ihren eigenen laschen Kontrollsystemen den deutschen Markt überschwemmen und leider gibt es auch die Verbraucher, die gerne Bio, dies aber preisgünstig, kaufen wollen und dadurch eher zu Produkten aus anderen Ländern greifen. Es gibt auch viele Betrugsfälle, bei denen vermeintliche Bio-Ware importiert wurde, die sich letztendlich als schlechte Massenware herausstellte.
Nach einer kurzen Pause mit Bewirtung durch das punktsieben-Team beantwortete Michaela Schießl noch gerne die zahlreichen Fragen des Publikums.
Aus den Reihen der Gäste kamen Hinweise, wo es im Umkreis von Walldorf Bio-Höfe mit Hofläden gibt. Hier wurde z. B. der Wersauer Hof in Reilingen genannt (www.wersauer-hof.com). Auf dem Markushof in Maisbach (www.markushof-naturkost.de) gibt es sogar einen „Muhkomat“, bei dem man Milch „zapfen“ kann (1 l 1 €). Einen Bio-Weinbauern in der Nähe gibt es mit Karl-Friedrich Krämer in Dielheim (www.weinbau-goldene-gans.de). Einen Bio-Laden, der vorher in Walldorf ansässig war, findet man jetzt in Wiesloch (www.biomarkt-wiesloch.de). Wer Bio kaufen will, hat also durchaus auch rund um Walldorf vielfältige Möglichkeiten.
Die Buchhandlung Dörner bot an ihrem Büchertisch eine Auswahl an Literatur zum Thema Bio an. Dort gab es ebenfalls den „Spiegel“ vom 03.11.2014, in dem ein großer Artikel über den „Bio-Betrug“ von Michael Schießl, Michael Föhlingsdorf und Nils Klawitter zu lesen ist.
Das nächste punktsieben-Foyer findet am 22. März 2015 statt. Kein Geringerer als der Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh spricht über „Sexuelle Vielfalt – Eine Herausforderung für Kirche und Gesellschaft.“ Alle Interessierten sind hierzu bereits jetzt herzlich eingeladen.
Fotos: BBinz