Spätestens seit letzter Woche hat der Wahlkampf um die Position des Oberbürgermeisters von Wiesloch begonnen. Während seit März feststeht, dass sich der gemeinderatserfahrene Landtagsabgeordnete Kai Schmidt-Eisenlohr zur Wahl in seiner Heimatstadt stellen wird, gab nun auch der uns und vermutlich zahlreichen Mitbürgern unbekannte Dirk Elkemann aus Schwetzingen seine Kandidatur bekannt. Eine Gegenkandidatur bringt Wettbewerb und macht den Urnengang erst zu einer Wahl. Ist man versucht zu sagen. Eigentlich.
Was aber ist der Antritt eines Kandidaten für Stadt und Bürger wert, der eine Bewerbung bis vor zwei Wochen„gar nicht so auf dem Schirm hatte“ (RNZ online, 29.08.2015)? Der, wie an gleicher Stelle zu lesen war, die Wahl schon für gelaufen hielt und erst neugierig geworden sei, als man ihn vom Gegenteil überzeugen konnte?
Welches Interesse hat dieser Bewerber an der Aufgabe, die er anstrebt? Brennt er für Stadt und Menschen oder sucht er den nächsten Karriereschritt? Hat er einen Wahl-Kampf aufgenommen oder hat er die Komfortzone erst verlassen, als man ihm die koalitionäre Sechsfaltigkeit zusicherte?
Die auf der offensichtlich in Windeseile gebastelten Homepage bislang benannten Inhalte und Ziele seiner angestrebten Amtszeit lassen sich allenfalls mit gutem Willen als Allgemeinplätze benennen. Keine Termine, keine Details – gut vier Wochen vor der Wahl.
Ja, Lokalpolitik mag eine beschränkte Themenvielfalt aufbieten. Umso mehr jedoch kommt es darauf an, welchen Ausgestaltungswillen und welche Umsetzungsphantasie der Mensch verkörpert, der sich dieser Herausforderung stellt.
Dirk Elkemann kommt angesichts seines Berufsweges als Verwaltungsmensch daher – Kai Schmidt-Eisenlohr als Gestaltungsmensch.Man könnte auch sagen: Berufsbürgermeister gegen einen ortskundigen Einwohner, der seit 16 Jahren Mitglied des Stadtrates ist.
Und welches Spiel treibt die Große Koalition, indem sie einen derart motivierten Mann ins Rennen schickt? Offenbar mangelte es im Vorfeld der Wahl, die alles andere als überraschend ansteht, an geeignetem oder willigem Personal, so dass man allenthalben bereits die Sonnenblume über dem Rathaus wehen sah.
So groß also muss die Sorge gewesen sein, dass man wohl in manch einer Fraktionskammer die eigenen Ecken und Kanten abschliff, um das Konsensboot nicht bereits beim gemeinsamen Einstieg leckzuschlagen. Wie sonst ist es möglich, einen Bewerber wie aus einem Munde als unabhängig zu präsentieren, bei dem sich eine gewisse Parteinähe aufdrängt?
Kam doch der die koalitionäre Ratlosigkeit überwindende Tipp bezüglich Elkemann vom CDU-Landtagsabgeordneten Karl Klein (RNZ online, 29.08.2015). Und bei der Homepage-Gestaltung von CDU-Wiesloch und Elkemann lassen sich gewisse Ähnlichkeiten in Farbe und Schrift auch erahnen. Zufall?
CDU-Stadtrat Seidler setzt auf eine „Befriedung der polarisierten Wieslocher Kommunalpolitik“ (homepage CDU-Wiesloch) durch einen parteilosen OB-Kandidaten, während die Entfriedung vermutlich in der Ära des parteilosen OB Schaidhammer entstanden sein müsste.
Was also sollen wir anfangen mit der Mär von der Unabhängigkeit? Lasst uns den Reiter dem Ross zuordnen und mit der Ehrlichkeit beginnen, die allenthalben propagiert wird.
Näher ist mir der Parteikandidat mit Fähigkeit zu Konsens und freiem Denken als der Konturlose, zum Amt Getragene, welcher sich recht bald seiner Einheitsfarbe entledigen könnte. Fraktionsvorsitzende und Parteimitglieder, befreit euch vom Gesinnungskorsett! Der Bürger wird es euch lohnen. Macht aus der Wahl unseres OB keine Verhinderungswahl, sondern eine Gestaltungswahl!
„Letztlich wird die Entscheidung über den zukünftigen Oberbürgermeister aber von den Wieslocher Bürgerinnen und Bürgern getroffen[…]“ (Rüdiger Haas, FDP-Ortsvorsitzender). Der Mann schaut wohl schon über den Bootsrand, während die anderen noch rudern.
Birgit und Jürgen Wagner, parteilos; Wiesloch