Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,
ich schreibe auf dem Rückweg von der Jahresauftaktklausur der SPD Bundestagsfraktion, die mich diesen Donnerstag und Freitag wieder nach Berlin geführt hat.
Wir haben intensiv beraten über die Situation im Land, die Leistung der Regierung und über die anstehenden Europawahlen. Am Tag davor erreichten uns Nachrichten von einem Treffen Rechtsradikaler, AfD- und auch CDU-Mitgliedern. Das Treffen mag ein “Geheimtreffen” gewesen sein, aber was dort diskutiert wurde, ist überall nachzulesen oder zu hören. Die Teilnehmenden ergingen sich in Deportationsphantasien, neudeutsch „Remigration“ genannt. Eine Teilnehmerin legte noch nach und meinte, das wäre auch eine gute Idee nicht nur für die sogenannten “Passdeutschen”, die zwar die Staatsangehörigkeit besäßen, aber eben keine richtigen Deutschen seien, sondern auch für die Journalisten, die solche Treffen aufdecken. Es ist unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit hier ans Werk gegangen wird. Gleichzeitig hilft uns keine Empörung. Wir Demokraten müssen die Menschen selbst wieder mit den eigenen Antworten überzeugen.
Das habe ich zuletzt mit meinem Jahresschlussbrief versucht. Darauf habe ich zahlreiche und sehr unterschiedliche Reaktionen erhalten. Vielen Dank dafür. Ich will, wie ich es regelmäßig versuche, hier noch einmal gesammelt reagieren.
In einer Zuschrift wurde meine Aufzählung der “vermeintlichen Erfolge” des letzten Jahres praktisch weggewischt und gesagt, dass “die wirklich drängenden Probleme” keine Aufmerksamkeit der SPD fänden, darunter die “illegale Zuwanderung”. Ein befreundeter Pfarrer hatte mir dagegen schon nach einem ZDF-Interview im Dezember zur Frage von Abschiebungen von Jesiden besorgt geschrieben, ob wir nun immer weiter nach rechts rutschen und unsere Menschlichkeit verlieren würden und schrieb mir zu Weihnachten erneut.
Tatsächlich war es so, dass ich schon beim Schreiben des Jahresschlussbriefes ein Störgefühl hatte, als es um die Aufzählung der Reformen des letzten Jahres ging. Einmal, weil es auch bei Veranstaltungen meine durchgängige Erfahrung ist, dass niemand hören will, was wir tun. Die Menschen wollen dass es einfach läuft und sagen, was sie selbst auf dem Herzen haben.
Vor allem aber hatte ich ein Störgefühl, weil ich schon ahnte, dass diese kleinteilige Aufzählung an der aktuellen Gefühlslage der Nation vorbeigeht. Natürlich hilft ein Einwanderungsgesetz für mehr legale Migration. Natürlich sind eine Ausbildungsgarantie und Weiterbildungsförderung nicht die Lösung für die Bildungsmisere, aber sehr wohl eine für jede/n Einzelne/n, der dadurch neue Chancen erhält und sich eben nicht dauerhaft ungelernt und schlecht bezahlt von prekärem Job zu prekärem Job hangeln muss. Politik geht eben immer nur Schritt für Schritt, wie das Leben auch. Auf die Richtung kommt es an.
Aber die ist den Menschen nicht klar. Eine Frau schreibt mir: “Ich bin als Kriegskind aufgewachsen mit Bomben, in Kellern schlafend, hungernd, frierend ohne Vater, ohne Onkel, eine Generation ohne Männer, aber noch nie war ich so hoffnungslos mit Blick auf das kommende Jahr, zu der Situation im eigenen Land, die Kriegs Situation in Europa und weltweit.” Damals lag das Land am Boden, aber irgendwie, wahrscheinlich weil es gar nicht anders ging, wurde eben wieder angepackt, von vorne angefangen. Heute haben wir uns, bei allen Schwierigkeiten und Ungleichheiten, einen Wohlstand erarbeitet, der aus damaliger Perspektive unvorstellbar ist. Und das Grundgefühl scheint zu sein: dass es nur schlechter werden kann. Dieses Grundgefühl wäre fast schon die Garantie, dass es auch so kommen wird. Deshalb bleibe ich bei der Botschaft meines Jahresschlussbriefes: Wir haben die Pflicht, optimistisch zu sein. Und gleichzeitig allen Grund dazu, wenn wir es sind und danach handeln.
Dafür müssen wir Richtung, Ziele, schlicht was uns wichtig ist wieder miteinander klar kriegen. Das gelingt nicht mit Jahresschlussbriefen oder E-Mails. Wir müssen zusammenkommen, bunt gemischt wie wir eben sind im Land, reden, vor allem zuhören, Kontroverse aushalten, auch manches gerade rücken, was in der Wahrnehmung verrutscht ist, erkennen, dass uns am Ende doch mehr eint als trennt. Überall, wo das gelingt, gehen Menschen bewegt und gestärkt wieder nach Hause, und finden auch wieder zu neuer, gemeinschaftlicher Aktivität. Und so kann es dann auch etwas werden mit unserem guten Land von morgen.
In diesem Sinne freue ich mich auf viele Begegnungen im ganzen Land und wünsche noch einmal Gutes für 2024.
Herzliche Grüße
Ihr/Euer Lars Castellucci
Termine
· Freitag, 12. Januar, 19.00 Uhr: Ehrungsabend der Gemeinde Dielheim, Kulturhalle, Pestalozzistraße 30, Dielheim
· Samstag, 13. Januar, 10.00 Uhr: Jahresauftakt der SPD Baden-Württemberg, Bad Boll
· Sonntag, 14. Januar, 11.00 Uhr: Neujahrsempfang der Stadt Walldorf, Astoria-Halle, Schwetzinger Str. 91, Walldorf
Quelle: Lars Castellucci