Gemeinderat Walldorf verabschiedet Resolution an Landrat Dallinger
Eine an Landrat Stefan Dallinger gerichtete Resolution zum parallelen Betrieb mehrerer Gemeinschaftsunterkünfte im Industriegebiet in Walldorf-Süd verabschiedete der Gemeinderat einstimmig in seiner Sitzung am 5. Juli.
Den ungewöhnlichen Tagesordnungspunkt erläuterte Erster Beigeordneter Otto Steinmann, der die von Mitgliedern aller Gemeinderatsfraktionen erarbeitete Resolution anschließend im Wortlaut vortrug (siehe unten). Wie er erklärte, reagiere der Gemeinderat mit seiner Verlautbarung auf die Pläne des Rhein-Neckar-Kreises, an der Philipp-Reis-Straße eine Containeranlage für 250 Flüchtlinge zu betreiben, in die die bislang in der Notunterkunft in der Industriestraße untergebrachten Flüchtlinge umziehen sollen. Die Notunterkunft solle anschließend zu einer Gemeinschaftsunterkunft umgebaut werden mit Platz für bis zu 250 Personen (siehe auch „Walldorfer Rundschau“ Nr. 17 vom 30. April 2016, Seite 5). In der Gemeinschaftsunterkunft an der Albert-Einstein-Straße sollen Büros entstehen, so dass diese Unterkunft nur noch zur Hälfte mit Flüchtlingen belegt werden könne. Damit würden über einen längeren, nicht ganz drei Jahre dauernden Zeitraum die Unterkünfte in der Industriestraße und Philipp-Reis-Straße parallel betrieben mit bis zu 550 Menschen.
Anlass für die Resolution war die Tatsache, dass die Bauanträge des Rhein-Neckar-Kreises der Stadt Walldorf vorliegen. An die entsprechende Rechtslage ist die Stadt als Untere Baurechtsbehörde zwingend gebunden.Verwaltung und Gemeinmeinderat zeigten zwar Verständnis für die Bemühungen des Kreises, vorhandene Notunterkünfte qualitativ zu verbessern, doch ist die Sorge groß, dass sich durch die Konzentration von drei Gemeinschaftsunterkünften ein Ghetto bildet. Die Bemühungen um eine gute Integration würden dadurch gefährdet. Der Appell an den Landrat lautet daher, die Pläne, zwei große Gemeinschaftsunterkünfte im Walldorfer Industriegebiet zu betreiben, nicht umzusetzen und maximal eine Gemeinschaftsunterkunft zu führen. Auch für eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge innerhalb des Rhein-Neckar-Kreises, wo in 34 von 54 Städten und Gemeinden Flüchtlinge untergebracht sind, spricht sich der Gemeinderat aus.
„Wir wollen’s hier gut machen“
In ihren Stellungnahmen sprachen die Redner aller Fraktionen den ehrenamtlich Engagierten Walldorfs ihren Dank für die gelungene Willkommenskultur aus. Diese wohlwollende Haltung würde man mit rund 550 Flüchtlingen in der Erstunterbringung aber „strapazieren“, meinte Stadtrat Mathias Pütz (CDU). Auch wenn das Baurecht es zulasse, solle man von dem Vorhaben absehen.
„Wir möchten’s hier gut machen“, meinte Dr. Andrea Schröder-Ritzrau (SPD), die das favorisierte dezentrale Wohnkonzept lobte. Mitten in der Stadt im „Boarding House“ lebten 90 Asylbewerber „mittendrin“, was auch dank der Patenschaften gut gelinge. Im Industriegebiet sei eine Konzentration auf engstem Raum nicht vorstellbar. Sie bedeute eine starke Isolierung.
Dr. Günter Willinger (FDP) appellierte an den Rhein-Neckar-Kreis und die Nachbarkommunen, sich solidarisch zu verhalten. Das Kreisgebiet solle sich gleichmäßig beteiligen. Die Akzeptanz der Asylsuchenden solle erhalten werden, so Willinger.
Auf Unverständnis stieß Wilfried Weisbrods (Bündnis 90/Die Grünen) Einwurf, dass er nicht an die Wirkung der Resolution glaube und Bedenken habe, dass diese richtig verstanden werde. Man solle vielmehr mit dem Landrat reden. Dieser habe ihm gegenüber bei einem Zusammentreffen gemeint, dass es keine volle Doppelbelegung geben werde und dass er gerne mit den Fraktionsvorsitzenden sprechen werde.
Bürgermeisterin Christiane Staab stellte fest, dass „die Gangrichtung“ im Ältestenrat so besprochen worden sei und der Landrat entsprechend informiert sei. Das Landratsamt werde kommen und seine Sichtweise darlegen. Dr. Andrea Schröder-Ritzrau (SPD) verwehrte sich dagegen, dass „die Resolution nicht nötig gewesen wäre“. Man habe die begründete Sorge, dass so viele Menschen untergebracht würden. Mathias Pütz (CDU) hielt die Resolution für einen „eleganten Weg“. Man müsse ein Zeichen der Solidarität setzen und könne nicht tatenlos zusehen. „Der Landrat soll auch in andere Gemeinden schauen“, meinte Manfred Zuber (SPD). Erster Beigeordneter Otto Steinmann fasste zusammen, dass man parallel mit dem Rhein-Neckar-Kreis gesprochen habe und das Landratsamt über die Resolution nicht überrascht sein werde. „Wir tun das eine, ohne das andere zu lassen“, versicherte er.
Text: Stadt Walldorf
Hier die Resolution des Gemeinderats Walldorf im Wortlaut:
Der Stadt Walldorf liegen als „Untere Baurechtsbehörde“ zwei Bau- bzw. Nutzungsänderungsanträge vor, wonach in der Philipp-Reis-Straße 3 für 250 Asylbewerber eine Gemeinschaftsunterkunft zur Vermietung an den Rhein-Neckar- Kreis gebaut und der Umbau der seit August 2015 bestehenden Notunterkunft in der Industriestraße 58 zur Gemeinschaftsunterkunft für ebenfalls 250 Asylbewerber erfolgen soll. Beide Vorhaben bedürfen einer Befreiung nach § 31 BauGB. Die Bearbeitung der Anträge durch unsere Baurechtsbehörde ist derzeit im Gang. Bei der Umsetzung dieser Pläne wären bis zu 550 Menschen in Gemeinschaftsunterkünften bei uns im Industriegebiet untergebracht, denn es besteht seit Anfang 2014 auch eine Gemeinschaftsunterkunft des Rhein-Neckar-Kreises in der Albert-Einstein-Straße für weitere 50 Asylbewerber. Mit dieser Konzentration von drei Gemeinschaftsunterkünften, die nur ca. 200 Meter voneinander entfernt liegen und dann insgesamt bis zu 550 Menschen beherbergen können, befürchten wir eine Konstellation, die auf engstem Raum einer Ghetto-Bildung gleichkommt – verbunden mit allen bekannten Problematiken. Dies würde die umfangreichen Bemühungen, sowohl der Kommune als auch der enorm engagierten Zivilgesellschaft in Walldorf, für eine gute Integration der bei uns untergebrachten schutzbefohlenen Menschen in erhebliche Gefahr bringen. Gemeinderat und Verwaltung waren sich von Anfang an ihrer Verantwortung gegenüber den bei uns ankommenden Flüchtlingen bewusst. Nur so konnten wir so vieles auf den Weg bringen, um deren Situation annehmbar zu gestalten. Umso mehr ist es uns wichtig, die Gründe für diese Resolution darzulegen. Wir stehen in der politischen Verantwortung, nachhaltige Entscheidungen für unsere Stadt auch in dieser Thematik zu treffen. Weder Angst vor Überfremdung noch allgemeine Ressentiments gegen Asylbewerber oder gar bewusste Polarisierung sind Anlass dieser Aufforderung. Vielmehr sind es die intensiven Bemühungen, den Menschen möglichst gut zu helfen, die bei uns Zuflucht finden und die Walldorfer Bevölkerung in diesem Prozess weiterhin breit eingebunden zu wissen. Walldorf hat einen sehr aktiven „Arbeitskreis Asyl“, ein sehr gut angenommenes Begegnungszentrum in der Stadtmitte, viele ehrenamtlich engagierte Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie umfangreiche ehrenamtliche und kirchliche Unterstützungsangebote wie Sprachkurse, Familienbegleitung u.v.m. Die Stadt hat auch eine sehr vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit mit Ihnen, dem Rhein-Neckar-Kreis und Ihren Mitarbeitern im Ordnungsamt bei allen Fragen, die das Thema Asyl betreffen. Dafür sind wir sehr dankbar. Walldorf versorgt 43 Menschen in der Anschlussunterbringung. In der Bahnhofstraße (Wohnstadt) betreibt der Rhein-Neckar-Kreis seit 2015 eine weitere Gemeinschaftsunterkunft im so genannten „Boarding House“ für 90 Asylbewerber. Hier gelingt es ausgezeichnet, die Menschen durch Familienpatenschaften gut zu begleiten. Das beinhaltet auch den Übergang in die Anschlussunterbringung, wenn er sich auf unsere Stadt bezieht. Dies gelingt auch besonders deshalb, weil die Menschen in der Kernstadt untergebracht sind und damit „zum Stadtleben“ dazugehören. Es ist insgesamt ein gutes Miteinander und wir freuen uns über die breite Akzeptanz in unserer Bevölkerung. Walldorf hat im Gemeinderat einvernehmlich ein dezentrales Konzept für die Anschlussunterbringung verabschiedet – auch dies ist ein Zeichen für einen guten Integrationsprozess, auf den unser Gemeinderat stolz ist. In der derzeitigen ehrenamtlichen Betreuung gestaltet sich die Einbeziehung der Notunterkunft in der Industriestraße am schwierigsten, allein durch die räumliche Entfernung (und durch die monogeschlechtliche Belegung). Bei einer nahezu Verdoppelung der Zahl der Menschen in dem Gebiet wäre hier die notwendige ehrenamtliche Betreuung nicht mehr zu leisten und das Gebiet liefe Gefahr, sich rasch zu einem GUK-Ghetto mit den bekannten Problemen zu entwickeln. Für die Menschen, die dort leben werden, ist kein einfacher, niederschwelliger Zugang zur Walldorfer Bevölkerung (und umgekehrt) mehr möglich. Aber genau das ist ja der Grundstein einer gelingenden, guten Integrationsarbeit, für die sowohl der Walldorfer Gemeinderat als auch die Verwaltung nach wie vor fest stehen. Wir argumentieren daher nicht mit der Verträglichkeit für das Industriegebiet Walldorf. Wir verstehen auch die Bemühungen des Kreises, vorhandene Notunterkünfte in qualitativ verbesserte Gemeinschaftsunterkünfte umbauen zu wollen. Dennoch appellieren wir an Ihren Gestaltungswillen für gute Integrationsprojekte im Rhein-Neckar-Kreis.
Wir bitten Sie eindringlich, unsere Argumente zeitnah intensiv zu beraten, insbesondere im Kontext mit der gesamten Unterbringung und gleichmäßigen Verteilung der Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften im Rhein-Neckar-Kreis.
Resolution: Gemeinderat Walldorf