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Infoabend „Streuobstprojekt Baiertal-Schatthausen“ 

28. Februar 2023 | Das Neueste, Leitartikel, ~ Umgebung

„Wenn die anderen glauben, man ist am Ende, dann muss man erst richtig anfangen!“ 

Bildautor: Christoph Aly, „Heribert Schwarz bei der Kartierung in Baiertal“

Mit einem Zitat von Altbundeskanzler Konrad Adenauer begrüßte Dr. Christoph Aly die zahlreichen interessierten Bürgerinnen und Bürger im Veranstaltungsraum von „Hohenhardter 7“ in Schatthausen. Aly dankte dem Hoha 7-Team und hieß die Ortschaftsrät:innen Barbara Schröder, Lothar Hoffmann und Harry Schilles willkommen. Dass Adenauers Zitat auch heute noch brandaktuell und im Besonderen auf das Thema des Abends, die „Streuobstwiese“, anzuwenden ist, wurde in Hoha 7 mehr als deutlich. Gab es in den 1960er Jahren noch knapp 18 Millionen Streuobstbäume, so sind es heute nur noch 7,1 Millionen (Quelle: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz BW) Im Mittel zeigt sich ein alarmierender Rückgang von sage und schreibe 100.000 Bäumen pro Jahr (!) in Baden-Württemberg! 

Was ist eine Streuobstwiese und warum müssen wir unbedingt für deren Erhaltung kämpfen? Eine Streuobstwiese ist eine Fläche mit Obstbäumen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Sorten. Die Bäume haben genug Platz und Licht zum Wachsen. Meist handelt es sich um „hochstämmige“ Obstbäume ab einer Stammhöhe von 180-200 Zentimetern. Es kommen bei der Bewirtschaftung keine chemisch-synthetischen Gifte und kein künstlicher Dünger zum Einsatz. Das Grünland unter den Bäumen kann auf verschiedene Arten genutzt werden, unter anderem als Weide oder als Wiese. Solche Mähwiesen werden je nach Standort nur ein bis zwei Mal pro Jahr gemäht. Dies lässt auch wachstumsschwachen und mahdempfindlichen Pflanzenarten Raum und Zeit, so dass sich allmählich eine Fülle von unterschiedlichsten Pflanzen einstellt. Sowohl die Insektenvielfalt als auch die weitere Nahrungskette erleben damit sehr positive Auswirkungen. Auf Streuobstwiesen werden bevorzugt alte Obstsorten kultiviert, die robust gegen Krankheiten und Parasiten sind und für uns extrem gesundheitsfördernde Früchte, nahezu ohne Allergene, liefern. Da die Nutzung dieser Wiesen aus verschiedenen Gründen bedauerlicherweise zurückgegangen ist, kommt nun mehr und mehr auch der Naturschutzaspekt zum Tragen, bietet eine intakte Streuobstwiese doch mehr als 5.000 Tier- und Pflanzenarten Nahrung und Heimat.

Wo gibt es in Schatthausen und Baiertal Streuobst? Wie alt sind die Bäume, und werden sie gepflegt? Und wie artenreich ist der Unterwuchs? Diese Fragen beantworteten Dr. Aly und Dr. Heribert Schwarz vom NABU Wiesloch im folgenden Vortrag. Zwei Winter lang hatten die beiden in Schatthausen und Baiertal typische Streuobst-Gewanne angeschaut und die dortigen Zustände kartiert. Natürlich auch mit dem Ziel, etwas für die Erhaltung dieses ökologisch so wertvollen Lebensraums beizutragen. Wie man an dem regen Besuch des Abends erkennen konnte, stehen ihnen dabei die Eigentümer:innen dieser Wiesen durchaus positiv zur Seite. 
Die gute Nachricht zuerst: Aly und Schwarz fanden noch schöne Streuobst-Bestände. In Schatthausen unter anderem in den Gewannen Tiefe Gasse/Gänsäcker, Gänsgartenwiesen, Brunnenteich und Hummelberg, in Baiertal in den Gewannen Rabelsberg und Adelsgrund/Sauberg. Ganz überwiegend sind es Apfelbäume, aber auch beeindruckende Birnbaum-Riesen, und jedes nur denkbare Stein- und Kernobst. Und zwar, dem Alter der Bäume nach zu urteilen, in großer Sortenvielfalt. Auch das ist ein erhaltenswertes Gut, kann doch darunter eine Sorte sein, die besser mit dem Klimawandel zurechtkommt als andere.

Die schlechte Nachricht: Nur in den Gewannen „Gänsgartenwiesen“ und „Hummelberg“ fanden die Kartierer ein ausgeglichenes Verhältnis von alten zu jungen Bäumen. In allen anderen Gewannen überwogen alte, greise Bäume. Im Gewann „Brunnenteich“ waren es 47%, im Gewann „Gänsäcker/Tiefe Gasse“ 70 %, und am Rabelsberg 83% der Bäume. Für die Zukunft bedeutet dies, dass in 20 Jahren nur noch die Hälfte (Brunnenteich), ein Drittel (Gänsäcker/Tiefe Gasse) oder sogar nur noch ein Fünftel (Rabelsberg) der heute vorhandenen Baumzahl vorhanden sein wird – wenn wir nicht durch Nachpflanzungen gegensteuern!

Auch beim Unterwuchs gab es gute wie schlechte Nachrichten: Blütenreich war eigentlich nur das Gebiet im Gewann „Brunnenteich“. In den anderen Gewannen gab es zwar noch Ecken, in denen Hornklee, Spitzwegerich, das Echte Wiesenlabkraut oder andere Wiesenblumen blühten; das Gros der Flächen war dagegen ausgesprochen artenarm. Wie die Biologen feststellten, war die Ursache oft eine unangepasste Beweidung. Wie sie jedoch auch ausführten, sei es durchaus möglich, mit Beweidung artenreiche Weiden oder Wiesen zu erhalten, siehe Brunnenteich. Die Flächen brauchen nur eine 8-wöchige Ruhepause nach einer Beweidung im Mai, und Fläche und Tierzahl müssen so zueinanderpassen, dass das meiste gefressen, und nicht niedergetrampelt wird und wie eine Mulchdecke alle Keimlinge unterdrückt. Ein- und zweijährige Pflanzen sterben dann aus, und mehrjährige haben keine Chance mehr zur Verjüngung. Auch das Mulchen fanden die Biologen sei keine gute Lösung im Sinne der Ökologie. Auch hier wird eine Mulchdecke erzeugt, noch dazu zerstört die Maschine unweigerlich alle eventuell vorhandenen Larven, Raupen, Puppen, Reptilien und Amphibien. 

Wie also kann es besser werden? In der Diskussion wurde gemeinsam nach Lösungen gesucht. Klar wurde, dass das Mähen und Abräumen, das Pflanzen und Pflegen der Bäume sehr arbeitsintensiv ist, und die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die das Obst verwerten, die Interesse an Grünschnitt oder Heu haben, sehr viel größer sein müsste. Vorgeschlagen wurde deshalb eine Verpachtung an Menschen, die zu dieser Arbeit aus Naturverbundenheit bereit sind. Oder die Beauftragung von Menschen, die das passende Gerät noch besitzen – keineswegs selbstverständlich in Zeiten immer größer werdender landwirtschaftlicher Maschinen. Hier lud der NABU zur Kontaktaufnahme ein und versprach Unterstützung bei der Vermittlung und bei der Antragstellung für Fördergelder der Naturschutzverwaltung.
Wer pflanzt, legt den dringend nötigen Stammschutz an, gießt in den ersten Jahren und führt den Erziehungsschnitt in den ersten 5-12 Jahren durch? Die Biologen wünschten sich, dass die Stadt Wiesloch dies im Zuge der Streuobstförderung künftig berücksichtigt, denn ein großer Prozentsatz der wenigen jungen Bäume, die die Biologen kartieren konnten, hatten erhebliche Stammverletzungen oder waren nicht gegossen, nicht gut angewachsen bzw. ungeschnitten. Auch hier wäre der NABU Wiesloch bereit zu helfen, etwa durch Stellen des Stammschutzes, oder durch Unterstützung beim Gießen. Christoph Aly und Heribert Schwarz luden dazu ein, sich bei Interesse telefonisch unter 06222 73585 (Schatthausen) bzw. 06222 7726747 (Baiertal) zu melden – allerdings ohne das Versprechen, dass der NABU jeden Wunsch erfüllen kann. Aber wenn jeder ein wenig mithilft, als Besitzer einen Baum pflanzt oder als Eigentümer einem Interessierten sein Grundstück hierfür zur Verfügung stellt, dann können wir gemeinsam diesen wertvollen Kultur-Lebensraum erhalten. Konrad Adenauer hätte sich gefreut: Die überwältigende Mehrheit der anwesenden Schatthäuser:innen, Baiertaler:innen und „Ehemaligen“ zeigte sich bereit, „richtig anzufangen“ – ein Grund zur Hoffnung an diesem interessanten, vielversprechenden Abend!

Quelle: Harry Schilles

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