Beschäftigte der Straßenmeistereien des Rhein-Neckar-Kreises in Wiesloch, Weinheim und Neckarbischofsheim trainieren stark beanspruchte Muskelgruppen / Projekt wird vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Uni Heidelberg wissenschaftlich begleitet
„Auf geht`s, Endspurt – nur noch fünf Minuten!“ Nicolina Lerchen feuert die Gruppe an, die beim Zirkeltraining ein letztes Mal die Stationen wechselt. Ein Mann nimmt einen Schwungstab in die Hand, ein anderer steigt dafür auf das Posturomed, ein Trainingsgerät für Stabilität und Gleichgewicht.
Auf den ersten Blick eine normale Trainingsstunde in einem Fitnessstudio. Doch Ort und Kleidung verraten, dass dem nicht so ist. Die Sportwissenschaftlerin Nicolina Lerchen führt die Übungen in der Straßenmeisterei Wiesloch durch; vor ihr stehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Straßenbauamtes des Rhein-Neckar-Kreises und tragen teilweise ihre typische orangefarbene Arbeitskleidung.
Das Training in den Straßenmeistereien ist Teil der Gesundheitsvorsorge, die der Landkreis Beschäftigten anbietet, die in körperlich anstrengenden Berufen arbeiten. Das Projekt ist langfristig ausgelegt und findet in mehrwöchigen Etappen an den Standorten der Straßenmeisterei in Wiesloch, Weinheim und Neckarbischofsheim statt.
„Ziel ist dabei, die in diesem Berufsbild besonders beanspruchten Körperregionen zu kräftigen und zu stabilisieren. Zudem soll das Programm vor allem Impulse geben, wie sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst stärken können“, erklärt Diplom-Sportlehrerin Sylke Voigt, die sich im Landratsamt um die Gesundheitsförderung der Beschäftigten kümmert.
Jeder Teilnehmer erhält persönlichen Fitness-Check Der Rhein-Neckar-Kreis hat das Ribe-Institut aus Bad Schönborn mit der Umsetzung des Projekts beauftragt, welches vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg wissenschaftlich begleitet und evaluiert wird. Zunächst überprüfte das Team um Dr. Klaus Weiß in einer Eingangsanalyse und mithilfe eines Fragebogens bei den insgesamt 79 Teilnehmern spezielle Parameter wie die Rumpfkraft, Handkraft, Beweglichkeit, Muskelmasse oder Körperfett.
Zusätzlich wurde eine Herz-Stress-Messung durchgeführt und die Stabilisierungsfähigkeit getestet. „Bei Maßnahmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement bedarf es einer geeigneten Datenanalyse. Nur so sind die Erfolge und Veränderungen, die durch entsprechende Maßnahmen erzielt werden, belegbar“, erläutert der promovierte Sportwissenschaftler Weiß, der vor zehn Jahren das Ribe-Institut (Ribe steht für Richtig bewegen) gegründet hat. Bauch- und Rückenmuskulatur unterschiedlich stark ausgeprägt Nach Auswertung der Eingangstests wussten die Experten, wo sie anzusetzen hatten.
„Bei den meisten Teilnehmern befanden sich die Bauch- und Rückenmuskulatur in einer Dysbalance, waren also nicht gleichmäßig stark ausgeprägt“, schildert Nicolina Lerchen vom Kompetenzzentrum für Betriebliches Gesundheitsmanagement der Uni Heidelberg ein typisches Problem von Mitarbeitern der Straßenmeistereien. Das Ribe-Institut erstellte daraufhin spezielle Trainings, in denen die defizitär ausgeprägten Muskelgruppen gestärkt werden sollten. Zweimal pro Woche stand dann für die Beschäftigten in einer Halle auf dem Gelände der Straßenmeisterei eine Übungsstunde statt der normalen Arbeit an.
Dabei wurde nicht nur mit Schwungstäben, Kugelhanteln oder Thera-Bändern gearbeitet. Auch spezielle Geräte zur Kräftigung der Rücken- und Bauchmuskulatur, wie man sie aus Fitnessstudios kennt, kamen zum Einsatz. „Alle haben toll mitgemacht und waren mit großem Ehrgeiz bei der Sache“, lobt Trainerin Lerchen den Elan der Teilnehmer.
Diese wurden, nachdem die dreimonatige Trainingsphase beendet war, erneut getestet. Die Zwischenergebnisse zeigen eine positive Entwicklung. „Bei 94 Prozent haben sich durch die gezielten Übungen die Rücken- und Bauchkraft verbessert“, erklärt Klaus Weiß vom Ribe-Institut. Wichtig sei für die Mitarbeiter der Straßenmeistereien nun, nicht einfach aufzuhören und auf den nächsten Trainingszyklus zu warten, sondern selbstständig an der Kräftigung der Muskulatur weiterzuarbeiten. Arbeitsunfähigkeitstage der Mitarbeiter können reduziert werden
Das Projekt ist seitens des Rhein-Neckar-Kreises schließlich auf Nachhaltigkeit ausgelegt und soll auch ein Stück weit „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein. Neben der Muskulatur wird die Koordination der Teilnehmer geschult. Dies führt zu einer verbesserten Stabilisationsfähigkeit und hilft die Rückenschmerzrate zu senken.
„Ein weiterer positiver Aspekt sind psychosoziale Effekte: Die durch die gemeinsamen Übungsstunden entstehende Gruppendynamik lässt ein verbessertes Arbeitsklima sowie eine zunehmende Zufriedenheit und empfundene Wertschätzung erwarten“, erklärt Sylke Voigt vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement im Landratsamt.
„Der Rhein-Neckar-Kreis profitiert am Ende von gesünderen und zufriedeneren Mitarbeitern. Wissenschaftlichen Beobachtungen zufolge ist von einer Reduktion der Arbeitsunfähigkeitstage und der damit verbundenen Kosten auszugehen, sodass sich ein „Return on Investment“ zeigt“, ist Institutsleiter Weiß überzeugt.
Quelle Text/Fotos: Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis