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„Gedichte zum Weinen schön“ Marion Tauschwitz las aus „Selma Merbaum – Ich habe keine Zeit gehabt zuende zu schreiben“ in Erinnerung an die Reichspogromnacht
57 handschriftliche Gedichte, zusammengestellt in einem einzigen Band, sind von der jungen Dichterin Selma Merbaum erhalten. „Mit Begeisterung und viel Herzblut recherchierte Marion Tauschwitz das Leben der jungen Jüdin und gab ihr ihre Identität zurück“, begrüßte Lars Castellucci am Sonntagabend die über 70 Zuhörerinnen und Zuhörer der Lesung in Wiesloch.
In Erinnerung an die Opfer der Reichspogromnacht am 9. November 1938 und jüdischen Opfer im Dritten Reich, auch in Wiesloch, hatten der Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci, die Evangelische Kirchengemeinde, der Verein Jüdisches Leben Kraichgau, die Katholische Seelsorgeeinheit, das Kulturforum Südliche Bergstraße, die SPD Rhein-Neckar und die Stolperstein Initiative in die Buchhandlung Dörner eingeladen.
„Lange Zeit blieb das Leben von Selma Merbaum unbekannt, ja gar die Existenz von ihr“, erklärte die Autorin, die als Biographin von Hilde Domin bekannt ist, zu Beginn der Lesung. Mit 18 Jahren starb Selma an Typhus in einem Arbeitslager, in das sie im Sommer 1942 deportiert wurde. Auf abenteuerliche Weise überstanden die Gedichte den Krieg und fielen 1980 zufällig Hilde Domin in die Hände. „Gedichte zum Weinen schön“ befand die Lyrikerin, doch sie suchte erfolglos einen Verleger für Selmas Werke. Ihr unverstellter Blick auf die Natur, ihre musikalischen Verse und ihre freiheitsliebende Lust am Schreiben zeichnen die Gedichte des jungen Mädchens aus.
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Erst Marion Tauschwitz begab sich auf Spurensuche. In Detektivarbeit forschte sie nach dem Leben der jungen Dichterin. Sie fuhr in Selmas Heimatort Czernowitz, wälzte wochenlang Namensregister und Geburtsurkundenverzeichnisse in Archiven und nahm Kontakt zu emigrierten Czernowitzernin Israel und den USA auf. Puzzleteil für Puzzleteil setzte sich das Leben der jungen Jüdin zusammen.
In der anschließenden Diskussion zeigte sich das Publikum beeindruckt und berührt von Selmas Schicksal, aber auch von Tauschwitz‘ Engagement Selmas Leben zu rekonstruieren und ihren Gedichten neue Aufmerksamkeit zu schenken.