Gut besuchter Informationsabend beantwortete viele Fragen – Lob für Ehrenamt
„Wir helfen, wo wir helfen können. Die Situation fordert jedoch die ganze Gesellschaft“, stellte Joachim Bauer, Erster Landesbeamter des Rhein-Neckar-Kreises (RNK), beim Informationsabend in der Astoria-Halle in Walldorf am 30. September fest.
Der Rhein-Neckar-Kreis, der im Auftrag des Landes Baden-Württemberg für die Unterbringung von Flüchtlingen in der Region sorgt, und die Stadt Walldorf hatten zu dem Abend eingeladen, um umfassend über die aktuelle Situation zu berichten. Nachdem der RNK in Walldorf 2013 rund fünfzig Flüchtlinge, Familien oder alleinstehende Mütter mit Kindern, in einer Gemeinschaftsunterkunft (Guk)im Gewerbegebiet untergebracht hatte, kam es erst Ende August dieses Jahres zur Anmietung einer weiteren Unterkunft in Walldorf. „Der Not gehorchend“ habe man eine Gewerbehalle in der Industriestraße angemietet, so Bauer, um über 200 männlichen Flüchtlingen „ein Dach über dem Kopf“ zu geben. Die Zahl könnte sich in Kürze auf 350 asylsuchende Männer erhöhen, so Bauer, was für eine Stadt wie Walldorf noch „eine vertretbare Größe“ sei. In Baden-Württemberg habe man innerhalb eines Monats über 28.000 Flüchtlinge unterbringen müssen, berichtete Bauer. Angesichts der Flüchtlingsströme sei „die Situation kaum an Dramatik zu überbieten“. Niemand wisse, „wohin die Reise gehe“. Zunächst würden die Flüchtlinge zentral in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, um registriert, erkennungsdienstlich erfasst und untersucht zu werden. Die für die Flüchtlinge oft angespannte Lage führe oft zu Frust und es helfe, wenn man den Flüchtlingen freundlich begegne und ihnen gut zurede, so sein Appell. Die Bedeutung ehrenamtlichen Engagements hob Bauer hervor, denn die Sozialarbeiter des Kreises böten zwar Sprechstunden vor Ort an, könnten aber nicht alles leisten. „Hier kann das Ehrenamt sich einbringen, wofür wir sehr dankbar sind“, so Joachim Bauer. „Ohne die Ehrenamtlichen geht es nicht“, stellte auch Bürgermeisterin Christiane Staab fest, die sowohl Joachim Bauer und seinem Team als auch dem AK Asyl für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit dankte.
Karl Winkler, stellvertretender Leiter des Ordnungsamtes des RNK, kündigte an, dass der RNK das „Boarding House“ in der Bahnhofstraße 18 ab 1. Oktober anmiete, um dort in 21 Apartments Familien und Mütter aus der Gemeinschaftsunterkunft in der Albert-Einstein-Straße unterzubringen. In die Albert-Einstein-Straße sollen Männer aus der Gewerbehalle ziehen, wodurch Platz für Neuankömmlinge in der Halle entsteht. Gerade für die Familien mit Kindern sei es wichtig, näher am Stadtgeschehen zu sein, so Winkler. Auch Christiane Staab begrüßte diese Entwicklung. Auf Nachfrage erklärte Joachim Bauer, dass man nirgends in Walldorf ein so geeignetes Gebäude wie das Boarding House gefunden habe.
Stefan Becker, Leiter des Ordnungsamtes des RNK, erklärte, dass man Unterkünfte wie die Gewerbehalle in Walldorf oder die Sporthalle in Wiesloch, die nur ein Minimum an Privatsphäre zuließen, nicht anstrebe. Es sei aber nicht ausgeschlossen, solche Unterkünfte auch in Zukunft aufgrund der Notlage zu nutzen. Becker ging auch auf die Frage ein, inwieweit Asylbewerber eine Arbeit aufnehmen dürfen. So sind Ein-Euro-Jobs immer möglich. Ab dem 4. Monat ist auf Antrag ein eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt möglich und ab dem 16. Aufenthaltsmonat der uneingeschränkte Zugang. Sozialarbeiter Christoph Kölmel ging auf die Möglichkeiten und Grenzen der Sozialarbeit ein. Vor allem die erste Orientierung und die Beratung zum Asylverfahren seien wichtig, so Kölmel. Den Termin für den Asylantrag gebe Karlsruhe vor. Je nach Ausgang des Asylverfahrens kümmerten sich die Sozialarbeiter um den Auszug aus der Guk oder um die Rückkehr des Antragstellers. Die Kooperation mit Behörden und Institutionen, die Beratung bei Gesundheitsproblemen und die Organisation von Deutschkursen gehören ebenfalls zum Aufgabenspektrum. Dass Aktivitäten wie Wohnheimfeste und Ähnliches angesichts der dramatisch angestiegenen Zahl von Asylsuchenden kaum noch möglich seien, bedauerte Kölmel. Ehrenamtliche Patenschaften und Arbeitskreise wie den AK Asyl begrüßte auch Kölmel sehr, um die Flüchtlinge in ihrer neuen Umgebung zu begleiten und zu integrieren. „Aus Fremden werden Freunde“, zitierte er entsprechende Erfahrungen in Sinsheim.
Uwe Schrötel, Leiter des Polizeireviers Wiesloch, stufte die Walldorfer Guk im Gewerbegebiet als „unauffällig“ ein. Joachim Bauer gab zu bedenken, dass die Wohnsituation hohe Toleranz erfordere und man daher rund um die Uhr Sicherheitskräfte eingesetzt habe. Peter Wojcik vom RNK las im Anschluss Fragen vor, die Interessierte vor Beginn der Veranstaltung auf Kärtchen notiert hatten. Wie es mit der Anschlussunterbringung nach Verlassen der Guk aussehe, bewegte viele. Christiane Staab machte klar, dass es dann darum gehe, Obdachlosigkeit zu vermeiden. Man habe die Fühler schon in den privaten Wohnungsmarkt ausgestreckt. Man wisse, dass die bereits geplanten Sozialwohnungen an der Bürgermeister-Willinger-Straße mit etwa dreißig Wohnungen nicht ausreichten, um dem bereits seit längerem bestehenden Bedarf an günstigem Wohnraum nachzukommen. Erster Beigeordneter Otto Steinmann ergänzte, dass man ein Gesamtkonzept für Wohnraum erarbeite. Zwangsvermietungen und Enteignung von Wohnraum erteilte Joachim Bauer eine klare Absage. Ein wichtiger Appell an alle Hilfsbereiten war, keine Gegenstände direkt in der Guk abzugeben. Es sei sehr wichtig, die Hilfeleistungen zu koordinieren. Für oder auch gemeinsam mit den Flüchtlingen Musik zu machen, „um zu zeigen, dass es auch noch eine schöne Welt gibt“, war ein Vorschlag, dem alle mit Applaus beipflichteten.
Das Schicksal und die Zukunft der Flüchtlinge bewegt viele (Foto: Pfeifer, Text: Stadt Walldorf)