(io) Ca. 120 neue Flüchtlinge überwiegend aus Erytrea, Afghanistan, dem Irak und Iran hat Wiesloch vor kurzem in der Sporthalle in der Parkstraße aufgenommen. Von der Bevölkerung wurde dies mit großer Skepsis aufgenommen, da sich die Notunterkunft in unmittelbarer Nähe zu den Schulzentren befindet. Ich gebe zu, auch ich war anfangs skeptisch.
Neugierig wie ich bin habe ich mir jedoch von Anfang an ein Bild vor Ort gemacht in der Hoffnung so Vorurteilen gegenüber den Neuankömmlingen entgegen wirken zu können. Einige der jungen Männer sprechen recht gut englisch, so dass eine Verständigung auch ohne Dolmetscher gut möglich ist. Ich habe versucht die Beweggründe dieser Asylbewerber heraus zu finden. Wieso flieht man aus einem Land und ist bereit 4-5 Monate umher zu wandern, viele verschiedene Länder zu durchqueren, unter Brücken und Bäumen zu schlafen – immer mit der Gefahr im Rücken bei dieser langen Reise umzukommen, zu verhungern oder zu verdursten und letztendlich auch noch viel Geld für die gefährliche Bootsüberfahrt zu investieren ?
Die Erytreer haben mir von ihrem menschenverachtenden System erzählt. Jeder junge Mann dort wird zum Militärdienst einberufen. Nun wird man sich hier denken: Na und, das gab es bei uns doch auch, später Zivildienst als Alternative. Aber in Erytrea bedeutet das, dass man womöglich sein GANZES Leben als Soldat verbringen muss. Viele werden eingezogen und nicht mehr aus diesem Militärdienst entlassen. Meinungsfreiheit? Ein Fremdwort in diesem repressiven afrikanischen Land. In den anderen Ländern aus denen diese Flüchtlinge stammen ist es der Terror der islamischen Extremistengruppen wie der Taliban in Afghanistan oder der IS im Irak. Autobomben, Terror und Angst, Einschüchterungsmaßnahmen in den politisch unstabilen Ländern sind leider an der Tagesordnung.
Mit einem dieser Flüchtlinge aus Afghanistan habe ich länger gesprochen und somit hat seine „anonyme Flüchtlingsgeschichte“ für mich ein Bild erhalten. Das Bild eines jungen Mannes, der einfach nur gern hier in Frieden leben würde, ohne Angst, dass wieder eine Bombe der Taliban neben ihm einschlägt. Ich habe diesen jungen Mann als einen äußerst freundlichen höflichen Mensch kennen gelernt, der so rein gar nichts mit den Vorurteilen zu tun hat, die man leider im Vorfeld oft lesen mußte, als angekündigt wurde, dass Wiesloch weitere Flüchtlinge aufnehmen wird. Er wäre eine Bereicherung für uns und ich drücke ihm alle Daumen, dass seinem Antrag statt gegeben wird. Täglich bangt er mit der Angst abgeschoben zu werden und ich versuche ihm nun als eine Art „Patin“ zur Seite zu stehen. Ich würde mir wünschen, dass mehr Wieslocher den Mut fassen würden einfach mal ins Gespräch mit den Asylbewerbern zu kommen, dann würde auch für sie vielleicht das Bild des „anonymen Flüchtlings“ zu einer Geschichte zusammenwachsen, die sie vielleicht berührt und letztendlich bereichert, da sie ihnen klar macht wie gut und friedlich wir hier doch leben dürfen.
Ein Bericht von Inge Ottmann
Das Bild wurde von ihr erstellt bei einem Ausflug mit einem Asylbewerber. Bei dem Gespräch versuchte sie ihm erste Informationen über die deutsche Sprache zu geben.