Walldorf – ganz schön fair
Wer am Abend der Bundestagswahl ins Walldorfer Rathaus kam, konnte die Wartezeit bis zu den vorläufigen Ergebnissen im Foyer an der „Festtafel: Eine Welt“ überbrücken.
Der auf den ersten Blick einladend bunte ovale Tisch mit Stühlen unterschiedlicher Höhe war Teil der ersten „Fairen Woche“ in Walldorf. Wer hier Platz nahm und genauer hinschaute, konnte Wissenswertes zur Lebenserwartung in Ländern wie Indien oder Sierra Leone im Gegensatz zu Deutschland – mit dem höchsten Stuhl – erfahren und erfühlen. Einer von vielen Impulsen, die in der Zeit der bundesweiten „Fairen Woche“ vom 15. bis 29. September in Walldorf gegeben wurden, um sich mit dem Thema des Fairen Handels auseinanderzusetzen.
Die Steuerungsgruppe der noch jungen Fairtrade-Stadt Walldorf hatte zum Mitmachen aufgerufen und erzeugte ein sehr erfreuliches Echo. Im Gymnasium war während der „Fairen Woche“ eine eindrucksvolle Fotoausstellung der aus Bangladesch stammenden preisgekrönten Fotografin und Journalistin Tasmila Akhter zu sehen. Sie hat die Lebensverhältnisse und die Textilproduktion in ihrem Heimatland fotografisch dokumentiert. Bilder, die sehr nachdenklich stimmen.
Ihre eigenen Ideen zu Produkten des fairen Handels brachten Kinder zu Papier und schmückten damit das Schaufenster der Astoria-Apotheke. Apothekerin Susanne Scior-Busch freute sich mit ihrem Team über die schönen Motive, zu denen auch „Faire Vitamine“ und ein afrikanischer Elefant gehörten. Letzterer war sicher nicht als faires Produkt zu verstehen, sondern brachte eine der vielen schönen Seiten Afrikas zum Ausdruck, dessen Länder vom Verkauf fair gehandelter Produkte profitieren können, so dass es auch den Elefanten gutgeht. Mit fairer Schokolade, energiespendendem Traubenzucker, Luftballons und einem Heft mit Tierbildern wurden die kleinen Künstlerinnen und Künstler belohnt. In der Astoria-Apotheke gab und gibt es Tees, Säfte und sogar eine Handcreme, die dem Walldorfer Motto „fair, regional und bio“ entsprechen. Interessant war auch, dass die „Faire Woche“ hier zur Diskussion über Sinn und Unsinn von Plastiktüten anregte.
Blumen – fair gehandelt oder aus der Region – führten in Christine Zubers Geschäft „Blumen … und mehr“ ebenfalls zu intensiven Gesprächen. Die feine Schokolade, die es hier zum Kauf von fair gehandelten Blumen gab, war jedenfalls sehr begehrt.
Zur Fairtrade-TeaTime lud die Stadt-Apotheke ein. Wer hier die verschiedenen Teesorten ausprobierte, bekam natürlich auch Informationen zum Thema mitgeliefert.
Faires Eis, bislang eher noch kein so gängiges Produkt, gab es im SBK-Markt zu kosten und das „Restaurant Erbprinz“ kredenzte Gerichte aus fairen Produkten. An mehreren Abenden bot Daniela Barron bei ihr zu Hause ein Fairtrade-Dinner an. „Genuss und Geselligkeit“ mit fair gehandelten, regional erzeugten oder Bioprodukten lautete ihr Motto. Während ein Abend ganz im Zeichen Griechenlands stand, ging es beim nächsten Dinner um die asiatische Küche. Man konnte sich in kleiner gut gelaunter Runde zum Beispiel Buchweizenbaguette mit Kretaöl, Tomaten, Oliven und Tsatsiki als Vorspeise munden lassen. Danach gab es Moussaka und Bauernsalat. Den süßen Abschluss machte griechischer Joghurt mit Walnüssen und griechischem Honig. Hauptgang beim asiatischen Abend war ein thailändischer Eintopf mit Zitronengras und Kokosmilch. Gewürzt wurde unter anderem mit Fairtrade-Pfeffer. Fairtrade-Limetten rundeten das Salatdressing ab und die Getränke, inklusive Wein, trugen alle das Fairtrade-Etikett. Daniela Barron, die reihum als „tolle Köchin und wunderbare Gastgeberin“ gelobt wurde, konnte sich auch über prominenten Besuch freuen, war doch die noch amtierende Karnevalsprinzessin Stephanie I. aus dem Hause Ressl zu Gast. Daniela Barron plant, die Fairtrade-Dinnerabende einmal pro Monat weiterzuführen, um den Kreis der Fairtrade-Freunde immer mehr zu erweitern.
„Gibt es ein solidarisches Wirtschaften in einem von Profitstreben dominierten Weltmarkt?“ Dieser Frage ging Heinz Reinke vom Nicaragua Forum Heidelberg und dem Heidelberger Partnerschaftskaffee e. V. in seinem Vortrag am 27. September im Seminarraum der Firma Gröner nach. Am Beispiel von Agrarprodukten wie Kaffee, Zuckerrohr und Palmöl zeigte Heinz Reinke, wie unterschiedlich sich landwirtschaftliche Produktionsformen auf die Lebensgrundlagen der Menschen auswirken. „Ein Handel, der sich an sozialen, demokratischen und ökologischen Grundsätzen orientiert, vermeidet Ausbeutung von Mensch und Natur“, stellte er mit Überzeugung fest. Wie Reinke erläuterte, hat der Heidelberger Verein langfristige Kooperationen mit mehr als zehn Kooperativen aufgebaut. Diese werden zu ökologischen Kriterien beraten und erhalten günstige Kredite für ihre Projekte. Es gibt einen Fonds für Schulstipendien, der es den Kindern der Kaffeeproduzenten ermöglicht, eine weiterführende Schule zu besuchen. Der vielzitierte Kleinbauer hat nach Reinke nur eine Überlebenschance, wenn er sich genossenschaftlich organisiert. „Im Vortrag haben die Kaffeebauern und ihre Familien nicht nur ein Gesicht und einen Namen bekommen, sondern wurden als Persönlichkeiten mit ganz eigenen Vorstellungen von einer lebenswerten Welt präsentiert“, so Walldorfs Wirtschaftsförderin Susanne Nisius. Wer den Heidelberger Partnerschaftskaffee kaufen möchte, von dem rund 22 Tonnen pro Jahr in Heidelberg und der Region verkauft werden, bekommt diesen in Walldorf beim Edeka Aktivmarkt Marx (siehe „Walldorfer Fairführer“).
Das Thema „Fairtrade“ nahmen während der „Fairen Woche“ auch einige weitere Akteure in ihre Veranstaltungen auf. So war es Thema bei einem Gottesdienst der Evangelischen Kirchengemeinde sowie einem Ökumenischen Gottesdienst der Interkulturellen Woche und beim Bazar der Evangelischen Kirchengemeinde. Hier wurden fairer Kaffee und Limonade ausgeschenkt. Beim großen Jubiläums-Bewegungstag von WiWa-Familie gab es ein Quiz zum „Fairhandeln“ und auch der Kommunale Kindergarten widmete sich dem Thema und ging sogar mit den Kindern einkaufen – im Einkaufswagen landeten natürlich nur Bananen, Kekse und Schokolade aus fairem Handel. Die kleine „Schlemmerrunde“ im Kindergarten mundete nochmal so gut in dem Bewusstsein, anderen Kindern damit helfen zu können.
An dieser festlich geschmückten Tafel bei Daniela Barron (stehend) gab es ein feines Fairtrade-Dinner und angeregte Gespräche in kleiner Runde (Foto: Barron)
Heinz Reinke sprach über die Situation der Kleinbauern in Mittelamerika (Foto: Pfeifer)