Seit April 2021 läuft das von der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V. geförderte zweijährige Modellprojekt Demenz im Quartier.
Ziel des Projektes ist es, Maßnahmen und Angebote zu entwickeln, die Menschen mit Demenz und deren Angehörige unterstützen und neue Möglichkeiten der Teilhabe zu schaffen. Die besondere Projektidee in Walldorf, der „Schulterschluss“, liegt darin, den Fokus auf Betroffene, ihre Angehörigen und Nahestehenden zu lenken. Sie geraten im Laufe der Erkrankung zunehmend in eine Überforderungssituation und in die Isolation und benötigen deshalb Hilfs- und Unterstützungsangebote.
Um sich darüber auszutauschen, wie es Walldorf als Kommune künftig noch besser gelingen kann, Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen die Teilhabe am öffentlichen Leben lange zu ermöglichen, waren Walldorferinnen und Walldorfer zur ersten Denkwerkstatt eingeladen.
Die Veranstaltung fand gleichzeitig an vier Standorten statt: Im Ratssaal gab es die Einführung, die über Video an die Waldschule, das Schulzentrum und das Astorstift übertragen wurde. Anschließend hatten die Teilnehmenden und die Mitglieder der Steuerungsgruppe vor Ort die Möglichkeit zum Austausch.
Erster Beigeordneter Otto Steinmann begrüßte stellvertretend für Bürgermeister Matthias Renschler alle Teilnehmenden sehr herzlich und sprach allen Mitwirkenden, Mitgliedern der Steuerungsgruppe sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seinen Dank aus. Er freue sich, dass, verteilt auf die drei Standorte, ungefähr 70 Mitstreiterinnen und Mitstreiter vor Ort seien, um sich mit der Frage zu beschäftigen, wie es künftig gelingen könne, von Demenz Betroffene und deren Angehörige länger am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Er war zuversichtlich, dass die Teilnehmenden vor Ort in der gemeinsamen Diskussion auf ganz viele Lösungsansätze stoßen.
Marco Schirmacher erläuterte im Anschluss stellvertretend für die Leiterin des Projekts, Andrea Münch, die Entstehung der Projektidee. Durch Beratungsgespräche mit Angehörigen, Nahestehenden und Betroffenen habe man verstanden, dass diese sich zunehmend in einer Überforderungssituation befinden und den Anschluss an das Gemeinwesen verlieren. Sie werden förmlich unsichtbar und vorhandene Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten reichen nicht mehr aus. Dem möchte man entgegenwirken und demenzkranken Menschen die Teilhabe am öffentlichen Leben lange ermöglichen. Gleichzeitig soll die Öffentlichkeit auf das Thema Demenz aufmerksam gemacht und dafür sensibilisiert werden. Ziel des Projektes sei es, einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen und Ideen, Anregungen und Bedürfnisse einzuholen.
Saskia Gladis von der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V., die das Projekt Demenz im Quartier in Walldorf und vier weiteren Gemeinden betreut, war von Stuttgart aus zugeschaltet. Sie betonte, dass langfristig ein anderes Bewusstsein für die Krankheit geschaffen werden müsse. Da es keine medizinische Heilung gäbe und die demographischen Strukturen dazu führten, dass die Anzahl demenzkranker Menschen steige, müsse das Umfeld entsprechend gestaltet werden. „Demenz ist ein Schreckgespenst, aber wir dürfen nicht vergessen: es bleiben Ressourcen und Möglichkeiten. Mit der Unterstützung jedes Einzelnen können erkrankte Menschen sozial eingebunden sein, sich nützlich fühlen und selbstbestimmt leben.“
Ein Film, der im Anschluss gezeigt wurde, ließ Angehörige von Demenzkranken zu Wort kommen. Sie berichteten von ihrer Überforderung, von ihrer Hilflosigkeit und vom Verheimlichen der Erkrankung – aus Sorge, auf Unverständnis zu stoßen. Aber sie erzählten auch von Momenten besonders großer Nähe und besonderer Intensität. Der großen Offenheit der Angehörigen war es zu verdanken, dass auch nicht betroffene Teilnehmende mitfühlen und erahnen konnten, welche Herausforderungen das Leben mit einer demenzkranken Person mit sich bringt.
Nach dieser Einführung aus dem Ratssaal begann der Austausch an den einzelnen Standorten. Innerhalb der Gruppen gab es zunächst eine kurze Vorstellungsrunde, während der die Teilnehmenden aufgefordert wurden zu erklären, was für sie „Teilhabe“ bedeute. Im Anschluss widmeten sich die Gruppen folgenden Fragen:
Welche Erfahrungen machen Sie? Wo gehen Menschen verloren?
Wie könnte es uns künftig gemeinsam gelingen, Teilhabe länger zu ermöglichen?
Was möchten und können Sie als Institution/Verein/Organisation/Privatperson dazu beitragen, dass uns dies gelingt?
Es entstand ein lebhafter und vertrauensvoller Austausch. Auffällig war auch hier die ungemeine Offenheit der Betroffenen. Durch die Bereitschaft und das Engagement aller Beteiligten wurde deutlich, an welchen Stellen noch welcher Bedarf in Walldorf besteht. Im nächsten Schritt werden die Ergebnisse zusammengefasst und mit der Steuerungsgruppe besprochen.
Text und Fotos: Stadt Walldorf