Ein ganz besonderer Tag war der 20.10.2020 für die Stadt Wiesloch. Denn es kommt nicht so oft vor, dass eine Kommune eine neue Schule einweihen kann. Dieses Ereignis alleine wäre eine große Feier wert. Eine noch größere Ehre war es, dass die neue Gemeinschaftsschule im Schulzentrum auch einen neuen Namen erhielt und die Namensgeberin Esther Bejarano selbst dabei war.
„Ich bin dabei und das ist die Hauptsache“, so die 95- Jährige. Ihre besten Glückwünsche gingen an die Schulgemeinschaft, mit ihren Lehrern und Schülern, „zu diesem wunderschönen Gebäude“. „Ich bin immer für Euch da“, unterstich sie die Bedeutung, die die Namensgebung auch für sie hat und betonte, dass sie immer darüber Bescheid wissen wolle, wie es bei der Schule weitergehe.
„Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es kaum eine würdigere Namensgeberin der Gemeinschaftsschule geben könnte“, so Oberbürger-meister Dirk Elkemann in seiner Ansprache. Als junges Mädchen hatte sie den Krieg erlebt und das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau überlebt. „Allein die Geschichte, wie Sie ins Mädchenorchester des Lagers kamen, lässt einen ungläubig die Augen reiben“, so Elkemann.
Trotz furchtbarster Erlebnisse habe sich Bejarano eine positive Lebenseinstellung bewahrt, setze sich bis heute gegen Faschismus und seine unterschiedlichsten Facetten ein. „Mit Ihrem Mut und Ihrer Beharrlichkeit sind Sie ein Vorbild, es ist mir eine sehr große Ehre, dass Sie hier anwe-send sind und dadurch die heutige Namensgebung krönen“, betonte Elkemann. Am Ende der Einweihungsfeier konnte Esther Bejarano mit der Gruppe „Microphone Mafia“, mit Sohn Jorem und Kutlu Yurtseven, alle
von überzeugen, dass diese positive Lebensenergie, ausgedrückt durch gemeinsame Musik, mitreißend und einzigartig ist.
Doch bevor Esther Bejarano den krönenden Abschluss der Einweihung bildete, war es Zeit auf die Historie der Entstehung der Gemeinschafts-schule zu blicken, die mit 20 Mio. EUR Investitionsmitteln, das bei weitem größte Bauprojekt der Stadt Wiesloch in vergangener, und wohl auch zu-künftiger Zeit ist:
Bereits 2013 beschloss der GR, die Wieslocher Schullandschaft um die damals in Baden-Württemberg noch neue Schulform der Gemeinschafts-schule zu ergänzen, da die Schülerzahlen an der Gerbersruh-Werkreal-schule wie bei vielen Schulen dieses Typs im Lande stetig sank, drohte dieser Schule langfristig die Schließung. Mit dem neuen Typus der Gemeinschaftsschule wurde in Wiesloch ein neues Angebot geschaffen, welches schnell seine Schülerinnen und Schüler fand. Verschiedene Standorte wurden untersucht, letztlich setzte sich der heutige Standort unter Einbeziehung des gemeinsamen Fachklassentraktes mit der Ber-tha-Benz-Realschule durch. Am anschließenden Planungswettbewerb beteiligten sich 271 Architekturbüros, am Ende gewann das Büro mvm Architekten aus Köln. Im Jahr 2016 ruhte das Projekt aus finanziellen Gründen. Viele Gemeinderätinnen und -räte waren hin- und hergerissen.
Auf der einen Seite stand die schiere finanzielle Not, welche die Stadt seit mehreren Jahren intensiv plagt, auf der anderen Seite eine Schule, die sich sehr erfolgreich auf den nicht immer einfachen Weg einer Schulentwicklung begeben hatte und die am bisherigen Standort aufgrund der räumlichen Anforderungen durch Mittagessen, Nachmittagsbetreuung und konzeptioneller Vorgaben schier aus allen Nähten platzte. Letztlich überwog die Einsicht, dass der begonnene Prozess nicht einfach gestoppt werden konnte. Nach langen und intensiven Debatten entschied der GR daher mehrheitlich, das Projekt fortzusetzen und den Neubau am Schulzentrum anzugehen, wo auch auf weitere Entwicklungen des Schulsystems reagiert werden kann.
Das bauliche Konzept musste verfeinert, Lastenhefte erstellt und Ausschreiungsunterlagen erarbeitet werden, um die Bauzeit möglichst kurz zu halten, entschieden man sich für eine Realisierung in Modulbauweise. Dies hatte auch den Vorteil, dass die Beeinträchtigungen des Betriebs benachbarter Schulen durch Anlieferverkehr und Baulärm auf ein Minimum reduziert werden konnte. Im Rahmen der Ausschreibung setzte sich
die Fa. Kleusberg aus Wissen im Westerwald durch. Nach einem Teilabbruch des alten Fachklassengebäudes im November 2018 und den an-schließenden Erdarbeiten im Dezember konnte der neuen Fachklassentrakt bereits im darauffolgenden September pünktlich zum Beginn des neuen Schuljahres in Betrieb gehen. Durch die Insolvenz eines Unternehmens, das mit dem Abriss des restlichen alten Fachklassentraktes beauftragt hatten, verzögerte sich der Baubeginn des weiteren Bauabschnitts. So ging es erst im November 2019 los. Dann kam Corona mit seinen Widrigkeiten, so dass nur durch den absolut außergewöhnlichen Einsatz aller am Bau Beteiligten gelang, die Schule einschließlich 1.800 qm Schulhof rechtzeitig fertig zu stellen. So konnte der Betrieb der Schule pünktlich zum neuen Schuljahr beginnen.
Das neue Gebäude hat 6. 500 qm Nutzfläche und unterscheidet sich erheblich von einem herkömmlichen Schulgebäude: Es gibt noch Klassenzimmer, aber transparente Durchblicke zu Differenzierungsräumen und in Lernflure. Es gibt dezentrale Lüftungsgeräte in den Lernräumen, einen Anschluss an die Nahwärme des in Nachbarschaft befindlichen Biomasseheizwerkes und eine Lichtsteuerung über Präsenzmelder ohne Lichtschalter. Das neue Gebäude bietet für insgesamt zwei Ganztagesklassen der Jahrgänge 5 bis 10 Ganztagsräumlichkeiten und die Infrastruktur, mit der modernes pädagogisches Arbeiten und ein gutes Schul-leben möglich sind. Die Raum- und Sachausstattung wurde in einem en-gen Prozess zwischen Schulträger, Planern und der Schule selbst in vie-len Gesprächen abgestimmt; nur so konnte schließlich ein stimmiges Konzept vorgelegt werden.
Valentin Hof, von der ausführenden Firma Kleusberg, bezeichnete die Wahl des Namens, als „super“. Dieses Bauprojekt sei stets auf Augen-höhe und auf einer guten Basis ausgeführt worden. Für ihn und alle am Bau Beteiligten sei diese Einweihung nun das Highlight eines erfolgreichen Projektes. Er freue sich, dass die Schulgemeinschaft das Gebäude nun mit Leben erfüllen dürfe. Stephan Meinzer vom Schulamt lobte die „tolle neue Schule“ und das kompetente Team mit einem großartigen Konzept. Bärbel Kröhn, als Schulleiterin der Gemeinschaftsschule, bezeichnete die Schulgemeinschaft als „Glückskinder“. Oft sei der Schulall-tag von Mutlosigkeit geprägt gewesen, doch man habe zahlreiche Herausforderungen bewältigt und viel Gutes erreicht. Mit Esther Bejarano könnten sich die Schülerinnen und Schüler vollauf identifizieren, sie sei ein großes Vorbild und „wir stolz ihren Namen tragen zu dürfen.“ Auch Heiko Ewert vom Elternbeirat lobte die Entscheidung den Weg konsequent weiter gegangen zu sein, seine Familie habe „keinen Tag bereut“.