Stammtisch „Waasch noch…“ bei Auto-Wagner
Vortrag zur Geschichte des Wieslocher Autohauses – Teil 1
Stadtgeschichte lebendig und in den Köpfen seiner Bürger präsent zu halten, so könnte man das Motto des Stammtisch „Waasch noch…“ beschreiben, dass sich Initiator Rainer Kircher und sein Verein auf die Fahnen geschrieben haben.
Stark geprägt haben die Geschichte der Weinstadt auch die vielen großen und kleinen Unternehmen. Viele sind in den vergangenen Jahrzehnten verschwunden, neue hinzugekommen. Doch einige haben den Lauf der Zeit überdauert und haben sich aus kleinen Anfängen zu beachtlichen Unternehmen entwickelt.
In jüngster Zeit war der Stammtisch „Waasch noch…“ unter anderem bei Kissel und Wolf, der Metzgerei Hörner, bei Schuhwolf, der Glaserei Sauer und der Firma Bihl zu Gast. „Und als Rainer Kircher gefragt hat, ob wir auch einen Stammtisch ausrichten wollen, haben wir spontan Ja gesagt“, erläuterte Ulrike Aull, geschäftsführende Gesellschafterin von Auto-Wagner, das Zustandekommen des Treffens unter dem Motto: „Ein Betrieb wächst von Generation zu Generation“. Rund 40 Besucher waren an diesem Abend gekommen, die Rainer Kircher herzlich begrüßte.
Er zeigte sich froh darüber, dass dieser „schöne alte Betrieb“ nun auf die vierte Generation übergegangen sei – wenn man das Fuhrunternehmen des Urgroßvaters mitrechnete. Und viele Mitarbeiter von Auto-Wagner hätten in den vergangenen Jahrzehnten selbst den Schritt ins Unternehmertum gewagt und eigene Autohäuser und Werkstätten gegründet. Doch mehr dazu sollte die Inhaberin selbst sagen:
„Uli, gib Gas und zeig Deinen Betrieb!“
Ulrike Aull, geborene Wagner, stellte zunächst das Leitungsteam des Autohauses vor. Dieses besteht aus ihr als geschäftsführende Gesellschafterin, Karin Baumann, kaufmännische Geschäftsführerin („Sie ist Innenminister, ich bin Außenminister.“) und seit 1990 im Unternehmen und ihrem Bruder Bernd Wagner, der bereits seit 38 Jahren im Hause tätig ist. Ihr Bruder und sie seien jetzt auch Eigentümer des Unternehmens: „Das heißt, die Zukunft ist gesichert.“
Lehr- und Wanderjahre der Tochter
Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaft in Mannheim bekleidete Ulrike Aull zunächst verschiedene Stellen in der Automobilindustrie. Dann wechselte sie in die Unternehmensberatung und arbeitete die vergangenen 25 Jahre in der Branche. „Ich bin aber eine von den Guten“, betonte sie schmunzelnd. Sie habe weniger die Leute rausgeschmissen. Vielmehr habe sie geschaut, wie man die Leute dazu bringen könne, erfolgreicher zu sein.
Im Jahr 2013 seien dann ihre Eltern, Gudrun und Manfred Wagner, auf sie zugekommen und hätten sie gebeten, Verantwortung im familiären Betrieb zu übernehmen. Sie pendelte zuerst zwischen Köln – ihrem bisherigen Lebensmittelpunkt – und Wiesloch hin und her. Doch nach Auseinandersetzungen mit dem damaligen Geschäftsführerkollegen von Karin Baumann haben sie sich überlegt, „ich komme hier runter und ordne das erstmal.“ Doch dann habe ihr das Ordnen soviel Spaß gemacht, dass sie sich entschlossen habe, in Wiesloch zu bleiben. Und seit Anfang 2015 ist sie jetzt geschäftsführende Gesellschafterin von Auto-Wagner.
Manfred Wagner hat sich aus der Geschäftsführung zurück gezogen, hat aber noch seinen Schreibtisch im Büro stehen. „Ehrlich gesagt, er hat es nicht leicht gehabt zu gehen.“ Aber er komme noch jeden Tag und wenn sie mit ihm telefoniere, frage er jedes mal, ob wir auch alles im Griff haben, schmunzelte sie.
Drei Brüder – drei Unternehmer
Gegründet wurde das Unternehmen von Ulrike Aulls Großvater August Wagner (1905 – 1987). Er war der älteste von drei Brüdern und Sohn von Peter Wagner. Sein Vater hatte ein Fuhrgeschäft und handelte mit Kohlen und Pferden. Seine Brüder waren Werner und Walter Wagner. Alle drei Brüder sind übrigens Unternehmer in Wiesloch und in Leimen geworden: Werner Wagner war Mitgründer von Kurpfalz-Beton in Leimen und Walter Wagner baute Beton-Wagner in den Talwiesen auf, eine Firma für Betonfertigteile. August Wagner betrieb ab 1934 zusammen mit Werner Wagner ein Fuhrunternehmen. Zwei Jahre später trennten sich die Brüder und August kaufte sich einen Bus und stieg in die Personenbeförderung ein.
Für den Omnibus brauchte er dann allerdings eine Unterstellmöglichkeit. Just zu dieser Zeit hatte seine Tante Frieda Gaberdiel, der die Gaststätte „Zum Erbprinz“ Ecke Hauptstraße / Bahnhofstraße gehörte, Geldsorgen. August Wagner kaufte ihr den alten Tanzsaal mit der davor liegenden Gartenwirtschaft ab. In diesem standen einige stattliche Kastanienbäume, die dem Vorhaben von August Wagner jedoch im Weg standen. „Und wenn der Opa ein paar Viertel Wein getrunken hatte, hat er immer die Geschichte erzählt, wie er eines Nachts alle Kastanienbäume gefällt hat.“ Dafür habe er dann 4.000 Reichsmark Strafe zahlen müssen, so die Firmenchefin. Aber irgendwie habe er ja den Bus in die Halle fahren müssen, und dafür mussten die Bäume weichen. Der Betrieb lag damals übrigens am Rande der Stadt. Gegenüber befand sich die Post, dann kam der Bahnhof und dort endete dann die Bebauung.
Im zweiten Weltkrieg musste der Großvater samt Bus in den Krieg ziehen. Der Opa kam dann unversehrt wieder zurück – allerdings ohne Bus. Er stand, wie viele andere auch, erstmal vor dem Nichts, denn für den Bus hatte er keine Entschädigung erhalten.
Gründung von Auto-Wagner
Die Firma Auto-Wagner wurde 1949 gegründet und es wurden Autos und Kleintransporter von Gutbrod verkauft. Ihr Vater Manfred Wagner hatte übrigens noch lange einen Gutbrod als Oldtimer, verkaufte diesen aber schließlich, weil die Pflege für ihn zu aufwändig geworden war.
Das junge Unternehmen übernahm schließlich noch eine Hoffmann-Vertretung – die Firma Hoffmann baute Vespa-Motorroller in Lizenz – und eine von Horex. Zu jener Zeit wurde alles, was mit Motoren zu tun hatte, bei der Firma Auto-Wagner verkauft, so Uli Aull.
1951 sei man dann zu Ford gekommen. Da gebe es die interessante Geschichte, dass Opa August sich zuerst um eine Volkswagen-Vertretung beworben hatte. Und dem VW-Vertreter habe er gesagt, „wir sind die erste Tankstalle, wenn sie in den Ort reinfahren“. Nur kam der Vertreter von Westen nach Wiesloch rein und nicht von Süden, wie erwartet. Und aus dieser Richtung traf er zuerst auf die Hofmann’sche Gasolin-Tankstelle an der Ecke Schwetzinger Straße/Bahnhofstraße (da, wo lange Jahre das berüchtigte Postloch klaffte). Und auch Heinrich Hofmann hatte sich zur selben Zeit um eine Volkswagen-Vertretung bemüht. Und als der Vertreter fragte, ob er die Vertretung der Marke in Wiesloch übernehmen wolle, sagte dieser Ja. So sei die Firma Auto-Hofmann nach der Schilderung des Großvaters entstanden.
Und dann blieb eben nur noch Ford als Hersteller übrig. „Dann hat er sich dort beworben und wurde Unterhändler von Auto-Joncker in Heidelberg“. Diese Partnerschaft dauerte viele Jahre an und mit Joncker sei man auch heute noch freundschaftlich verbunden.
Der erste Händler-Vertrag fiel Uli Aull bei Aufräumarbeiten im Archiv in die Hände. Der Vertrag umfasste knappe sechs Seiten, und darin musste man zusichern, dass man pro Jahr mindestens ein Auto verkauft und einen Vorführwagen zur Verfügung stellt. „Heute haben die Verträge über 100 Seiten und schreiben viele Dinge im Autohaus haarklein vor“, stellte sie die heutige Situation dar.
Sohn Manfred steigt ein
Manfred Wagner habe dann 1959 seinen Meisterbrief gemacht „und dann durfte er erst heiraten.“ 1960 haben dann die Eltern geheiratet, 1961 kam Sohn Bernd auf die Welt und 1964 dann Ulrike. 1964, in ihrem Geburtsjahr, wurde Auto-Wagner schließlich Ford-Haupthändler und die Firma entwickelte sich prächtig: „Es standen jetzt viel mehr Autos zur Verfügung, die wir verkaufen konnten“. Ihr Vater war Geschäftsführer der Firma von 1960 bis 2015.
Der Betrieb: Spielwiese für den Nachwuchs
Bernd und Uli sind in der Firma aufgewachsen. „Der Betrieb war unsere Spielwiese. Und wenn der Opa uns erwischt hat, hat es immer lange Ohren gegeben, weil wir dort eigentlich nichts zu suchen gehabt haben.“
Also sind die Kinder immer heimlich über einen Balkon in die Buchhaltung eingestiegen und haben mit dem Buchhalter, Herrn Hess, gespielt. Und wenn der Opa die Treppe hoch kam, haben man das gehört. Dann flüchteten sie auf dem gleichen Weg wieder raus.
Uli Aull erinnert sich noch genau an den autoritären Führungsstil des Opas: „Man hat ihn nicht gesehen, man hat ihn gehört, wenn er in den Betrieb kam.“ Und der erste Lehrling, der ihm morgens über den Weg lief habe eine Watschen gekriegt, nach dem Motto: „Der wird dann schon gewusst haben, für was.“
Beginn in der Güterstraße
Das Wohnhaus von August Wagner stand in der heutigen Lempenseite und das Grundstück zog sich bis vor in die Güterstraße. Außen herum hatte August Wagner Grundstücke aufgekauft, meistens verkaufte er den Bauern Autos und nahm dafür die Grundstücke in Zahlung. Dann kam die Ausweisung als Gewerbegebiet und die Erschließung und die ganzen Äcker wurden zusammen gelegt.
Im großväterlichen Haus war früher eine Bus-Werkstatt mit dabei. Hinten war ein Schwimmbad und ein großer Garten. Schräg gegenüber, in der Güterstraße, habe Opa August dann Ende der 1960er Jahre eine Halle gebaut, in der Autos gelagert wurden. Die Güterstraße ging damals auch nicht weiter, sondern endete kurz nach dem Wagnerschen Gelände, wie Bernd Wagner bemerkte. Weiter führte nur ein Feldweg. Der Bahnhof war zu dieser Zeit auch noch voll in Betrieb. Man konnte mit der Bahn nach Baiertal fahren, ins Angelbachtal und nach Rauenberg.
Die Güterstraße war Ende der 1960er Jahre auch noch nicht befestigt und das Wohnhaus von August Wagner hatte zu der Zeit weder einen Anschluss an die Kanalisation noch an das Trinkwassernetz. Die Großeltern hatten eine Quelle für Frischwasser und eine Sickergrube für das Abwasser. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich eine Obst-Anlage. Das Wagnersche Haus war, neben dem des Baustoffhändlers Philipp, das einzige Haus weit und breit.
Ende Teil 1 – weiter geht´s am Freitag…