In der Gemeinderatssitzung am Mittwoch ist Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr nach fast 17 Jahren auf seinen eigenen Wunsch aus dem Gremium verabschiedet worden.
Wir freuen uns, dazu die Abschiedsrede von Frau Susanne Merkel-Grau (Stadträtin der Bündnis90/Die Grünen Fraktion) veröffentlichen zu dürfen:
Lieber Kai,
Vor fast 17 Jahren bist du erstmals in den Gemeinderat der Stadt Wiesloch gewählt worden. Ich kann mich deshalb noch so genau an deinen ersten Tag in diesem Gremium erinnern, weil es auch mein erster Tag hier war.
Du als junger Student mit langen Haaren, ich, noch als jüngere Frau und Mutter von zwei kleinen Kindern, sind wir hier angekommen, mit dem festen Vorsatz und Wille, etwas zu verändern, etwas zu gestalten und zu bewegen. Es ist kein Zufall gewesen, dass wir in der Fraktion der Grünen aufeinander getroffen sind, denn genau das war und ist der Platz, wo Vielfalt, unterschiedliche Erlebniswelten und Sichtweisen, Menschen aller Altersstufen, aus unterschiedlichsten Berufen, aus unterschiedlichen Kultur-und Lebenskreisen auf fruchtbaren Boden für ihr Engagement stoßen. Du als authentischer Vertreter einer jungen Generation, die oft vergeblich ihre Anliegen, ihre Nöte, aber auch mal ihre Wünsche kommunalpolitisch wahrgenommen fühlte. Du hast schon früh damit begonnen, mit Umsicht aber auch mit Entschiedenheit für die Belange von jungen Menschen einzutreten, erst als Schülersprecher im Wieslocher Gymnasium, dem heutigen OHG, und in dieser Funktion warst du auch Mitglied des Landesschülerbeirates, von 1997 bis 1999 als Jugendgemeinderat. Konsequent hast du deine Ziele dann auch im Gemeinderat verfolgt, hast hier jungen Menschen eine Stimme gegeben. Du hast dich mit ganzer Kraft und voller Überzeugung für viele Themen und Belange engagiert, sei es im sportlichen, im kulturellen oder in allen sozialen Bereichen. Du hast dich eingesetzt für die Weiterentwicklung und Verbesserung des Bildungs- und Betreuungsbereiches und für den Erhalt Wieslochs als attraktiver Schulstandort mit einem breitgefächerten zukunftsweisenden Bildungsangebot – um nur einige der Themen zu nennen, die du maßgeblich beeinflusst und vorangetrieben hast. Vor allem aber liegen dir die Menschen am Herzen, sie und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, ihre Probleme zu erkennen und Lösungen zu finden, das ist eine, deiner vielen Fähigkeiten. Dafür ist dir kein Weg zu unbequem, keine Zeit zu schade, kein Hindernis, was nicht überwindbar wäre. Du suchst den Konsens, wenn es sein muss, auch beim politischen Gegner, es geht dir um die Sache und ein Kompromiss ist dir lieber als nichts erreicht zu haben. Damit hattest es du auch nicht immer leicht in unserer Fraktion, aber es half uns allen, mit Sorgfalt und nach vielen Überlegungen, auch Diskussionen zu einer gemeinsamen guten Lösung zu finden. Das hat sicherlich auch den Erfolg der grünen Fraktion ausgemacht, an dem du maßgeblich beteiligt warst. Sind wir 1999 noch mit knapp 18,6% der Stimmen in den Gemeinderat eingezogen, waren es bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2014 schon 25,5% und das hat gereicht, um stärkste Fraktion zu werden. Es fällt uns schwer, dich nicht mehr in unserer Mitte hier zu haben, zumal wir als Fraktion nicht nur das politische Geschäft erledigten, sondern uns alle freundschaftlich sehr verbunden sind und unsere Fraktionssitzungen mehr waren und sind als Themenaufarbeitung und Sitzungsvorbereitung.
An dieser Stelle möchte ich dich Ayfer herzlich wieder in unserer Fraktion begrüßen und dich willkommen heißen.
Du hast ein anstrengendes Jahr hinter dir, lieber Kai. Ein Jahr, in dem du alles, fast alles gegeben hast, um ein weiteres deiner Ziele zu erreichen. Du hättest gerne als Oberbürgermeister deine Vorstellungen und Pläne für deine Stadt Wiesloch und seine Bürgerinnen und Bürger verwirklicht. Du hast einen engagierten und fairen Wahlkampf geführt, hast fast jede freie Minute damit verbracht, die Menschen von deiner Person und von deinen Ideen zu überzeugen. Du bist auf alle zugegangen, hast allen dein Gehör geschenkt, hast offen und ehrlich gesagt, was machbar und was zwar wünschenswert, aber unrealistisch erscheint. Du hast zu allen wichtigen Themen in dieser Stadt eine ehrliche Stellung bezogen, aber dann doch erfahren müssen, dass all dies nicht wirklich relevant war, um hier Oberbürgermeister zu werden. Du hast harte Lektionen lernen müssen, erfahren, dass viele, die oberflächlich wohlwollend erschienen, dich gar freundschaftlich behandelt haben, keinerlei Skrupel hatten, dir dann doch einen Dolch zwischen die Rippen zu stoßen. Bewundert habe ich dich für die Art und Weise, wie du mit diesen Enttäuschungen umgehen konntest und dich neuen wichtigen Aufgaben zugewendet hast. Bemerkt haben wir, deine Fraktion, allerdings, dass dies die ersten Wunden gerissen hat, und in dir Zweifel aufkommen ließ, in diesem Gremium hier, überhaupt weiterarbeiten zu können. Die Enttäuschung darüber, dein Ziel nicht erreicht zu haben, war dabei geringer und weniger schlimm als die Erkenntnis, auch Opfer von intrigantem und unfairem Verhalten geworden zu sein.
Die Arbeit als Abgeordneter im baden-württembergischen Landtag hat dir sehr viel bedeutet und du hast dich nach Kräften dafür eingesetzt, deine Arbeit dort fortsetzen zu können. Nach der Wahl vor wenigen Wochen stand fest, die Grünen in Baden-Württemberg sind mit 30,1% der Stimmen die Wahlsieger und haben ein Wahlergebnis der Superlative erreicht und ein politisches Erdbeben ausgelöst. Entsetzt waren wir alle, dass du den Sprung ins Parlament nicht mehr geschafft hast und dort die erfolgreiche Arbeit der Grünen, zumindest als Abgeordneter, nicht weiter mitgestalten können wirst. Dafür ist eben nicht ein persönlicher Misserfolg zu verzeichnen, ganz im Gegenteil. In Wiesloch hast du es geschafft, mit 34,1% der Stimmen ein sehr gutes Wahlergebnis zu erzielen, damit liegst du deutlich höher als das Gesamtwahlergebnis der Grünen in Baden-Württemberg. Du hast mit allen Kräften für eine Fortsetzung grüner Politik im Land gekämpft. An diesem Wahlerfolg hast du großen Anteil. Umso bitterer ist es, dass du, auch aufgrund des baden-württembergischen Wahlverfahrens, nicht mehr als Abgeordneter diesen Wahlkreis in Stuttgart vertreten kannst. Das bedauern wir von Herzen.
Wir sind uns sicher, dass du mit deinem Wissen, deinen Erfahrungen, deinen Fähigkeiten und nicht zuletzt mit dem unglaublichen Rückhalt, den dir deine Familie, allen voran deine Frau Nadja gibt, eine neue berufliche Aufgabe und Herausforderung finden wirst und annehmen kannst. Dass du dir dafür Zeit nehmen möchtest und deshalb auch diesem Gremium erst einmal Adieu sagen möchtest, verstehen wir gut. Wir wissen, dass du uns nicht verloren gehst, nicht als Freund, nicht als politischer Wegbegleiter. Wir brauchen weiterhin dein Engagement, deinen unerschütterlichen Glauben, dass Veränderung und Bewegung auch immer die Chance für Verbesserung bietet. Das ist wertvoll und bedeutet ein Glück, für jede und jeden, der mit dir zusammenarbeiten kann und darf.
Konfuzius hat gesagt: „Wohin du auch gehst, geh mit deinem ganzen Herzen“
Wir sind uns sicher, dass du genau das tun wirst. Wir danken dir, lieber Kai und wünschen dir und deiner Familie das Allerbeste.
Susanne Merkel-Grau
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen