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Das Konzept der Walldorfer Musiktage geht auf

5. September 2022 | > Walldorf, Allgemeines, Das Neueste, Kultur & Musik, Photo Gallery

Die 13. Walldorfer Musiktage finden von 21. September bis 9. Oktober statt. Der Auftakt geht im Rathaus-Atrium über die Bühne, danach finden die weiteren Konzerte und ein Vortrag in der Astoria-Halle statt.
Das Team der städtischen Öffentlichkeitsarbeit hat sich vorab mit Initiator und Organisator Timo Jouko Herrmann zum Interview getroffen. Im Gespräch geht es um das diesjährige Motto „Metamorphosen“, die Besonderheiten des Programms und einiges mehr.
Eine kürzere Fassung des Interviews gibt es als Online-Video auf den Facebook- und Instagram-Kanälen der Stadt.

 

 

Timo Jouko Herrmann, die Walldorfer Musiktage drehen sich in diesem Jahr um „Metamorphosen“. Was haben wir uns unter diesem Motto vorzustellen?

Timo Jouko Herrmann: Allgemein versteht man unter der Metamorphose ja den Wandel der Gestalt oder der Form. In der Musik findet so etwas in fast jedem anspruchsvolleren Stück statt, wenn sich etwa Motive aus einzelnen Tonzellen entwickeln.  Aber natürlich gibt es auch die „Metamorphosen“ des römischen Dichters Ovid; die dort gesammelten Mythen haben die verschiedensten Künste seit Jahrhunderten beeinflusst. Die Entstehung der Oper etwa ist ganz direkt mit diesem antiken Epos verbunden. Alles in allem ist es also ein ziemlich musikalisches Thema, das ein vielseitiges Programm zulässt.

Gleich zum Auftakt gibt es am 21. September die Verbindung aus Musik und Kunst, am 29. dann mit einem Vortrag die Verknüpfung zur Literatur.

Timo Jouko Herrmann: Spartenübergreifende Formate waren von Anfang an ein Markenzeichen der Musiktage. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie sich die verschiedenen Kunstformen gegenseitig beeinflusst haben und auch heute noch beeinflussen. Solche Veranstaltungen haben immer etwas Horizonterweiterndes, und ich glaube, es ist heutzutage wichtiger denn je, über den Tellerrand zu blicken und aus der eigenen Komfortzone herauszukommen. Zum Auftakt werden im Rathaus Werke unseres Kunstbeauftragten Hartmuth Schweizer zu sehen sein, mit dem ich im Gespräch den Aspekt der Metamorphose in seinem Schaffen ausloten werde. Musikalisch gegliedert wird der Abend durch die sechs Metamorphosen für Oboe solo von Benjamin Britten, die der Virtuose Sebastian Raffelsberger spielen wird.

Schon die Ankündigung der Kantate des Mozart-Zeitgenossen Peter von Winter, die am 25. September zu hören sein wird, klingt höchst unterhaltsam. Wie kann ein solches Werk in Vergessenheit geraten?

Timo Jouko Herrmann: Das frage ich mich auch immer wieder … Manchmal ist vielleicht einfach der sich verändernde Geschmack Schuld. Bei diesem Werk kann es jedenfalls nicht an der Qualität gelegen haben. Winters Karriere war wirklich außergewöhnlich: Er wurde in Mannheim geboren und war bereits in jungen Jahren Mitglied der legendären Hofkapelle Carl Theodors. Durch den Umzug des Hofes nach München fand er dort seine zweite Heimat, war jedoch mit seinen Opern auch in Wien, London, Paris und Mailand höchst erfolgreich. Er hatte sogar die Ehre, die „offizielle“ Zauberflöten-Fortsetzung schreiben zu dürfen, in direkter Zusammenarbeit mit Mozarts originalem Librettisten Schikaneder! An der Schwelle zum 19. Jahrhundert war er einer der meistgespielten deutschen Komponisten.

Und für den 6. Oktober wird „eine musikalische Achterbahnfahrt der Gefühle“ versprochen. Was erwartet die Zuhörer denn an diesem Abend?

Timo Jouko Herrmann: Nachdem wir schon eine ganze Weile keine Barockmusik mehr im Programm hatten, stehen bei diesem Konzert nun die beiden Großmeister Bach und Händel im Zentrum des Geschehens. Es wird sich alles um die Wandlungen der Liebe drehen. Gerade im Barock war die effektvolle musikalische Schilderung verschiedener Emotionen besonders beliebt. Zentrales Werk wird Bachs einzige italienische Continuo-Kantate „Amore traditore“ sein, in deren Mittelpunkt die enttäuschte Liebe steht. Die Ausführenden Matthias Lucht, Isolde Winter und Jürgen Banholzer sind allesamt Koryphäen der historischen Aufführungspraxis, und so dürfen wir uns auf eine mitreißende Interpretation freuen.

Zum Finale stehen am 9. Oktober dann „Klangmetamorphosen“ auf dem Programm. Wie haben wir uns die Unterschiede zwischen historischem Hammerflügel und modernem Konzertflügel vorzustellen?

Timo Jouko Herrmann: Das Klavier, wie wir es kennen, ist ja ein entwicklungsgeschichtlich noch recht junges Instrument. Der Hammerflügel aus der Zeit der Klassik hat einen viel filigraneren, intimeren Klang als der moderne große Konzertflügel, mit dem man ja ein fast schon orchestrales Klangbild erzeugen kann. Im direkten Vergleich offenbaren sich die ganz unterschiedlichen Vorzüge der beiden Instrumente und es zeigt sich, welch große Veränderung des Klangideals während des 19. Jahrhunderts stattgefunden hat. Die Pianistin Katharina O. Brand, die übrigens in Wiesloch lebt, beherrscht beide Instrumente meisterhaft und versteht es hervorragend, dem Publikum diese Klangmetamorphose näherzubringen.

Warum finden außer dem Eröffnungsabend im Rathaus alle Veranstaltungen in der Astoria-Halle statt?

Timo Jouko Herrmann: Ein Grundkonzept der Musiktage war und ist, dass wir die Musik immer wieder aus unseren tradierten Veranstaltungsorten wie der Laurentiuskapelle herausholen und andere Konzertorte ausprobieren. Wir haben uns aber entschieden, in diesem Jahr angesichts der noch unklaren Corona-Lage im Herbst vorsichtig zu agieren und die Astoria-Halle als Hauptspielort zu nutzen. Dort haben wir ein gutes Lüftungssystem und vor allem genug Raum, um auch spontan auf etwaige Einschränkungen reagieren zu können.

Nach der Corona-bedingten Absage 2020 gab es letztes Jahr die Musiktage mit viel Mehraufwand und einigen notwendigen Einschränkungen wie Maskenpflicht oder Kontaktnachverfolgung. Hat das Zuhörer gekostet? Oder waren die Leute einfach froh, dass wieder Konzerte möglich waren?

Timo Jouko Herrmann: Ich war erst einmal total glücklich, dass wir überhaupt wieder Konzerte durchgeführt haben. Viele andere Veranstalter waren zum damaligen Zeitpunkt noch deutlich zurückhaltender. Damit sich das Publikum bei uns sicher fühlt, wurde in der Tat ein großer Aufwand betrieben, aber es hat sich gelohnt: Die Zuhörerinnen und Zuhörer kamen nach und nach zurück und auch das Feedback war durchweg positiv. Sehr dankbar waren uns auch die Ensembles, die in der bitteren Zeit des Lockdowns ja sämtlicher Auftrittsmöglichkeiten beraubt waren.

Dieses Jahr sind es schon die 13. Musiktage. Ist die 13 in diesem Fall eine Glückszahl, weil die Corona-Lage es wieder entspannter zugehen lässt?

Timo Jouko Herrmann: Ich bin ja zum Glück nicht abergläubisch … Natürlich hoffe ich, dass wir in diesem Jahr wieder volle Säle vorfinden werden. Man darf nicht unterschätzen, dass sich bei uns allen in den letzten beiden Jahren eine gewisse Bequemlichkeit eingeschlichen hat. Ich werde aber nicht müde zu betonen, wie wichtig es ist, dass möglichst viele Menschen wieder regelmäßig kulturelle Veranstaltungen besuchen. Wir haben in Deutschland ein Kulturleben, um das uns die ganze Welt beneidet; nicht von ungefähr kommen Studentinnen und Studenten aus aller Herren Länder, um sich hier ausbilden zu lassen. Dieses Kulturleben kann aber auf lange Frist gesehen nur vom und mit dem Publikum und nicht ausschließlich von Hilfspaketen und Sonderzahlungen leben.

Ein Wort zu den Akteuren: Nach welchen Kriterien wählen Sie die mitwirkenden Musiker und Sänger aus?

Timo Jouko Herrmann: Das hängt immer ein bisschen vom Programm ab, da das Festival ja stets ein bestimmtes Thema oder ein Motto hat. Das ganze Jahr über bekomme ich Bewerbungen von Künstlerinnen und Künstlern, und da sind immer spannende Konzertformate wie etwa das Barockprogramm „Von den Wandlungen der Liebe“ dabei. Bei einem Projekt wie der Wiederaufführung des „Pigmalione“ wird das Ensemble aber eigens zusammengestellt, da müssen die Stimmprofile hundertprozentig zum Stück passen. Bei der Auswahl kommt mir zu Gute, dass ich als freiberuflicher Musiker das ganze Jahr über viel in der Welt herumkomme und dementsprechend viele Kolleginnen und Kollegen und deren musikalische Fähigkeiten kennenlerne.

Die Konzerte der Walldorfer Musiktage bewegen sich immer wieder auf einem erstaunlich hohen Niveau. Wie ist der Ruf der Veranstaltungsreihe in der Fachwelt und außerhalb der Astorstadt?

Timo Jouko Herrmann: Mittlerweile erregen wir mit den Walldorfer Konzerten immer größere Aufmerksamkeit, was vor allem an der Konzeption liegt. Um wahrgenommen zu werden, müssen wir hier in Walldorf Dinge anbieten, die man sonst kaum woanders erleben kann, also Spartenübergreifendes, Erstaufführungen, Uraufführungen, Konzerte mit ungewöhnlichen Instrumenten etc. Der beste Indikator für eine positive Wahrnehmung unserer Veranstaltungen ist, wenn andere Festivals oder Ensembles unsere Konzepte aufgreifen oder wenn besondere Werke, die wir hier erstmals präsentiert haben, andernorts nachgespielt werden. Dass unser Konzept aufgeht, zeigt sich auch darin, dass zunehmend Publikum aus dem weiteren Umland oder sogar aus dem Ausland anreist.

Was war Ihr persönliches Highlight aus 13 Jahren Walldorfer Musiktage?

Timo Jouko Herrmann: Oh weh, da gibt’s so viele! Ein Höhepunkt war sicher die Aufführung von Mendelssohns kompletter Schauspielmusik zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“, zu der Schülerinnen und Schüler der siebten Klassen des Gymnasiums unter Anleitung einer professionellen Choreografin Tänze einstudiert hatten. Da zeigte sich, dass man Jugendliche auch heute noch für klassische Musik begeistern kann.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – gibt es schon Überlegungen für die Musiktage 2023?

Timo Jouko Herrmann: Ich liebäugle derzeit damit, musikalische Wunderkinder ins Zentrum zu stellen, wie etwa die Geschwister Fanny und Felix Mendelssohn. Mozart und Schubert liegen bei diesem Thema natürlich auch auf der Hand, vielleicht gibt es aber auch eine klingende Begegnung mit der 1769 in Bruchsal geborenen Glasharmonika-Virtuosin Marianne Kirchgeßner, die bereits in jungen Jahren ganz Europa bereiste und mit ihrer mystischen Aura das Publikum in den Bann schlug …

Timo Jouko Herrmann, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit den diesjährigen Musiktagen.

 

Text/Foto/Interview: Stadt Walldorf

 

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