Was der Wald alles leisten soll
„Sind wir auf dem richtigen Weg?“ fragte Bürgermeisterin Staab und meinte damit die Zukunft des Waldes, als sie den Bürgerworkshop zu diesem „Herzensthema“ am 4. Mai in der Astoria-Halle eröffnete.
Christiane Staab freute sich, Forstexpertinnen und –experten, Mitglieder des Gemeinderats sowie Interessierte verschiedenster Nutzergruppen begrüßen zu können, um darüber zu diskutieren, wie man „den Wald für die Kinder und Kindeskinder“ erhalten könne. Sie machte deutlich, dass neue Wege der Waldbewirtschaftung begangen werden müssten, um dieses Ziel zu erreichen und einen an den Klimawandel angepassten, stabilen Wald zu schaffen. Dies bedeute auch, so Staab, politische Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit dem Gemeinderat die Weichen dafür zu stellen. Mit Professor Dr. Ulrich Schraml von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg und seinem Team waren Partner zum Workshop gekommen, mit denen die Stadt Walldorf künftig verstärkt zusammenarbeiten möchte, um angesichts des Kiefernsterbens neue Baumarten zu testen.
Schwierige Rahmenbedingungen
Dass der Zeitpunkt des Bürgerworkshops gut gewählt war, machte Sebastian Eick, Direktor des Forstbezirks Rheintal, deutlich. Wie er erklärte, steht die Forsteinrichtung für die nächsten zehn Jahre von 2019 bis 2028 an. Aus dieser Zehn-Jahres-Planung für den Wald werden die jährlichen Pläne abgeleitet mit langfristiger Zielsetzung. Mit langen Dürreperioden und wenig Niederschlag stelle der Wald in der Rheinebene besondere Herausforderungen an den Forst, so Eick. Den „hohen Besatz“ an Waldmaikäfern mit einhergehender hoher Engerlingdichte, die junge Pflanzen fressen, und eingewanderte Pflanzen wie die Kermesbeere, die einheimischen Pflanzen den Lebensraum nimmt, nannte er unter anderem als weitere schwierige Rahmenbedingungen. Von 1961 bis 2013 sei, so Eick, die Temperatur im Jahresmittel um 1,5 Grad Celsius angestiegen, 2014 sei das bisher heißeste Jahr gewesen, 2015 sei mit fast 40 Grad Celsius die bisher höchste Temperatur gemessen worden. Durch die dürren und absterbenden Kiefern ergäben sich, so Eick, immer mehr zufällige und weniger geplante Holzeinschläge. Das Brennholzangebot sinke, da es von besonderer Bedeutung sei, gesunde Laubhölzer zu fördern.
Walldorf habe mit dem Hochholz, dem Reilinger Eck und dem Dannhecker Wald drei sehr unterschiedliche Distrikte, erklärte Sebastian Eick. Das Hochholz charakterisierte er als „sehr wertvolles Kleinod in Insellage“ mit Laub-Mischwald und totholzreichen Beständen sowie Eichenbiotopen. Arbeiten der Forstwirte, zum Beispiel für die Buchen-Naturverjüngung, stießen hier bei den Waldbesuchern auf besonders große Kritik, bedauerte er. Das Reilinger Eck mit seiner Dünenlandschaft und dem Waldlehrpfad zur historischen Waldnutzung beherberge das floristisch hochwertigste Gebiet der Schwetzinger Hardt. Das Leitbild sei hier der lichte Kiefernwald auf Dünen. Die Waldweide lobte Eick als vorbildlich. Man könne sich hier auch eine Fortführung mit mobilen Zäunen vorstellen. Den intensiv genutzten Dannhecker Wald kennzeichne seine Lage am Sportzentrum und an der Wohnbebauung.
Als besonderes Projekt nannte Eick die Maßnahmen auf dem Maulbeerbuckel, der sich wieder zu einem lichten Sandrasenbiotop entwickeln soll. Als Walldorfer Besonderheit erwähnte der Forstdirektor die vorbildliche Waldpädagogik. Diese sei eine „Erfolgsgeschichte“, meinte er. Seit der Eröffnung des Waldklassenzimmers im Hochholz im Jahr 2002 seien 37.000 Besucherinnen und Besucher im Waldklassenzimmer gewesen, ergänzte Revierförster Gunter Glasbrenner, für den nicht nur der Wald, sondern auch die Waldpädagogik eine „Herzenssache“ ist. Wie Waldpädagogin Sabrina Ehnert erklärte, seien nicht nur Kinder willkommen, sondern auch interessierte Erwachsene könnten sich bei ihr anmelden. Angesichts der „anspruchsvollen Ziele“ der Stadt Walldorf als Eigentümerin von Schonwald, Naturschutzwald, Landschaftsschutzgebiet, FFH-Vogelschutzgebiet und rund 25 Biotopen, sei im Forst kein Haushaltsüberschuss zu erzielen, stellte Forstdirektor Eick fest.
Ausgleich suchen
„Nutzen, Schutz, Erholung – wir müssen den Ausgleich suchen“, meinte Ulrich Schraml von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA), der mit seinem Team im letzten Jahr die Umfrage „Wie sehen Sie die Schwetzinger Hardt?“ durchführte. In dem für Baden-Württemberg neuen Projekt sei Walldorf eines der „Versuchskaninchen“, meinte er schmunzelnd. Die Umfrage soll dabei helfen, die Chancen und Herausforderungen des „urbanen Ökodienstleistungssystems Wald“, wie es die Forstwissenschaftler formulieren, herauszufiltern.
Dr. Tina Gerstenberg und Christoph Baumeister, die die Umfrage betreuten, berichteten von einer „tollen Rücklaufquote“. In den Hardtwaldgemeinden wurden jeweils dreihundert zufällig ausgewählte Haushalte angeschrieben, Interessierte konnten den Fragenkatalog mit geschlossenen und offenen Fragen aber auch online beantworten. Etwa 770 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten die Forstexperten verzeichnen. Mit der Umfrage wollten sie den Bedürfnissen und Anliegen der Waldnutzerinnen und –nutzer auf den Grund gehen. Es wurden Fragen gestellt, wie man in den Wald kommt, wo sich besonders wertvolle Orte befinden, wie gut man seinen Wald kennt oder auch wodurch das Wohlbefinden besonders eingeschränkt wird. An positiv besetzten Orten wurden 2.275 angegeben, an negativ empfundenen rund 500. Als am störendsten empfanden die meisten andere Waldbesucher, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürger-Workshops überraschte. Der vom Hockenheimring ausgehende Lärm wurde ebenfalls als Störfaktor bewertet sowie die eingewanderten Pflanzen. Forstliche Arbeiten standen als Störfaktor im Wald erst an vierter Stelle. Für letztere warb Revierförster Gunter Glasbrenner um Verständnis. Die Umfrageergebnisse sind noch nicht vollends ausgewertet. Sobald das Ergebnis vorliegt, erhalten es die Forstämter, so dass der eine oder andere Aspekt möglicherweise noch in die Forsteinrichtung einfließen kann. Die Ergebnisse werden auch online einsehbar sein.
In drei Workshops wurden anschließend noch die verschiedenen Funktionen des Waldes als Erholungsraum, als Umweltschutz- und Natureinrichtung und als Terrain der Waldwirtschaft und der Jagd diskutiert. Wünsche für mehr Wegweiser zu den Schutzhütten wurden geäußert. Noch ausführlichere Informationen zu forstlichen Maßnahmen, wie zum Beispiel dem Einsatz von Wuchshüllen, wurden angeregt und Waldpädagogik für alle Generationen. Mehr gegenseitige Toleranz wünschten sich die Workshop-Teilnehmerinnen und –Teilnehmer. „Jeder soll die Wege nutzen, die auch für ihn gedacht sind“, war zu hören. Wege sollten wegen Forstarbeiten nur solange gesperrt werden, wie unbedingt nötig, lautete ein Wunsch. Revierförster Glasbrenner plädierte aber auch gemeinsam mit seinen Forstwirten dafür, Absperrungen unbedingt zu respektieren. Auch nicht angeleinte Hunde im Waldschutzgebiet waren ein Thema. Eine Erweiterung der Waldweide konnten sich die Jäger nicht gut vorstellen. Ein „Waldputztag“ wurde angeregt und auch über einen „Naturschutzbotschafter“ machte man sich Gedanken.
„Wir sind mit unseren Zielen nicht auf dem Holzweg“, stellte Bürgermeisterin Christiane Staab erfreut fest. Wie auch Ulrich Schraml sah sie das Zusammenbringen verschiedener Akteure an einem runden Tisch als gute Möglichkeit des Dialogs zum Wohl des Waldes und zum Nutzen aller.
Für „nachhaltige Waldnutzung“ machen sich stark (v..l.n.r.): Kämmerer Boris Maier, Bürgermeisterin Christiane Staab, Erster Beigeordneter Otto Steinmann, Prof. Dr. Ulrich Schraml, Forstdirektor Sebastian Eick, Dr. Tina Gerstenberg (FVA), Revierförster Gunter Glasbrenner, Theresa Palm und Christoph Baumeister (FVA)
Hier wurde über den Wald als Erholungsraum diskutiert.
Text: Stadt Walldorf
Fotos: Pfeifer