Mit den Klischees ist das so eine Sache. „Regnet das?“, unterbricht Frank Goosen seine Lesung, als plötzlich gut vernehmbar die Tropfen aufs Zeltdach prasseln. „Ich dachte, das ist Süddeutschland“, mokiert sich der Bochumer Autor und Kabarettist. Regen, so seine Meinung, sei in diesen Gefilden „illegal“. Tja: „Als ob“ würden seine jungen Helden aus dem Roman „Spiel ab!“ vermutlich sagen, mit dem Goosen beim Zeltspektakel auf dem Gelände hinter dem Tierpark zu Gast ist. Und seine Zuhörer erinnern sich an eine launige Bemerkung über sein heimatliches Ruhrgebiet: Auch dort gebe es so etwas wie Natur, auch dort stünden Bäume, davon seien Auswärtige oft verblüfft. „Wir haben auch fließendes Wasser“, sagt er dann schnippisch. Und Süddeutschland hat nun mal auch Regen, lieber Herr Goosen …
Spontane Einlassungen wie diese sind es, die den Abend noch ein bisschen unterhaltsamer machen, als er es schon streng nach Programm wäre. Gelesene Passagen aus dem Roman mit sehr geschickt ausgewählten Stellen – vor allem die Dialoge der jungen Fußballer sind Garanten für lautes Gelächter im Publikum – wechseln sich mit allerlei Anekdoten ab, die Goosen in vier Jahren als Trainer einer Jugendfußballmannschaft zu seinen Figuren und einzelnen Szenen inspiriert haben.
Oder die auch mal gar nichts mit dem Buch zu tun haben und trotzdem lustig sind. Genial, wie Goosen ein im Zelt umherflatterndes Insekt, das ihn kurz berührt, in sein Programm einbaut. Sein echtes Erschrecken erklärt er mit einem „Ich bin total insektophob“, und dass ihm das „total peinlich“ ist („die Panik war mir ins Gesicht geschrieben“), lässt ihn sehr spontan wirkend über Mückenspray improvisieren – dafür gibt es einmal mehr Szenenapplaus.
Frank Goosen hat ein schönes Gespür für Sprache, weiß mit ihr umzugehen, in geschriebener wie in gesprochener Form. Das beweist nicht zuletzt der laute Applaus am Ende des Programms, der auf deutlich mehr Besucher im Zirkuszelt schließen lässt – der überschaubare Zuspruch ist der einzige Wermutstropfen des Abends. „Es hat schon zauberhaft angefangen“, meint Goosen, nachdem ihm Fans ein zumindest zweifelhaft erscheinendes Getränk aus seinen Büchern in die Garderobe gestellt haben. Die Kostprobe „Wodka Wick-blau“ muss aber bis zur Pause warten. Und er freut sich über einen Zuhörer im Trikot des VfL Bochum: „Da fährt man 330 Kilometer und liest vor Nachbarn.“ Die lange Fahrt aus dem Ruhrpott nach Walldorf ist auch die Erklärung, dass der Autor zu Beginn „so’n bisschen ins Labern“ kommt, wofür er sich mit einem Schmunzeln entschuldigt: „Ich bin den ganzen Tag im Auto gesessen, ich bin unterlabert.“ So wird selbst die Erzählung über eine Gallenblasenoperation zu einer unterhaltsamen Angelegenheit.
Nur die Tatsache, dass sein Herzensverein VfL vor sieben Jahren in Walldorf vom FCA in der ersten Runde aus dem DFB-Pokal gekegelt wurde, hat Goosen nach eigener Aussage „verdrängt“. Kann man ihm glauben, muss es aber nicht.
Goosen nimmt seine Zuhörer geschickt mit in die Niederungen des Jugendfußballs, auf gefrorene Ascheplätze und zu den interessant-skurrilen Figuren, die sich bei Kreisliga-Spielen tummeln, lässt Sprüche wie „Warum krieg ich immer die Spieler, wo die Mutter in der Schwangerschaft geraucht hat?“ oder „Jungs auf dem Weg in die Pubertät – die haben alle einen Nagel im Kopp“ los und macht viel Lust darauf, den ganzen Roman zu lesen, wenn man das nicht ohnehin schon getan hat.
Und dann gibt’s wieder einen spontanen Einwurf, als ihn das intellektuelle Niveau seines Walldorfer Publikums vermuten lässt, im „Speckgürtel um Mannheim“ hätten „wohl alle Abitur“. Ein Zuhörer relativiert boshaft: „Nur in Mannheim nicht.“ Goosen denkt kurz nach, stimmt dann zu: „Ja, die können sich keine Straßennamen merken, deshalb haben sie das durchnummeriert.“
Später kommt er zum Schluss: „Ich hatte einen fantastischen Abend.“ Das Kompliment geben ihm seine Zuhörer mit viel Applaus gerne zurück.
Text und Foto: Stadt Walldorf