„Infektion mit der Realität der Geschichte“
„Verletzte Erde“, „Kriegsblume“ oder „Dresden“ hat Bernd Gerstner seine Bilder und Objekte betitelt. Seine Ausstellung ARTkontext erinnert an die Grauen des Ersten und Zweiten Weltkriegs.
Die Intensität seines Werks rühre auch daher, dass er, so der städtische Kunstbeauftragte Hartmuth Schweizer, „wie kaum ein anderer Künstler die Schlachtfelder von Verdun und am einstigen Westwall in den letzten Jahren kennengelernt hat“.
Bernd Gerstner, der in Heddesheim lebt, hat Fundstücke dieser blutgetränkten Orte in seiner Kunst verarbeitet. Er gehe damit „einen ganz eigenen Weg, um die Erinnerung an den Schrecken der Kriege und des Holocaust wachzuhalten und vor dem, was aktuell in vielen Regionen der Welt passiert, zu warnen“, erklärte Schweizer.
„Stumme und doch sehr beredte Zeugen sinnloser kriegerischer Auseinandersetzungen“, nannte Bürgermeisterin Christiane Staab die Werke von Bernd Gerstner in ihrer Begrüßung. Sie seien Erinnerung und Mahnung zugleich. „Weder unsere Erde noch unsere Seelen sollten wir verletzen, sondern in Frieden miteinander leben“, stellte sie fest. Hartmuth Schweizer erinnerte an die Schlachtfelder von Verdun, auf denen die Lebenserwartung der Soldaten 14 Tage betragen habe. Wie entstellt und verstümmelt Überlebende für den Rest ihres Lebens gewesen seien, zeigt der Bildband „Krieg dem Kriege“ von Ernst Friedrich (1894-1967), der in Berlin 1925 das erste Internationale Antikriegsmuseum eröffnete, vor den Nationalsozialisten floh und sich in Frankreich der Resistance anschloss. „Die Deutschen haben ihre grauenhaft Verletzten nicht gezeigt“, erklärte Schweizer, der das beeindruckende Buch dabei hatte. Bernd Gerstner vermittle in seinem Werk eine Vorstellung davon, wie sich Leid, Schrecken und Tod in die Landschaft der von Krieg betroffenen Regionen, in die Natur und die Erde unauslöschlich eingebrannt haben, erklärte Schweizer. „Es sind nicht so sehr gegenständliche Assoziationen oder Darstellungen, sondern es ist die elementare, ja existentielle Bedeutung, die den Materialien wie Erde, Holz, Blei und Wachs eigen ist, mit der die Aussage der Bilder und Objekte transportiert wird.“ Ein verrostetes Beil, in dessen Kerben Gerstner ein Gesicht erkannte, sei zu einer ausdrucksstarken Serie entwickelt worden. „Holzstücke aus Stollen bei Verdun, Patronen, Granatsplitter … infizieren uns quasi mit der Realität der Geschichte“, schilderte Hartmuth Schweizer die Wirkung von Bernd Gerstners Werken auf den Betrachter. Sie seien Beweis für das Unglaubliche, Unverständliche und würden wie Reliquien in einem Reliquiar, dem Kunstobjekt, aufbewahrt. Durch strenge Anordnung, wie bei den Beilen, werde die „intensive Wirkung noch potenziert“.
Zu den als „Verletzte Seelen“ bezeichneten Objekten meinte Schweizer, dass die sichtbar gemachten Wunden, die seelischen und körperlichen Beschädigungen, durch den Künstler und seine einfühlsame Gestaltung „so etwas wie Heilung erfahren“. Als großes Thema Gerstners nannte Schweizer die Erde, nicht nur symbolisch als Ursprungsort und Heimat der Menschen, sondern auch als Material. Bernd Gerstner malt mit Erde, Lehm, Ackerboden, Sand, fein, grobkörnig oder reliefartig. Dadurch entsteht eine sehr persönliche Verbindung mit der Erde, deren Verletzlichkeit er künstlerisch darstellt und in das Gedächtnis ruft.
Das Benjamin Wittiber Trio spielte zur Vernissage Latin-Jazz, „freie Musik eines freien Geistes“, wie Hartmuth Schweizer lobend meinte. Die Ausstellung ist noch bis 6. Dezember im Rathaus im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss zu sehen.
Bürgermeisterin Christiane Staab und Kunstbeauftragter Hartmuth Schweizer mit Bernd Gerstner (links) mit Wachsobjekten, auch aus der Serie „Verletzte Seelen“
Text: Stadt Walldorf
Foto: Pfeifer