„Wem das Lächeln fehlt, fehlt ein Flügel“
Dass ich den wichtigsten österreichischen Literaturpreis gewonnen habe, erzähle ich seit ein paar Wochen allen, die es gar nicht wissen wollen. Ich darf es nur nicht selber glauben, ermahne ich mich dabei im Stillen. Der erostepost-Literaturpreis ist nach dem bekannten Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb nur der zweitwichtigste Preis des Landes. Und richtig gewonnen habe ich den auch gar nicht, nur fast. Wären da nicht die drei echten Preisträger*innen, dann hätte ich ihn bekommen, so viel ist sicher.
Als mir im Sommer das Stipendium als Walldorfschreiberin zugesprochen wurde, dachte ich, jetzt möchte ich noch einen Preis haben, so hatte das alles angefangen. „Wem das Lächeln fehlt, fehlt ein Flügel“, ist ein Zitat von Truman Capote und das Motto des diesjährigen Literaturwettbewerbs erostepost. Ich habe also eine meiner Geschichten ausgedruckt und mit der Post ins Literaturhaus nach Salzburg geschickt. Ein bisschen später – in Salzburg mussten sie sich schließlich durch 340 Einsendungen kämpfen – bekam ich die Antwort, dass ich mit meiner Geschichte auf der Shortlist gelandet bin und bitte meinen Text für den Abdruck in der Zeitschrift nochmal digital schicken soll, der würde sogar bezahlt werden – nach Seitenanzahl.
Es stellte sich mir daraufhin nicht nur die Frage, wie ich meinen Text trickreich, zum Beispiel durch das Hinzufügen vieler malerischer Adjektive und anderer stilistischer Raffinessen, noch etwas länger machen könnte, leider hatte ich auch völlig vergessen, welchen ich da überhaupt hingeschickt hatte. Weil eine solche Schusseligkeit einer Beinahe-Preisträgerin absolut unwürdig ist, konnte ich nicht einfach nachfragen. Ich musste ganz schön herumschlawinern, um herauszufinden, welcher meiner Texte, und es hätte wirklich jeder von ihnen sein könne, so preisverdächtig war.
Am Dienstag, den 27. November, fahre ich zur Preisverleihung ins Literaturhaus nach Salzburg, da wird auch die schöne Ausgabe der Literaturzeitschrift erostepost (#68) vorgestellt, in die es mein Text geschafft hat. Er hat große Absätze und zieht sich gemütlich über ein paar Seiten, das gefällt mir, auch wenn es mich an die gestreckten Hausarbeiten erinnert, die einfallslose Studis bei mir einreichen.
Bei den echten Preisträgerinnen und Preisträgern kann ich mir für meine weitere Karriere viel abschauen. Die Lesungen beeindrucken mich sehr. Alle drei gelesenen Texte sind kritische Auseinandersetzungen mit (hoffentlich bloß fiktionalen) Müttern. Die konservative Mutter bei Sebastian Guhr erzieht ohne jedes ästhetische Empfinden lediglich zur Anpassung. Martin Peichl imaginiert den Tod der an Krebs erkrankten Mutter in einem vorauseilenden Trauerprozess. Sofie Morin liest rauschhaft über das bedrohliche Einverständnis der Mutter mit einem grenzüberschreitenden Frauenarzt.
Nächstes Jahr werde ich definitiv einen Mutter-Text einreichen, nehme ich mir vor. Gruseligerweise kommen mir da sofort ein paar Ideen, aber weil ja alle um meine autobiographischen Tendenzen wissen, will ich die direkt wieder verwerfen. In Gedanken sehe ich mich händeringend meiner Mutter erklären, dass für den Preis, äh, die Kunst solche Opfer gebracht werden müssen. Schwierig. Weil die Literatur und der Wein in Österreich immer nah beisammen sind, hat man ins Literaturhaus direkt eine Bar gebaut, da sitzt es sich gut und gemütlich mit den Literaturstars. Zu fortgeschrittener feuchtfröhlicher Stunde werde ich ganz liebenswürdig gefragt, ob ich die von der Walldorfer Schule bin. Und weil sich das so anhört, als hätte ich in Walldorf schon mein eigenes Literaturinstitut gegründet, nicke ich ganz stolz.
Text und Foto: Stadt Walldorf