Nachwuchs bei den Nilgänsen
Zu den besten Geschenken, die man mir als Gastkünstlerin in Walldorf gemacht hat, gehört eine kleine Girlande von Freikarten für den Bäderpark. Seit unserer Ankunft ist das Wetter gleichbleibend schön, die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Mein Mann sagt, solches Wetter gebe es sonst nur in Kalifornien und in der Truman Show, jedenfalls versuche ich, wann immer es geht, eine Runde zu schwimmen. Bei meinem zweiten Besuch am Badesee habe ich die Familie von Nilgänsen entdeckt. Nilgänse sind monogam; wenn sie sich gefunden haben, bleiben sie ein Leben lang zusammen. Sie können bis zu zwölf Eier legen. Das Paar, das im Freibad lebt, hat fünf kleine Küken, die es gemeinsam aufzieht.
Die Badegäste sind sehr rücksichtvoll mit der Gänsefamilie, meist haben sie ihre Wiese ganz für sich allein, was auch daran liegen mag, dass sie ziemlich viel Dreck produzieren. Oft finde ich aber doch ein annehmbares Plätzchen in ihrer Nähe, nach wenigen Tagen haben sich die Gänse an mich gewöhnt und wagen sich bis auf zwei Meter Sicherheitsabstand an mich heran. Eines der Küken ist eindeutig das Schüchternste, ein anderes sehr abenteuerlustig. Die Entenmutter setzt ihren Schnabel ein, um dem Ausreißer ab und zu den Weg zurück in den Kreis der Familie zu weisen. Auf der Wiese erobern sich die Küken einen recht großen Radius um ihre Eltern herum, aber beim Schwimmen im See herrscht eine strengere Ordnung, da bleiben die Kleinen ausschließlich zwischen ihren Eltern, die dicht beieinander schwimmen.
Der Nachwuchs der Gänse löst beim Nachwuchs der Menschen die größte Faszination aus. Eltern müssen stehen bleiben, damit ihre Kinder die Gänse, die von manchem Sprössling auch als Enten bezeichnet werden, in Ruhe beobachten können. Gesprächsthema sind die Gänse aber unter allen Vorbeikommenden.
Eine Gruppe Teenager nähert sich – naturgemäß nicht für ihre Rücksicht bekannt und schon auffällig geworden durch „Arschbomben“ von der Plattform direkt neben erschrockenen Badegästen. Einer der jungen Männer rennt los in Richtung der Gänse, die sofort in höchster Alarmbereitschaft sind. Die kleinen Küken laufen panisch ins höhere Gras, doch die Angst ist unbegründet. Der junge Mann wird von einem seiner Freunde energisch zurückgepfiffen, selbst jugendlicher Übermut kennt also Grenzen. Letztlich scheint die Gänsefamilie von den Walldorfern aller Generationen als gemeinschaftlich am Badesee geteiltes und geliebtes Haustier anerkannt zu sein.
Text und Fotos: Stadt Walldorf