Vom Playboy zum Heiligen der katholischen Kirche
Dass Alois Prinz es überhaupt noch zu seiner Lesung nach Walldorf geschafft hatte, war schon fast ein kleines Wunder. An dem Tag funktionierte der Zugverkehr aus München nur sehr eingeschränkt, da es Sturmschäden aus der Nacht zuvor auf der Strecke gegeben hatte. So war Alois Prinz über acht Stunden unterwegs, statt der angepeilten drei. Er habe es aber unbedingt möglich machen wollen, wie Stadtbüchereileiterin Barbara Grabl erzählte, als sie das Publikum mit etwa 20 Minuten Verspätung zur Veranstaltung begrüßte. Der Autor habe sich seit Jahrzehnten als bekannter Biograf vieler unterschiedlicher Persönlichkeiten einen Namen gemacht. Seine neueste Biografie widmet sich „Franz von Assisi: Tierschützer, Minimalist und Friedensstifter“.
Oder um es zu präzisieren: eine „Kombination aus Wanderbuch und Biografie“, wie der Autor selbst sagt. Prinz hat sich nämlich für seine Recherchen auf den Weg nach Italien gemacht und ist den Franziskusweg gegangen, der den Spuren des Heiligen Franziskus folgt. Alois Prinz ist von der Stadt Assisi aus los und hat sich elf Tage Zeit für den Weg genommen. So war seine Lesung auch eine Mischung aus Reisebericht und historischer Erzählung über Franz von Assisi. Seinen Vortrag bereicherte Prinz mit Bildern seiner Reise, die per Beamer an die Wand geworfen wurden. So konnten die Besucher auch sehen, dass viele Orte, die auf dem Franziskusweg liegen, dem Ordensgründer und Heiligen der katholischen Kirche auch heute noch mit zahlreichen Statuen und Bildern ihre Verehrung zeigen.
Doch wer war der Mann, der im ausgehenden Mittelalter in eine Kaufmannsfamilie hineingeboren wurde und sich auf einmal dazu entschied, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und lieber in Armut zu leben? Das sei nicht immer so gewesen, verriet Alois Prinz. Vielmehr habe Francesco („der kleine Franzose“), das war der Rufname, den ihm sein Vater aus Sympathie für Frankreich gegeben hatte, als junger Mann ein eher wildes Leben geführt. Sicher könne man sagen, dass der Mann, der „schmal und klein war und abstehende Ohren hatte“, vor allem weltliche Dinge im Kopf hatte: feiern, Frauen und den Wunsch, Ritter zu werden und in die Schlacht zu ziehen. „Man kann sagen, dass er ein Playboy war“, zog Prinz Schlüsse aus seinen Recherchen zu dieser Lebensphase. Auch wenn das Leben als Ritter nicht sehr erfolgreich verlaufen sei, Verlust der teuren Ausrüstung inklusive, habe sein Vater ihn unterstützt und finanziert.
Das habe sich geändert, als es einen Bruch in Francescos Leben gegeben habe. Er, der zuvor von den Armen und Aussätzigen angewidert war, merkte, dass er sich davon angezogen fühlte. Es sei für ihn wie eine Süßigkeit gewesen, so Prinz. Und alles was vorher süß war, war nur noch bitter für ihn: „Es hat sich alles gewandelt in ihm.“ Auch die Beziehung zu seiner Heimat Assisi, seiner Familie und seinen Freunden. Francesco überwarf sich mit seinem Vater, dazu las Alois Prinz einen Auszug aus seinem Buch vor. Francesco lehnte jede weitere finanzielle Zuwendung ab, er wollte „arm und frei leben“. Dieses Lebensmotto sollten auch jene beherzigen, die sich ihm anschlossen. „Ich bin mir sicher, dass Franz damals nicht sehr religiös war“, sagt sein deutscher Biograf heute. Vielmehr hätte er nach und nach in den Lehren des Christentums etwas finden können, was zu seiner Vorstellung vom Leben passte. Die Ambivalenz zur Kirche habe sich durch sein ganzes Leben gezogen: „Er wollte nicht gegen den Papst rebellieren, sich aber auch nicht einfügen.“
Prinz, der im Laufe der Lesung auch über schlecht markierte Wege auf seiner Wanderung, persönliche Begegnungen mit Klosterbewohnern und wunderschöne Landschaften sprach, verdeutlichte die Hürden bei der Recherche für eine Biografie, wenn der Porträtierte seit über 800 Jahren tot ist. Franz von Assisi, der schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrte wurde, sei natürlich auch in vielen Texten und Darstellungen überhöht worden. Man müsse Legenden, Mythen und Märchen erkennen, obwohl viele davon auch „einen wahren Kern“ hätten. Über seine Zeit im Heiligen Land etwa lasse sich nur schwer sagen, was er dort genau getan habe. Mehrere Male betonte Prinz während seiner Ausführungen, was gesichert sei und was sich nur vage nachvollziehen lasse oder gar reine Spekulation sei. Für ihn als Biografen sei klar gewesen: „Wenn man Franz verstehen will, muss man die Gegend kennen, in der er einst unterwegs war. Man muss wandern.“ Die Faszination, die die Natur, die Landschaften und die Elemente auf Franz von Assisi ausübten, könne man so besser verstehen. Das müsse man aber nicht barfuß und nur mit einer Kutte bekleidet tun, wie Prinz augenzwinkernd anmerkte.
Er verriet dem Publikum zum Schluss, wie er darauf kam, diese Biografie zu verfassen: „Das hat mit meiner Kindheit zu tun, ich bin sehr katholisch aufgewachsen und habe schon früh Geschichten von ihm gehört.“ Es sei immer sein Plan gewesen, die Gegend in Italien zu sehen, und der radikale Lebensbruch von Franz von Assisi habe ihn außerdem fasziniert. Die Faszination dürfte der Autor auch beim Publikum entfacht haben, eine Geschichte über den Wandel vom Playboy zum Heiligen der katholischen Kirche hört man schließlich nicht alle Tage.
Text und Fotos: Stadt Walldorf