Erstickt Altwiesloch im Verkehr? Gibt es eine Lösung? Und wann?
Wiesloch, 20.01.2018 (rp) Voll besetzt bis zum letzten Sitzplatz war das Bürgerhaus in Altwiesloch am letzten Samstag den 13.1.2018, zahlreiche Bürger sowie auch eine große Anzahl an Wieslocher Stadträten waren der Einladung zum Infoabend des Stadtteilvereins Altwiesloch gefolgt. Auch Bürgermeister Ludwig Sauer war unter den Zuhörern.
Anlass der Veranstaltung war der SWR-Abgasalarm in Wiesloch und somit die neuste Abgasmessung in der Ortsdurchfahrt. Redner des Abends waren Peter Klein, Stadträtin Beate Klein, Norbert Heneka und Stadtrat und Bauingenieur Werner Goldschmidt. Auch Dr. Ludwig H. Hildebrandt Diplom-Geologe (BDU Büro für Denkmalpflege und Umweltschutz) und Träger der Bürgermedaille der Stadt Wiesloch, kam zu Wort und äußerte seine fachliche und wissenschaftliche Sichtweise.
„Wir fordern das die gesetzlichen Werte eingehalten werden“ so Stadtrat Werner Goldschmidt.
Sie alle informierten die Bürger über die unerträgliche Situation des Stadtteils und ihre bisherigen Aktivitäten.
Ihre klare Forderung: „Weniger Verkehr“, insbesondere Schwerlastverkehr und dadurch weniger Lärm, weniger Abgase, weniger Gefahren für Fußgänger (vor allem Kinder auf dem Schulweg).
Auch Baiertals Ortsvorsteher Markmann meldete sich zu Wort, er begrüßte die Messaktion, er werde auch in seinem Ortsteil Messungen vornehmen lassen.
Ebenso war der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Klein zum Informationsabend in Altwiesloch erschienen. Laut eigener Aussage hat er die Unternehmen SAP, Heidelberger Druckmaschinen AG sowie MLP gebeten ein Schreiben an den Ministerpräsidenten zu senden, um aus deren Sicht auf die Problematik bezüglich L723 und der Situation in Wiesloch hinzuweisen. Die Sperrung der K 4170 zwischen Dielheim und Rauenberg sorgt zudem für wahnsinnige Rückstaus, wie man tagtäglich feststellen kann..
„Damit es dem Ministerium ermöglicht wird zur Gesamtplanung zu kommen und einen zügigen Ausbau dieser lebensnotwendigen Verkehrsader, um die Voraussetzungen zu schaffen damit es in der Stadt Wiesloch zu Verkehrsentlastungen kommen kann.“, so Klein.
Er informierte die anwesenden Besucher auch über den geplanten Ausbau bei der SAP, rund 2000 weitere Arbeitsplätze sollen entstehen. Die Heidelberger Druckmaschinen AG hat beschlossen, eine Verlagerung von Heidelberg nach Wiesloch-Walldorf mit 1000 Mitarbeitern vorzunehmen.
„Zudem will sich auch John Deere in unserer Raumschaft ansiedeln. Auch weitere Arbeitsplätze. Gut für unsere Region, aber da müssen wir doch so ehrlich sein und sagen, da muss auch die Verkehrsinfrastruktur schritt halten.“ so Karl Klein.
Das Schreiben, das der Landtagsabgeordnete im Dezember an Winfried Hermann den Minister für Verkehr und Infrastruktur in Baden-Württemberg richtete, in dem es insbesondere um die Situation der L547 und der Ortsdurchfahrt in Altwiesloch geht, las er den Zuhörern vor.
Stadträtin Beate Klein, bot den Bürgern, über einen grossen Monitor, auch den interessanten Einblick in den Schriftverkehr mit den Behörden und anderen Akteuren.
Mehr Stickstoffdioxid als der Grenzwert erlaubt
In der SWR Messaktion, die kürzlich veröffentlicht wurde, belegte Wiesloch traurigerweise die erste Position in ganz Baden-Württemberg.
Der SWR hatte seine Zuschauer, Zuhörer und Internetnutzer dazu aufgerufen, die Stickstoffdioxid-Belastung vor ihrer eigenen Haustür zu messen. So montierte Peter Klein, Vorsitzender des Stadtteilvereins Altwiesloch, die Messeinrichtung an seinem Haus in der Baiertaler Straße.
„Dicke Luft: Altwiesloch noch vor Stuttgart!“, berichteten die Kollegen des SWR nachdem die Messergebnisse vorlagen. Altwiesloch leidet unter einer Stickoxidbelastung mit der nur wenig Großstädte mithalten können.
Aktuell wurden 63,4 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter gemessen. Also deutlich über dem gültigen Grenzwert von 40 Mikrogramm.
Die offiziellen Messstationen liegen nicht immer dort wo der Strassenverkehr am höchsten ist, da drängt sich berechtigterweise die Frage auf: „Wird bewusst an „falschen“ Orten gemessen?“ Die behördliche Messstation befindet sich in Wiesloch in der Nähe des PZN – also weit abseits der Baiertaler Strasse. Ein Schelm wer böses dabei denkt?
Am Montag, 22 Januar folgt ein weiterer TV-Bericht auf SWR3 in der Landesschau um 18:45
EU-Kommission bestellt Umweltministerin Hendricks ein
Am Mittwoch wurde bekannt; die Europäische Kommission setzt der Bundesregierung, im mittlerweile jahrelangen Streit über saubere Luft – eine letzte Frist bis Ende dieses Monats. In einigen deutschen Städten, Wiesloch gehört wohl nun auch dazu, ist die Luftverschmutzung extrem.
Der EU-Umweltkommissar lud nun zum 30. Januar die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks nach Brüssel ein. Einhergehend mit der Forderung, dass die Bundesregierung nun endlich einen Maßnahmenkatalog auf den Tisch legt und erklärt, wie man in Deutschland die EU-Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide einhalten will.
Inwieweit das sog. „Sofortprogramm Saubere Luft“, welches im November mit den Kommunen beschlossen wurde, den Altwieslochern schnelle Hilfe bringen kann, ist abzuwarten. Denn das längst von der EU eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren und die mögliche Klage vor dem europäischen Gerichtshof scheint die Regierung wenig zu beeindrucken.
Den Worten der Politiker müssen nun auch endlich Taten folgen. „Greenwashing“ alleine wird Deutschland nur noch weiter schaden. Das „Made in Germany“ und das Vertrauen der Zivilbevölkerung in Wirtschaft und Politik hat diesbezüglich bereits nachhaltig Schaden genommen.
Der Fokussierung sollte nicht alleine den aktuellen Trends folgen. Die letzten Monaten waren die Reizworte „Diesel“, natürlich „CO2“ oder „Feinstaub“ breit thematisiert worden. Nun Stickstoffdioxid.
Man muss auch sehen, dass es immer auch Interessengruppen gibt, welche ein Thema vor ihren Karren spannen um deren Ziele zu erreichen.
Ein definiertes Ziel der EU-Kommission ist, dass im Jahr 2050 überhaupt keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr in die Innenstädte hineinfahren dürfen.
Zurück zu Wiesloch:
Eine Umgehungsstraße werde es wohl nicht geben.
Aber warum eigentlich nicht?
Im Jahr 2012 war in der Regionalpresse zu lesen: „Stuttgart streicht die Umgehung Altwiesloch“. Das Projekt wurde aus dem Generalverkehrsplan des Landes gestrichen, Schuld ist wohl der Wieslocher Gemeinderat, der sich darüber nicht einig wurde.
„Stattdessen schafft man bewusst Parkplätze, um eine Geschwindigkeitsreduzierung des Verkehrs in der Durchgangsstrasse zu erreichen um die Gefahrensituationen zu entschärfen. Resultat, Stop-and-Go und Rückstau und viele gestresste Autofahrer. Und die Abgase!“ – Zitat
Statt einer Umgehungsstrasse suchte man nach anderen sog. „weichen“ verkehrsentlastenden Lösungen. Pförtnerampeln in Kooperation mit Dielheim, ein (nächtliches) LKW-Fahrverbot oder auch eine Kreisellösung an der Einmündung Baiertaler/Dielheimer Strasse. Auch weitere Einfälle standen zur hitzigen Debatte.
Das Thema Umgehungsstrasse polarisiert Wiesloch wie kein anderes.
Quo vadis Wiesloch? Wu geht’s long?
Liebe Wieslocher Ratsherren. Eine realistische Lösung muss her und das Gemeinwohl steht dabei an oberster Stelle, soviel sollte klar sein. Die Wichtigkeit der Bau- und Infrastrukturprojekte ist schon lange bekannt. Und eine echte Alternative zur Umgehungsstrasse gibt es wohl nicht.
Der Verkehr hat insgesamt zugenommen und wird vermehrt nicht nur in Altwiesloch zum Problem.
Man erinnere sich an den letzten Sommer mit dem „Mega-Staus auf A5 und A6“. Zwischenzeitlich wurde die A6 in beiden Richtungen komplett gesperrt, was alle anderen Hauptverkehrsstrassen der gesamten Region zum Verkehrsinfarkt führte.
„Entscheidungsträgkeit und die Bürger leiden, die Gesundheit der Bürger wird bewusst auf’s Spiel gesetzt“ so ein verärgerter Anwohner.
Und wie ist Ihre Meinung? Leserbriefe willkommen!
Weitere Infos und die SWR-Beiträge findet man auch auf der Website des Stadtteilverein Altwiesloch: www.stadtteilverein-altwiesloch.de
Interessante Links:
Wikipedia: Straßenbahn Wiesloch
Wikipedia: Bahnstrecke Wiesloch
Spektrum: Zum Thema Luftverschmutzung
National Geographic: Die Zukunft der Mobilität
Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg:
https://vm.baden-wuerttemberg.de
Buchtipp: