* Bitte lesen Sie die Stellungnahme der Expertin zu diesem Thema. Wiwa-Lokal hat Frau Ebbecke, die Vorstands-Vorsitzende der Lebenshilfe, Wiesloch um ihre Einschätzung der Ausführungen der BA gebeten. Sie schreibt, wie es real ist (s.u.).
Bundes Agentur für Arbeit schreibt: Auch schwerbehinderte Menschen profitieren vom Aufschwung
Auf den ersten Blick scheinen die Zahlen nicht zusammen zu passen: Sowohl die Beschäftigung als auch die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen steigt. Dahinter steckt zu allererst eine gute Nachricht: In den letzten Jahren ist die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen kontinuierlich gewachsen. So waren 2012 – neuere Angaben liegen nicht vor – 965.000 schwerbehinderte Menschen beschäftigt, ein Fünftel mehr als noch 2007. Die Zunahme ist stärker als das Plus bei der Zahl der in Deutschland lebenden schwerbehinderten Menschen, also nicht allein auf demografische Effekte zurückzuführen.
Wenn aber mehr Menschen mit Behinderung beschäftigt sind – wie kann dann gleichzeitig die Zahl der schwerbehinderten arbeitslosen Menschen zunehmen? Das ist mit einem statistischen Effekt zu erklären. 2013 waren bundesweit 179.000 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemeldet. Gegenüber 2008 war das eine Zunahme um acht Prozent. Dabei beschränkt sich die Zunahme allein auf Ältere und ist in erster Linie auf die Ende 2007 ausgelaufene Sonderregelung für Ältere zurückzuführen. Diese Regelung besagte, dass sich Menschen ab 58 Jahren nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen müssen, was sich entlastend auf die statistisch erfasste Arbeitslosigkeit ausgewirkt hat. Ohne den Wegfall dieser Sonderregelung läge die Zahl der arbeitslosen schwerbehinderten Menschen 2013 unter der von 2008.
Ein Blick auf die Qualifikationen der arbeitslosen schwerbehinderten Menschen zeigt: in Zeiten von Fachkräfteengpässen gibt es eine Menge bislang ungenutztes Potenzial zu heben. So ist der Anteil der Fachkräfte, auch der Akademiker, an den arbeitslosen schwerbehinderten Menschen höher als bei allen Arbeitslosen. Die Fachkräfte kommen insbesondere aus den Bereichen Objektschutz, Büro- oder Sekretariatsberufe, Gebäudetechnik und Metallbearbeitung, Mechatronik und Elektronik.
Um mehr Menschen mit Behinderung in Ausbildung und Beschäftigung zu integrieren, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Oktober 2013 die „Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung“ gestartet. Im Rahmen dieser Offensive erhalten die Arbeitsagenturen und Jobcenter für die Jahre 2014 bis 2016 aus dem Ausgleichsfonds bis zu 50 Millionen Euro. Damit sollen Konzepte gefördert werden, die
– bereits bestehende Förderinstrumente und -maßnahmen ergänzen,
– die berufliche Integration schwerbehinderter Menschen verstärken und anregen und
– von den Trägern der Arbeitsförderung und der Grundsicherung im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten umgesetzt und entwickelt werden.
Die an der Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung des BMAS beteiligten Akteure, zu denen auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) gehört, sind Verpflichtungen eingegangen. Die BA hat sich besonders zu folgenden Aktivitäten verpflichtet:
Fortsetzung der Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung in Bezug auf den Inklusionsgedanken und die Belange der Menschen mit Behinderungen; beispielsweise durch die Verstetigung der „Woche der Menschen mit Behinderung“.
Unterstützung von Aktivitäten anderer Akteure auf regionaler Ebene wie etwa das von der Bundesarbeitsgemeinschaft ambulanter beruflicher Rehabilitation gestartete Projekt „WIRTSCHAFT INKLUSIV“ mit dem Ziel der Sensibilisierung weiterer Arbeitgeber für die Potenziale von Menschen mit Behinderung.
Erweiterung der Beratungskonzeption der BA um ergänzende Materialien zum Umgang mit behinderungsspezifischen Besonderheiten. Hierdurch soll die behindertenspezifische Beratungsmethodik (bezogen auf alle Behinderungsarten) gestärkt werden.
Engere Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen – insbesondere in den Bereichen Prävention und Beschäftigungssicherung, zum Beispiel durch Information schwerbehinderter Menschen, die eine Beschäftigung aufnehmen, über Beratungsangebote und Leistungen des Integrationsamtes im Sinne eines präventiven Ansatzes.
Informationen zur Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen finden Sie in einer aktuellen Broschüre unter http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Personengruppen/generische-Publikationen/Brosch-Die-Arbeitsmarktsituation-schwerbehinderter-Menschen-2013.pdf
*Frau Ebbecke, die Vorstands-Vorsitzende der Lebenshilfe, Wiesloch:
Viele der von der BA als Schwerbehinderte gezählten Menschen sind keine Behinderten wie wir sie kennen, sondern Menschen, die nach einer schweren Krankheit oder OP einen Schwerbehindertenausweis haben.
Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen sind einerseits oft gut im 1. Arbeitsmarkt integriert, andererseits ist hier der Anteil der hochqualifizierten Arbeitslosen viel höher als bei gleich qualifizierten Menschen ohne Behinderung, da es eben doch oft noch an der Bereitschaft fehlt, sich auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung einzulassen und auch die eigentlich als Schutzgesetze gedachten Regelungen wie besonderer Kündigungsschutz oder mehr Urlaubstage viele Arbeitgeber abschrecken.
Menschen mit geistiger Behinderung tauchen dagegen kaum in der Arbeitslosenstatistik auf, da sie praktisch immer Anspruch auf einen Platz in einer Werkstatt für behinderte Menschen haben und damit nicht als „erwerbsfähig“ gelten und aus der Statistik fallen. Andererseits ist der Anteil von Menschen mit geistiger Behinderung, die auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten, immer noch verschwindend gering. Dazu gilt das oben Gesagte in verstärktem Maße. Diese Art der Inklusion gelingt praktisch immer nur durch besonderen persönlichen Einsatz auf Seiten des Arbeitgebers.
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