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Aus dem Walldorfer Tagebuch von Sanna Konda

31. Januar 2025 | > Walldorf, Allgemeines, Kultur & Musik, ~ Umgebung

Die kleine Meerjungfrau

Reykjavík ist nicht nur eine Hafenstadt, sondern erstreckt sich über eine Halbinsel und ist eigentlich fast rundherum von Wasser umgeben. Zu all dem türkisenen Eismeer, auf das viele Straßen der Altstadt den Blick freigeben, kommt der See Tjörnin, der hinter dem Rathaus liegt und auf dem die Menschen im Winter Schlittschuh laufen. Da der See einen Heißwasserzulauf hat und wenigstens dort direkt am Rathaus nicht ganz zufriert, überwintern einige Vögel hier. Sie gehören zu den beliebtesten Fotomotiven der vielen Touristen, die sich im See tummeln: Schwäne, Graugänse und die vielen verschiedenen Arten von Enten, darunter recht seltene und ulkig aussehende.

Nína Sæmundssons Meerjungfrau gehört auch deswegen zu ihren bekanntesten Statuen, weil sie unübersehbar aus dem See ragt. Der zarte Frauenkörper mit dem langen geschwungenen Fischschwanz steht wenige Meter vom Ufer entfernt mitten im Wasser, ein Blickfang.

 

Schon als ich vor Jahren das erste Mal nach Reykjavík gekommen bin, habe ich gehört, dass die Statue umstritten ist. Damals, mit dem Gefühl in Island auf einer utopischen Insel außerhalb des Patriarchats gestrandet zu sein, habe ich nur gedacht, dass die kleine Meerjungfrau ohne Stimme sich vielleicht wirklich nicht als Ikone des feministischen Kampfes eignet. Die schöne Lorelei im Rhein mit ihrem todbringenden Gesang ist nicht nur ein bisschen furchterregender und schicksalhafter, sie ist auch ein Symbol für die Verführungskraft der Stimme. Ich muss an die Idee denken – ich glaube, sie stammt von Kafka –, dass die Sirenen Odysseus seine eigene Geschichte vorgesungen haben. Kein Wunder also, dass dieser Gesang so unwiderstehlich wie tödlich ist.

Im Gegensatz zu den Figuren von Nína, die wir gestern besucht haben, ist die Meerjungfrau noch zu Nínas Lebzeiten in Reykjavík aufgestellt worden, und dennoch stehen wir hier und heute wieder vor einer Reproduktion. Kurz nach der Errichtung des Kunstwerks 1959 ist dieses bei einem Anschlag zerstört worden. Eine linke Gruppierung hat sich dazu bekannt, die Statue als Protest gegen reaktionäre Tendenzen in die Luft gesprengt zu haben. Der Zeitungsartikel, der das berichtet, vermutet antidänisches Ressentiment hinter dem Anschlag auf die Statue, die an Hans Christian Andersens „Die kleine Meerjungfrau“ erinnert. Im Zeitungsartikel wird Nína Sæmundsson zitiert: Mit der Zerstörung ihres Kunstwerkes sei etwas in ihr gestorben. Erst vor zehn Jahren hat man die Statue wieder errichtet.

 

Wir trinken im Iðnó neben dem Rathaus ein Bier in der Abendsonne – es ist selten genug, dass man auf Island draußen sitzen mag, aber heute ist einer dieser magischen windstillen Tage, die Schwäne gleiten majestätisch über den See und von den Dächern zwitschern die Stare die Dämmerung herbei.
Vier Frauen, die um einen Nebentisch mit auffällig vielen leeren Flaschen Wein herum sitzen, erklären zwei hinzukommenden Männern lautstark die Gründe für ihr politisches Engagement und fangen dabei in ihrer frühesten Kindheit an. Auf eine verquere Weise geht es um Toilettenpapier. Eine von ihnen erzählt, sie sei als kleines Mädchen von ihrem Vater für einen zu hohen Verbrauch von Toilettenpapier getadelt worden, das sei ihre Initiation als Feministin gewesen. Eine andere stimmt ihr lebhaft zu und bekräftigt, dass die Menschen viel zu viel Toilettenpapier verwenden. Mein Mann summt „My Dad Says That’s For Pussies“ von der Bloodhound Gang.

Nach dem Bier müssen wir nur die Straße überqueren und sind in einem kleinen Gärtchen. Darin steht – im Zentrum der Stadt und dennoch ungesehen – Nína Sæmundssons „Mutter mit Kind“. Mir scheint der Sockel des Kunstwerks zu hoch. Um die Gesichter von Mutter und Kind betrachten zu können, klettere ich auf den Tisch einer Picknickecke, mein Mann tut es mir für ein Foto nach. Ein Touristenführer spaziert mit einem älteren amerikanischen Paar durch die Stadt, alle drei werden auf unser Treiben aufmerksam. Der Führer streckt die Hand zur Mutter mit Kind aus und sagt: „Und das hier ist eine sehr schöne Statue.“

 

 

Text und Fotos: Sanna Konda/Stadt Walldorf

 

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