Wenn die Kopie eigene Ideen entwickelt
Ende November hat in der Stadtbücherei die Veranstaltung „Entdeckungen – live“ stattgefunden. Einen Teil der Buchauswahl lässt die Stadt Walldorf nochmals mit Rezensionen Revue passieren.
Hier wirft Armin Rößler einen Blick auf „Die 13 Tode der Lulabelle Rock“ von Maud Woolf.
„Blade Runner meets Barbie“ heißt es eher plakativ in der Werbung für den Debütroman der schottischen Autorin Maud Woolf. Die Ausgangslage in „Die 13 Tode der Lulabelle Rock“ lässt Filmfans, die von „Kill Bill“ über „Orphan Black“ bis zum genannten „Blade Runner“ alles gesehen haben (oder von Letzterem auch die literarische Vorlage, „Träumen Roboter von elektrischen Schafen?“ aus der Feder von Philip K. Dick, kennen), schmunzeln. Im Roman geht es um die erfolgreiche Schauspielerin Lulabelle Rock, die zahlreiche sogenannte „Porträts“, also Klone, von sich selbst geschaffen hat. Die sind dazu da, all die Sachen zu erledigen, für die sie selbst keine Zeit hat: Ein Porträt lebt beispielsweise ihre künstlerischen Neigungen aus und malt die ganze Zeit Bilder. Ein anderes hat die Aufgabe, Tag und Nacht auf Partys zu gehen. Und jetzt ist also der 13. Klon da, der von Lulabelle selbst den Auftrag erhält, alle anderen Porträts umzubringen. Offiziell begründet die Schauspielerin das damit, dass sie Promotion für ihren neusten Film benötigt.
Das 13. Porträt ist die Ich-Erzählerin des Romans und mit ihr begibt sich der Leser auf die Reise durch Bubble City und zu den einzelnen Klonen der Schauspielerin. Das ist sehr gut geschrieben, denn einerseits hat die gerade mal einen Tag alte Hauptfigur in der Theorie alle Erinnerungen der echten Lulabelle Rock, andererseits ist sehr vieles völlig neu für sie – es ist zwar nicht die Unwissenheit eines neu geborenen Kindes, aber zumindest eine kindliche Naivität, mit der sie durch ihre Welt geht. Wer befürchtet, sich angesichts des Themas durch ausufernde Gewaltszenen lesen zu müssen, darf erleichtert aufatmen. Lulabelle erledigt ihren Job mit großer Nüchternheit – anfangs auch wirklich ohne darüber nachzudenken, schließlich führt sie ja letztlich ihren eigenen Auftrag aus. Aber natürlich ist da mehr in der Geschichte, die Figur macht eine Entwicklung durch, fängt Stück für Stück an, zu hinterfragen, was sie tut, wer sie – als Porträt, als Klon, als reine Reproduktion einer echten Person, aber doch mit Gefühlen und inzwischen auch eigenen Gedanken – eigentlich ist. Das ist ein spannender Prozess, der den locker-flockig geschriebenen Roman zu einer ebenso unterhaltsamen wie auch immer mal wieder nachdenkenswerten Lektüre macht.
Maud Woolf – Die 13 Tode der Lulabelle Rock (Tor, 2024, ISBN 3596709318, 336 Seiten, 20 Euro)
Text und Foto: Stadt Walldorf