Pogromgedenken erinnert auch an Einzelschicksale
„Nie wieder ist jetzt“, sagt Bürgermeister Matthias Renschler am Ende seiner Ansprache in der evangelischen Kirche im Rahmen der Gedenkveranstaltung zur Reichs-Pogromnacht von 1938, zu der evangelische Kirchengemeinde, Heimatfreunde und die Stadt gemeinsam eingeladen haben. Renschler betont damit die Notwendigkeit, wachsam gegenüber dem wachsenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu sein. „Es kam nicht aus dem Nichts“, macht Renschler in Bezug auf die damalige Machtergreifung der Nationalsozialisten und das Ausbreiten ihrer menschenverachtenden Ideologie deutlich. Jahrelang habe sich das Gedankengut der Nazis in den Köpfen der Menschen verbreitet. Die schleichende Verrohung habe auch in Walldorf stattgefunden. Das mündete deutschlandweit in den Geschehnissen der Pogromnacht.
In Walldorf wurden Jüdinnen und Juden am Morgen des 10. November 1938 drangsaliert und erniedrigt, ihre Geschäfte und Wohnungen zerstört, darunter auch die Synagoge. „Am Morgen des 10. November wurde es sichtbar, es wurde Realität.“ Da Walldorf zu jener Zeit eine kleine Gemeinde mit rund 4000 Einwohnern war, könne man davon ausgehen, dass es auch jeder im Ort mitbekommen habe, sagt Andy Herrmann zuvor auf dem Weg vom jüdischen Friedhof zur evangelischen Kirche.
Der jüdische Friedhof ist Treffpunkt und Auftakt zur Gedenkveranstaltung. Nach der Begrüßung durch Pfarrer Uwe Boch informiert Andy Herrmann über die Geschichte der Walldorfer Juden und des jüdischen Friedhofs, auf dem 1881 erstmals Menschen bestattet wurden. Die Gräber seien „wertvolle Sachquellen, die uns einen kleinen Einblick in die jüdische Gemeinde des 19. und 20. Jahrhunderts gewähren“. Herrmann erinnert an das Schicksal der Walldorfer Juden, die am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert wurden. Und er erinnert unter anderem an Anna Klein, die sich unter dem Eindruck des Pogroms am 11. November 1938 das Leben nahm.
Um der verfolgten und ermordeten Walldorfer Juden zu gedenken, machen die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung auf dem Weg vom Friedhof zur evangelischen Kirche Halt bei den Stolpersteinen auf der Hauptstraße, wo die Konfirmanden Blumen ablegen und Kerzen entzünden. Auf dem Schlossplatz in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Synagoge erinnert Andy Herrmann an die Geschehnisse des 10. November, an dessen Morgen die Synagoge von Anhängern der Nationalsozialisten gestürmt und die Inneneinrichtung zerstört wurde. Dass die Synagoge damals nicht in Brand gesetzt wurde, sei nur dem Umstand zu verdanken gewesen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft Wohnhäuser von „altgedienten NSDAP-Anhängern“ standen. Als Zeichen der Demütigung habe man aber die Hakenkreuzfahne auf dem Turm des Gotteshauses gehisst, so Herrmann.
„Ich glaube, in den Köpfen wirkt noch ein bisschen nach, was das für ein Tag heute ist“, entlässt Pfarrer Boch die Menschen nach der Ansprache von Bürgermeister Renschler in den Abend und dankt allen Teilnehmern „dass sie mitgegangen sind“, der Stadtverwaltung für die Unterstützung bei der Durchführung der Veranstaltung sowie den Heimatfreunden und Andy Herrmann, der diese stets mit seiner Expertise begleitet.
Text und Fotos: Stadt Walldorf