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Gelungener Konzert-Auftakt der Walldorfer Musiktage

6. Oktober 2024 | > Walldorf, Allgemeines, Das Neueste, Kultur & Musik

 

Ein kammermusikalischer Kunstgenuss

Pünktlich zum Herbstanfang konnten die nunmehr 15. Walldorfer Musiktage ihre Pforten für das interessierte und zahlreich erschienene Publikum öffnen. Wie üblich wurde für das Eröffnungskonzert der Musiktage der rote Teppich vor dem Rathaus ausgerollt und das Verwaltungsgebäude verwandelte sich wie durch Zauberhand in einen in stimmungsvolles blau-violettes Licht getauchten Konzertsaal mit hervorragender Akustik. Dieses Jahr handelte es sich beim Konzert im Rathaus allerdings nicht um die erste Veranstaltung der Musiktage, sondern um die zweite. Voraus ging der auf großes Publikumsinteresse gestoßene Musiktage-Talk mit Schriftsteller und Musikwissenschaftler Marcus Imbsweiler und Timo Jouko Herrmann, dem Initiator und künstlerischen Leiter der Musiktage sowie Musikbeauftragten der Stadt Walldorf.

Die 15. Walldorfer Musiktage stehen unter dem Motto „Arkadien in der Kurpfalz“. Anlässlich des 300. Geburtstags des Mannheimer Kurfürsten Carl Theodor widmen sich die Musiktage der berühmten „Mannheimer Schule“. Die Mannheimer Hofkapelle entwickelte sich unter Carl Theodor zwischen 1743 und 1778 zu einem wahren Musik-Paradies. Die Orchestermusiker und die am Mannheimer Hof wirkenden Komponisten galten als die besten in ganz Europa. Musikliebhaber, Musiker und Komponisten, wie beispielsweise auch Wolfgang Amadeus Mozart, kamen damals aus ganz Europa an den „Musenhof“ in der kurpfälzischen Residenzstadt, um den Aufführungen des berühmten Hoforchesters beizuwohnen und neue Impulse und Anregungen zu gewinnen.

Festival-Chef Herrmann hat für die diesjährigen Musiktage wieder ein abwechslungsreiches und gut durchdachtes Programm mit zahlreichen musikalischen Kleinoden und Raritäten zusammengestellt. Das Auftaktkonzert mit Kristian Nyquist (Cemabalo) und dem Ensemble Operino, bestehend aus Britta Hofmann (Violine), Timo Jouko Herrmann (Violine), Michael Böttcher (Viola) und Johannes Kasper (Violoncello), offerierte dem Publikum drei reizvolle musikalische Raritäten, die wohl kaum jemand zuvor gehört hat. Herrmann ließ das Publikum an seinem großen musikgeschichtlichen Wissen teilhaben und versorgte es auf unterhaltsame Weise mit vielen interessanten Informationen zur Epoche, Künstlern und Werken.

Die Kompositionen von Anton Filtz, Franz Xaver Richter und Carl Stamitz entstanden in einem Zeitraum von 20 Jahren (Ende der 1750er bis Ende der 1770er Jahre) und sind stilistisch sehr unterschiedlich. Der sehr jung verstorbene Filtz ist eigentlich noch im Spätbarock sozialisiert, aber modern in der Form. So kommt in seiner Komposition das stufenweise Ansteigen der Lautstärke vor, ein wichtiges Stilmittel der Mannheimer Schule. Bei ihm sind aber auch noch der italienische Einfluss und der französische Stil Glucks deutlich zu spüren. Bei Richter kommen die stilistischen Mittel des musikalischen Sturm und Drangs zur Geltung. Die Darstellung von Emotionen und Stimmungswechsel wurden wichtig. Richters Werk ist sehr ausdrucksstark und experimenteller als das von Filtz. Dabei beherrscht Richter aber noch die alten barocken Techniken wie den Kontrapunkt. Carl Stamitz, Sohn von Johann Stamitz, der die Hofkapelle aufgebaut hatte, ist dann in der galanten Zeit und der Klassik angekommen. Vor den typischen „Mannheimer Manieren“ wie der „Mannheimer Walze“, der „Mannheimer Rakete“ oder den süßlichen Melodien, die hier vorkommen, hatte Leopold Mozart seinen Sohn Wolfgang einst ausdrücklich gewarnt.

Den Auftakt des Konzertabends machte das Trio D-Dur op.3, Nr. 6 von Anton Filtz. Die Musiker des Ensembles Operino spielen auf historischen Instrumenten in tiefer Stimmung, auch das schöne zweimanualige Cembalo Nyquists ist ein Nachbau eines historischen Instruments. Mit einer fröhlichen Melodie begann das Allegro moderato. Herrlich tänzerisch floss die Musik dahin. Feine dynamische Abstufungen und schöne Dialoge der beiden Violinen ließen aufhorchen. Das Cembalo trug mit seinem feinen silbernen Klang, Akkorden und apeggierten Klängen zum reizvollen Klangvolumen bei. Hier gab es auch gleich die berühmte „Mannheimer Walze“ zu entdecken, eine stufenlose dynamische Steigerung vom Piano bis zum Forte. Nach dem ruhigen und sehnsuchtsvollen zweiten Satz erfreute der dritte, ein tänzerisch-lebhaftes Menuett im ländlichen Stil, das Publikum. Das spritzige Finale, frisch, lebhaft und neckisch gespielt mit seinen vielen rasanten Läufen, wurde virtuos dargeboten. Cembalist Nyquist und das Ensemble Operino harmonierten wunderbar zusammen. Große Transparenz, fein differenzierte Dynamik und die offensichtliche Spielfreude der Musiker bescherten den Zuhörern einen wunderbaren kammermusikalischen Kunstgenuss.

Mit Richters Konzert für Cembalo und Streicher e-Moll folgte ein recht ungewöhnliches Werk. Zum einen ist es in Moll, was in der „Mannheimer Schule“ nicht sonderlich beliebt war, auch spielten Cembalo-Konzerte dort keine große Rolle. Zum anderen ist es von einer für die damalige Zeit ungewöhnlichen Länge und außerordentlich durchstrukturiert. Richters Konzert ist von vielen schnellen Stimmungswechseln, großen dynamischen Kontrasten und harmonischen Besonderheiten geprägt. Herrmann hatte die Handschrift des Konzerts in der Pfälzischen Landesbibliothek Speyer entdeckt und neu herausgegeben. Cembalist Nyquist hatte hier mit dem überaus anspruchsvollen Cembalo-Part alle Hände voll zu tun und durfte sein Können eindrucksvoll unter Beweis stellen. Seitenweise schnelle Sechzehntel-Läufe auf zwei Manualen galt es zu meistern. Nyquist ließ seine Finger in atemberaubender Geschwindigkeit über die Tasten fliegen und verstand es, wunderbare Klangwolken zu erzeugen. Besonders im rasten Finalsatz begeisterte er das Publikum mit seiner Virtuosität. Einen Ruhepunkt bildete der Mittelsatz, die Pastorale cantabile, die wunderbar einfühlsam musiziert wurde. Das Cembalo hatte hier viel Raum für Improvisation. Die Musiker des Ensembles (diesmal mit Viola) waren ebenfalls gefordert und meisterten alle Schwierigkeiten mit Bravour. Hier wurde mit Herzblut und mitreißendem Enthusiasmus gespielt. Die Zuhörer sparten nach den letzten Klängen dann auch nicht mit begeistertem Applaus und Bravo-Rufen.

Es folgte das Quartett G-Dur von Carl Stamitz, ebenfalls nach einer Handschrift neu ediert von Herrmann. Das Streichquartett war damals eine ganz neue Gattung. Das Cembalo als Generalbassinstrument wurde nicht mehr gebraucht. Bratsche und Cello hatten hier, neben den Geigen, die Möglichkeit solistisch hervortreten. Deutlich waren die „Mannheimer Manieren“ zu hören. Frisch und fröhlich erklang der erste Satz, ruhig und anrührend der zweite. Alle Stimmen waren präsent, agierten wach und hochkonzentriert, spielten beweglich und in einer großen Bandbreite an Farben und Wirkungen. Das schnelle, lebhafte Presto setzte einen grandiosen Schlusspunkt unter dieses gelungene Auftakt-Konzert. Das Publikum zeigte sich begeistert und spendete reichlich Applaus. Die Stadt Walldorf lud anschließend zu einem Umtrunk ein und somit konnte der Abend auf angenehme Weise ausklingen.

 

 

Text: Carmen Diemer-Stachel
Fotos: Pfeifer

 

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