Born: „Jeden Tag sprechen in Kitas mehr unterschiedliche Menschen miteinander als in den Fußballstadien das ganze Wochenende über“
„Da haben alle Beteiligten mutig ein Abenteuer gewagt. So zügig wurde wohl noch nie eine Fachschule genehmigt,“ bemerkte Stefan Lenz, Geschäftsführender Vorsitzender des Postillion e.V., gleich zu Beginn des Besuchs von SPD-Bildungsexperte Daniel Born an der vereinseigenen Fachschule für Sozialpädagogik in Heidelberg-Wieblingen. Schulleiterin Susann Lenz ergänzte lächelnd: „Die Genehmigung lag einen Tag vor unserem Start vor.“ Der Verein Postillion, bei dem 31 Städte und Gemeinden aus der Region Mitglied sind, setzte auf vorausschauende Personalplanung und der Mut wurde belohnt: Der Aufbau der Fachschule gelang, das Konzept entwickelte sich. Nachdem der erste Jahrgang die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, gibt es derzeit einen Jahrgang im zweiten Ausbildungsjahr und mit Beginn des neuen Schuljahres startete ein weiterer.
Die Fachschule des freien Trägers der Kinder- und Jugendhilfe besteht seit September 2019 und bietet die praxisintegrierte Ausbildung (PiA) zur staatlich anerkannten Erzieherin bzw. zum staatlich anerkannten Erzieher an. Die Besonderheit des Ausbildungsprogramms liegt in der engen Verzahnung von theoretischer und praktischer Ausbildung. Die Auszubildenden absolvieren ihre Praxisphasen ganz überwiegend in den vereinseigenen Kindertageseinrichtungen. „Unsere Auszubildenden haben oft vor der Ausbildung schon ein freiwilliges soziales Jahr bei uns absolviert“, erläuterte Susann Lenz. „Dieser nahtlose Übergang von der Freiwilligenarbeit in die Ausbildung schafft eine kontinuierliche Verbindung. Davon profitiert nicht nur Postillion als Träger, sondern auch die einzelnen Kita-Teams.“
Für Stefan Lenz lag die Konsequenz angesichts des allgegenwärtigen Fachkräftemangels auf der Hand: „Jammern ist keine Lösung.“ Tatsächlich ist es Postillion gelungen, den Bedarf an qualifiziertem, pädagogischem Personal zu decken. „Die Fachschule leistet einen wichtigen Beitrag zur Personalgewinnung. Gut, dass wir den Schritt gewagt haben, auch wenn der Genehmigungsprozess für uns recht unübersichtlich war,“ hob der Geschäftsführende Vorsitzende des Vereins gegenüber dem Schwetzinger Landtagsabgeordneten hervor.
„Postillion hat sich mit dieser Fachschule ein neues Feld erschlossen und mit der Gründung auf die langfristige Sicherung qualifizierter Fachkräfte gesetzt,“ würdigte Born den Erfolg bei seinem Rundgang durch die ansprechenden Räumlichkeiten mit Schulleiterin Susann Lenz und Lehrerin Melissa Schwarz. Beide freuten sich über das Interesse des Landtagsvizepräsidenten an den aktuellen Anliegen der Schule.
Denn auch wenn die Schule den Prozess im kommenden Jahr mit der staatlichen Anerkennung erfolgreich abschließen wird, Herausforderungen bleiben: Die Fachschule kämpft, wie viele kleinere Einrichtungen, mit dem Mangel an Lehrkräften. Besonders die Erfüllung der sogenannten 2/3-Quote, die vorschreibt, dass zwei Drittel der Lehrkräfte neben einem Fachstudium auch die Nachqualifizierung abgeschlossen haben müssen, gestaltet sich schwierig. Dies liegt unter anderem daran, dass es zu wenige qualifizierte Lehrkräfte gibt und Nachqualifizierungslehrgänge nicht in ausreichendem Umfang angeboten werden.
Gelernt wird an der Fachschule in kleinen Klassen. Die Zusammensetzung ist in vielerlei Hinsicht heterogen. „Manche beginnen direkt nach dem Abitur oder einem FSJ, andere haben bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen oder in einem anderen Bereich gearbeitet“, berichtete Schulleiterin Susann Lenz. Besonders erfreulich ist der steigende Männeranteil unter den angehenden Fachkräften, die praxisintegriert ausgebildet werden: Rund ein Viertel sind inzwischen Männer, was zeigt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für Erzieher, auch im Bereich der Krippenbetreuung, wächst. „Das gesellschaftliche Ideal verändert sich langsam, auch wenn noch nicht alle Vorbehalte ausgeräumt sind“, fügte Lenz hinzu.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der praxisintegrierten Ausbildung ist laut Susann Lenz die Bedeutung guter Vorbilder in den Einrichtungen. „Die Unterrichtsinhalte sind das eine, aber die Auszubildenden übernehmen viel von dem, was sie in der Praxis erleben. Deshalb braucht es dort starke Vorbilder – zum Beispiel in der Sprachförderung,“ erklärte sie. In der Sprachbildung sieht sie insgesamt ein Thema von wachsender Bedeutung. Auch die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, wächst. Immer häufiger gehen auch Bewerbungen direkt aus dem Ausland ein, beispielsweise aus Marokko. „Sprachkenntnisse sind eine große Herausforderung“, erklärte die Schulleiterin. Bewerberinnen und Bewerber müssen deshalb das Sprachniveau B2 des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen nachweisen. Dieses Niveau ermöglicht ein normales Alltagsgespräch mit Muttersprachlern. Solide Deutschkenntnisse seien im pädagogischen Alltag unerlässlich, nicht nur für Bildungsangebote, sondern auch für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu den Kindern.
Für Born steht außer Frage, dass die Sicherstellung einer stabilen und qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, das Vertrauen der Gesellschaft in die Leistungsfähigkeit des Staates zu stärken. Der stellvertretende Parlamentspräsident unterstrich: „Kinderbetreuung ist eine existenzielle Frage – sowohl für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch für den Bildungsstart jedes Kindes in Baden-Württemberg. Eltern müssen an so einer wichtigen Stelle den Staat als unterstützend und verlässlich erleben.“
Darüber hinaus sieht der SPD-Politiker in den Kitas einen bedeutenden Beitrag zur gesellschaftlichen Integration. „Kitas sind Orte der Vielfalt. Sie bringen Menschen unterschiedlichster Herkunft und verschiedener sozialer Hintergründe zusammen. Jeden Tag sprechen in Kitas mehr unterschiedliche Menschen miteinander als in den Fußballstadien das ganze Wochenende über. Kitas sind für mich Lagerfeuerorte, an denen Menschen miteinander in Kontakt kommen, wie es in der zunehmend polarisierten Gesellschaft sonst kaum noch möglich ist,“ resümierte der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für frühkindliche Bildung die Bedeutung dieses Bereichs für das Fundament einer demokratischen, inklusiven Gesellschaft.
Text und Foto: Pressestelle MdL SPD Daniel Born