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„Vox Clamans“ bringt Licht ins Dunkel

9. Februar 2024 | > Walldorf, Allgemeines, Das Neueste, Kultur & Musik

Spannende musikalische Zeitreise zum Auftakt der Konzerte der Stadt

Einen wunderbaren Kunstgenuss bescherte der Auftakt zur neuen Saison der „Konzerte der Stadt“ dem zahlreich erschienenen Publikum in der Laurentiuskapelle. Dr. Timo Jouko Herrmann, Musikbeauftragter der Stadt Walldorf, war es gelungen, das deutsch-tschechische Ensemble „Vox Clamans“ zu gewinnen, bestehend aus Veronika Vojírová (Sopran), Meike Theis (Dulzian, Blockflöte, Renaissancetraversflöte), Noemi Müller (Zink, Blockflöte) und Jan Hajic (Cembalo, Leitung).

Kurzfristig gab es einige Änderungen in der Besetzung und im Programm, da Miroslav Kuzl (Zink) und Cameron Drayton (Posaune) ausfielen. Das Ensemble, das nun zu viert auftrat, fand aber mit Noemi Müller eine gebührende Ergänzung und Vertretung. Auch den Mitarbeitern im Rathaus war es gelungen, auf die Schnelle ein aktualisiertes Programm zur Verfügung zu stellen, wie Herrmann in seiner Begrüßung erwähnte. Er freute sich über die zahlreichen Zuhörer sowie über die Anwesenheit von Bürgermeister Matthias Renschler nebst Gattin und seinem Vorgänger Professor Gerald Kegelmann. Herrmann wünschte dem Publikum spannende Hörerlebnisse und diese sollte es auch bekommen.

 

 

Der Abend stand unter dem Motto „Licht ins Dunkel“, passend zum Festtag Maria Lichtmess, wenn die Tage spürbar heller werden und das Licht des kommenden Frühlings langsam die Dunkelheit des Winters besiegt. Das Ensemble nahm die aufmerksam lauschenden Zuhörer mit auf eine spannende musikalische Zeitreise vom Mittelalter über die Renaissance bis hin zum Frühbarock. Licht und Wärme brachten die Musikerinnen und Musiker mit ihren wunderbaren und meditativen Klängen, die sie ihren nach historischen Vorbildern gebauten Instrumenten entlockten, in die winterliche Dunkelheit. Ergänzt wurden die Instrumente durch eine Sopranstimme.

Den Auftakt machte jedoch ein zeitgenössisches Werk. Meike Theis versetzte das Publikum mit Mario Lavistas „Ofrenda“ ins Staunen. Das Werk des 2021 verstorbenen mexikanischen Komponisten stellt eine einzelne Tenorblockflöte in den Mittelpunkt. Inhaltlich geht es um den Tag der Toten (Allerheiligen). Leise Klänge wechselten sich mit lauten und schroffen ab, die für schöne Erinnerungen und Schmerz stehen. Die Melodie schwang sich luftig empor, dann wieder verklang sie in der Tiefe. Die modernen Spieltechniken, die Theis virtuos beherrschte, beeindruckten die Zuhörer. Sie ließ ihre Blockflöte sogar zweistimmig klingen, was durch gleichzeitiges Summen und Spielen erzeugt wird.

Dass sich ein modernes Werk ganz harmonisch mit einem mittelalterlichen verbinden kann, wurde hier unter Beweis gestellt. Sopranistin Veronika Vojí?ová ließ Hildegard von Bingens Antiphon „O quam mirabilis est“ a cappella, meditativ und geheimnisvoll, wie aus weiter Ferne erklingen. Das Publikum konnte sie nicht sehen, denn sie sang bei geöffneter Türe vom Nebenraum der Kapelle aus. Weitere mittelalterliche Werke, in verschiedenster Besetzung, entführten die Zuhörer in eine uns fremdartige, längst vergangene Zeit. Dabei kamen auch heute kaum mehr bekannte Instrumente zum Einsatz: der Dulzian, ein Vorläufer des Fagotts, und der Zink, ein gebogenes Horn aus Holz, das vom Ansatz her wie eine Trompete gespielt wird und auch so ähnlich, nur weicher und wärmer klingt. Zusammen mit Renaissance-Blockflöten und dem Cembalo, dem Nachbau eines historischen Vorbilds aus dem Jahr 1650 aus Flandern, sorgten Dulzian und Zink für ganz besondere aparte Klangfarben. Ein Werk ging quasi nahtlos in das nächste über, sodass der Eindruck eines großen Ganzen, eines stimmigen Kunstwerkes entstand. Schritt für Schritt wurde das Publikum musikalisch durch die Jahrhunderte geführt.

Die vier Musiker harmonierten wunderbar zusammen. Alle beherrschten ihre jeweiligen Instrumente hervorragend. Theis und Müller wechselten ohne Schwierigkeiten ständig die Instrumente, manchmal sogar innerhalb eines Werkes. Hajic, der auch die Leitung des Ensembles innehatte, wusste einfühlsam am Cembalo zu begleiten. Er erwies sich aber auch als virtuoser Solist. Sopranistin Vojírová bezauberte mit ihrer hellen, klaren und schlank geführten Stimme. Sie sang sowohl a cappella als auch mit Begleitung. Die geistlichen und weltlichen Lieder erklangen in Latein, Italienisch, Französisch, Deutsch und Tschechisch. Das Programm war bis ins kleinste Detail gut durchdacht und abwechslungsreich gestaltet. Immer wieder wurden die verschiedenen Instrumente neu zusammengestellt. Virtuose musikalische Zwischenspiele wechselten sich mit Gesang, begleitet vom Cembalo, ab. Dann musizierten wieder alle gemeinsam in schönster Harmonie.

 

 

In der Mitte des Programms, musikalisch im 16. Jahrhundert angekommen, begrüßte Hajic das Publikum und versorgte es mit einigen interessanten Informationen zur Musikgeschichte. In der Zeit des Frühbarocks trafen sich die alte und die neue Welt. Es war eine Zeit großer Bewegungen, nicht nur in der Musik. Zum ersten Mal transponierte Musik Emotionen. Texte wurden expressiv und unverstellt in Töne umgesetzt. Das vertonte Wort bekam eine herausragende Bedeutung. Deshalb ist die Musik des Frühbarocks uns heutigen Hörern viel näher als die Musik des Mittelalters oder der Renaissance.

Ein Meister der Wort-Ton-Beziehung war Heinrich Schütz. Sehr anrührend erklang sein „Ich werde nicht sterben“, der Lobgesang des alten Simeon, der nicht sterben sollte, bevor er den Heiland erblickte hatte. Dem gleichen Thema ist das „Nunc dimittis“ von Girolamo Frescobaldi gewidmet. Natürlich durften auch Werke von Claudio Monteverdi nicht fehlen. In seinem Madrigal „Piagne e sospira“ wird die besondere Verbindung zwischen Text und Musik offenbar. Eine unglücklich Verliebte ritzt den Namen des Geliebten in die Rinde eines Baumes, seufzt und weint. Bestens wusste das Ensemble die wehmütige Stimmung zum Ausdruck zu bringen. Wunderbar erklang auch „Pulchra es“ aus Monteverdis Marienvesper. Dabei übernahm der Zink die zweite Melodiestimme und trat in einen anmutigen Dialog mit der Sopranistin. Umrahmt wurden die beiden Werke von zwei wunderschönen Blockflöten-Duetten, die für eine meditative Stimmung sorgten.

Am Ende der musikalischen Zeitreise bedankte sich das begeisterte Publikum mit langanhaltendem Applaus. Ohne Zugabe ließ es das Ensemble nicht gehen und bekam noch einen ganz besonderen musikalischen Leckerbissen, nämlich ein tschechisches Lied eines böhmischen Barockkomponisten, das gerne auf Hochzeiten gespielt wird, mit auf den Nachhauseweg.

Text: Carmen Diemer-Stachel
Fotos: Stadt Walldorf

 

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