Nach der tödlichen Messerattacke in Wiesloch hat die Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Sonntag Einzelheiten zum Tatablauf bekannt gegeben
Das Psychiatrische Zentrum Nordbaden (PZN) veröffentlichte am Sonntag weitere Informationen zum Verlauf des Messerangriffs, der sich am Freitag in Wiesloch ereignete. Es verging nur eine kurze Zeitspanne zwischen der Flucht des 33-jährigen Tatverdächtigen und dem Messerangriff auf eine junge Frau in einem Geschäft in Wiesloch. Diese Informationen wurden von Christian Oberbauer, dem Leiter der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am PZN, mitgeteilt.
Vor dem Vorfall wurden alle Sicherheitsmaßnahmen strikt eingehalten. Zwei Pfleger begleiteten die sechsköpfige Gruppe und hielten kontinuierlichen Kontakt zu den Patienten, während sie auf dem 200 Meter langen Weg zur Arbeitstherapie waren. Plötzlich begann der Mann zu rennen, und obwohl ein Pfleger versuchte, ihn zu verfolgen, konnte er ihn nicht einholen.
Warum der Mann dann so heftig reagierte, bleibt bisher unklar, wie Chefarzt Christian Oberbauer betonte.
Patient im PZN besonders gesichert
Es bleibt bislang unklar, wie der Mann in den Besitz des Messers gelangte. Seit seiner Rückkehr aus einer Übernachtung bei der Polizei am Samstag befindet er sich erneut im PZN und wird in einem besonders gesicherten Krisenraum untergebracht. In absehbarer Zeit soll er in die Klinik nach Weinsberg (Kreis Heilbronn) verlegt werden. Der 33-jährige Mann, der unter psychischen Problemen leidet, war seit 2021 im Maßregelvollzug untergebracht und hat in dieser Zeit sieben Straftaten begangen, darunter Körperverletzung, Beleidigung und sexuelle Nötigung.
Nach der Tat äußerte sich der Landtagsabgeordnete Florian Wahl (SPD) und berichtete von einem kürzlichen Besuch im PZN, bei dem er einen erheblichen Personalmangel und Platzmangel feststellte. Christian Oberbauer widersprach dieser Aussage und betonte, dass es keinen Personalmangel gebe. Darüber hinaus wurde im vergangenen Jahr eine neue Station mit 24 zusätzlichen Betten eröffnet, und im Sicherheitsbereich werden derzeit drei weitere Stationen in einem neuen Gebäude gebaut, die ab Mitte nächsten Jahres 54 zusätzliche Betten bieten sollen. Dennoch haben psychiatrische Kliniken deutschlandweit mit steigenden Patientenzahlen zu kämpfen.
Großer Schock bei bei Patienten und Mitarbeitern
In den fünf Kliniken am PZN herrscht tiefe Bestürzung unter den Patienten und Mitarbeitern, wie Oberbauer berichtete. Viele reagierten schockiert auf das Geschehene, und er selbst beobachtete weinende Oberärzte auf den Stationen.
Als Reaktion auf den Vorfall hat das PZN einen Krisenstab eingerichtet. Als vorübergehende Maßnahme wurden die Ausgänge auf den Stationen eingeschränkt. Allerdings betonte Oberbauer, dass diese Beschränkung nicht von Dauer sein solle. Er erklärte, dass derzeit keine Ermittlungen gegen das PZN oder einzelne Mitarbeiter im Zusammenhang mit dem Vorfall eingeleitet wurden.
PZN – ein Krankenhaus und kein Gefängnis
Oberbauer betonte nachdrücklich, dass der Maßregelvollzug einem Krankenhaus als einem Gefängnis gleiche. Der vorrangige Schwerpunkt liege auf der Behandlung und Rehabilitation von Menschen, die unter Suchtproblemen oder psychischen Erkrankungen leiden. Die Zielsetzung bestehe darin, diese Patienten schrittweise auf eine mögliche Entlassung vorzubereiten und sie wieder erfolgreich in die Gesellschaft zu integrieren. Dabei existieren insgesamt neun verschiedene Ausgangsstufen, wobei äußerst strenge Kriterien für Lockerungen gelten. Der mutmaßliche Täter hatte die fünfte Lockerungsstufe erreicht, die ihm erlaubte, die Station in Begleitung zu verlassen.
Obwohl es im Durchschnitt etwa fünfmal im Jahr zu Entweichungen kommt, hatte die Klinik bisher noch nie ein derartiges Ereignis wie am Freitag erlebt, wie Chefarzt Oberbauer betonte: „Aber so ein Ereignis haben wir noch nie gehabt. Das Ende ist katastrophal.“
Opposition fordert Sondersitzung im Landtag
Nach der tragischen Messerattacke in Wiesloch hat die SPD nun eine außerordentliche Sitzung im Landtag zur Untersuchung des Maßregelvollzugs gefordert. Die politische Aufarbeitung dieses Vorfalls sei dringend erforderlich. Der Sozialminister, Manfred Lucha von den Grünen, sollte vor dem Sozialausschuss Rede und Antwort stehen, um zu erläutern, wie es zu der Flucht des psychisch erkrankten Tatverdächtigen kam und welche tragischen Konsequenzen daraus resultierten, so äußerte sich der SPD-Gesundheitsexperte Florian Wahl am Sonntag.
Darüber hinaus erwartet die SPD von Minister Lucha eine Darlegung der getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Vorfälle. Die SPD-Fraktion schlägt vor, eine solche Sondersitzung bereits am kommenden Freitag abzuhalten.
Informationsquelle: SWR
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