Die Zwei Gesichter des Stadtfestes
Ein Stadtfest soll zur Freude der Bürger und Geschäftsleute sein. Das versprach die Stadt in vielen Werbeplakaten und schickte als Vorwarnung an alle Haushalte der Innenstadt eine Information, dass es etwas laut werden könnte. Es wurde es, nur nicht etwas. Doch zunächst das positive Gesicht des Stadtfestes. Da die sommerliche Hitze uns zwang, die Fenster zu öffnen, aber die überlauten Musikdarbietungen uns weiter zwangen, alle Öffnungen der Häuser zu schließen, blieb uns nichts anderes übrig als wegzuziehen oder auf die Straße zu gehen und das mehrmals am Tage und der Nacht. Ich habe selten – auch nachts gegen 1 Uhr – so viele nette junge Menschen gesehen und so unkompliziert sich verhaltende Leute älter als diese; keine Pöbeleien, essend trinkend zogen sie durch die Straßen, drängten sich dicht gepackt und eingezwängt durch die Gassen, ohne Aggression, ohne Rempelei, es war auch für ältere Menschen angenehm zu bummeln. Selbst bei schärfstem Beat kam es zu keiner Aggression! Zu diesem ersten angenehmen Gesicht gesellte sich eine weiteres Erlebnis, das zu dem zweiten Gesicht überleitet. Auf dem Evangelischen Kirchplatz boten junge Leute ihre Musikbeiträge in gut hörbarer Lautstärke, die zum Verweilen einlud. Es war für den selbst praktizierenden Musiker eine große Freude, die Jungen und Mädchen mit ihren teils sogar eigenen Songs zuzuhören, ihre Auftrittsfrische, ihr Lampenfieber und Unbekümmertheit zu genießen.
Das zweite Gesicht dieses Stadtfestes war ein ganz anderes. Mit welchen Lautstärken Gitarren, Schlagzeuge sogar Kontrabässe sich von den verschiedenen Plätzen überboten, kann nur mit Entsetzen moniert werden. An sich müssten alle Ärzte und Gesundheitsverantwortliche einen Schrei der Empörung an die Stadt richten. Vor allem am Samstag am Freihof dröhnte es derart, dass man sich nur mit Gebrüll verständigen konnte. Zwerchfell und Rippen zitterten und das in einer Entfernung von über 4o m. Das erreichte gut 100 dB, ein absolutes Missachten der Störungsvorschriften für den Straßenverkehr. Gesang besteht aus Worten, Musik aus Rhythmus und Harmonien und gelegentlich auch Melodien, davon konnte kaum etwas wahrgenommen werden, nur der alles übertönende Bums von Bass und Schlagzeug beherrschten die Stadt. Das ging weit über die Schmerzgrenze. Rock- und Popmusik sind heute laut; ist es in geschlossenen Räumen kann man bleiben oder gehen, hier war die gesamte Innenstadt einem Lärmpegel ausgesetzt, der absolut verboten werden muss. Bei aller Freude an einem Stadtfest sollten die Verantwortlichen sich mal Gedanken machen, vor allem wenn es solche positiven und angenehmen Abläufe gibt, wann das Feiern gesundheitliche Schäden für Aktive und Inaktive hervorrufen kann. Das dürfte doch bei den vorliegenden Lautstärkevorschriften keine Schwierigkeit machen.
Prof. Dr. Peter Schneider
Anmerkung der Redaktion: s.a. „Stadtfest 2013“ vom 07.07.2013