Beim Ideenspaziergang durch Wiesloch, mit dem sich der frühere Oberbürgermeister von Nagold, Rainer Prewo, auf Einladung des SPD-Ortsvereins Wiesloch zusammen mit interessierten Bürgern einen Eindruck von der Stadt verschaffte, bestätigte sich einmal mehr die Erkenntnis, dass die Wieslocher Innenstadt aus der Sicht von außen sehr viel besser abschneidet als aus der Sicht der Einheimischen.
Stadtrat Klaus Rothenhöfer führte den Gast durch die Altstadtgassen und die Fußgängerzone, zeigte Gelungenes und Fragwürdiges. Rainer Prewo zeigte sich beeindruckt von bewahrter historischer Substanz sowie von der Größe und Vielfalt des Angebots in der Fußgängerzone.
Nach dem Spaziergang durch Wiesloch referierte er im Bürgersaal zum Thema „Die Anziehungskraft unserer Städte“. Zunächst betonte der SPD-Politiker die Gemeinsamkeiten von Nagold und Wiesloch, unter Anderem die Historie, die mit der ersten urkundlichen Erwähnung von Nagold um 786 und Wiesloch 801 durchaus vergleichbar ist. Die Begriffe, um die er seinen Vortrag entwickelte, waren „Zentralität“ und „Bürgerschaft“.
Städte wie Wiesloch oder Nagold, die für das Umland eine Versorgungsfunktion erfüllten, litten in jüngeren Jahren darunter, dass bei wachsender Mobilität mehr Städte in Konkurrenz zueinander träten. Die Anziehungskraft für die Umlandbewohner sei maßgeblich vom Einzelhandel bestimmt: „Stadt ist, wo die schönen Geschäfte sind“ zitierte der Referent den Historiker Martin Decker-Hauff und machte damit deutlich, wohin der Weg gehen müsse. Ein weiterer Aspekt sei aber, dass man sich gern zum Bummeln Zeit nehme, die Stadt zum Treffpunkt „ohne Vereinbarung“ werde und daraus die Pflicht für die Kommunalpolitik erwachse, die Stadt zu pflegen. Man gehe in die Stadt, um etwas zu erleben, nicht nur, um sich zu versorgen. Dieses Erlebnis könnten die Einkaufszentren auf der grünen Wiese nicht im gleichen Maße bieten. Wer „in die Stadt“ gehe, fühle sich als Bürger, empfinde die Stadt als Heimat.
In Nagold wurde der Begriff „Kaufhaus-Innenstadt“ geprägt, wonach sich die gesamte Innenstadt in ein Erlebniskaufhaus verwandeln sollte. Größere Vielfalt und mehr Wettbewerb, aber auch der Faktor Tradition zeichneten die gewachsenen Einkaufsmeilen der Stadtzentren aus. Es gelang, den Einzelhandel „zurückzuholen“ in seine Verantwortung. In Nagold gab es dazu eine Vielzahl gemeinsamer Initiativen: Schaufensterwettbewerbe, Rabattaktionen, die regelmäßige Märchenstunde der Bücherei, verbindliche Teilnahme an Marketingmaßnahmen, einheitliche und damit verlässliche Öffnungszeiten, ein Gestaltungsleitfaden für den öffentlichen Raum, festgeschrieben in einer gemeinsamen Qualitätsvereinbarung, dem „City-Committment“, das auch Sanktionen vorsieht bei Nichteinhaltung.
Begleitet wurde die Aufwertung der Innenstadt durch 6 Bürgerforen, deren Sprecher als sachkundige Bürger auch Vortragsrecht im Gemeinderat erhielten, damit die Bürger nicht nur „mitgenommen“ würden, sondern sich auch selbst für die Weiterentwicklung der Stadt einsetzen könnten. Innenstadtnahe Parkplätze, Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche sind nur ein Teil des Gesamtbilds in Nagold. „Wo Brunnen und Spielmöglichkeiten sind, dort gehen Kinder hin“ und die Mütter folgen. Diese aber sind laut Rainer Prewo die größte Kundengruppe. Plätze ansprechend zu gestalten und abends stimmungsvoll auszuleuchten, sei daher ebenso wichtig wie ein einheitliches Erscheinungsbild. So seien in der Nagolder Innenstadt nur beigefarbene und weiße Sonnenschirme ohne Werbeaufdruck zugelassen.
In der Diskussion ging es dann noch um die Konkurrenz durch den Online-Handel. Rainer Prewo sah eine Chance in einem gemeinsamen Internetauftritt mehrerer Geschäfte, die im Gegensatz zum Online-Handel auch mit der Lieferung am gleichen Tag punkten könnten. Einen geringen Leerstandsanteil sah er als notwendig an, um kurzfristig auf Anfragen reagieren zu können.
SPD-Stadtrat Klaus Rothenhöfer dankte Rainer Prewo für seine Informationen und Anregungen und übergab ein Weinpräsent sowie einen Bildband mit alten Stadtansichten von Wiesloch.
Text und Fotos: SPD Wiesloch