(cb) Wir hatten in der letzten Woche das Thema „Demagogische Woche“, und dafür über viele Veranstaltungen zum Thema Demenz berichtet. Helga Rohra, selbst Betroffene hat dieses Thema als Autorin mal aus einer anderen Sicht beleuchtet – nämlich aus der Sicht einer Betroffenen.
Ihr Buch ist für alle Menschen mit Demenz eine Ermutigung, sich mit den veränderten Lebensumständen auseinanderzusetzen, und sie erzählt, warum sie sich nun aktiv für die Rechte von Demenzbetroffenen einsetzt.
Stellen Sie sich vor, Sie sind Mitte 50. Sie stehen mitten im beruflichen Leben, sind gar selbstständig, und stellen eines Tages fest, dass Sie sich für Sie simple Dinge nicht mehr merken können. Sie erledigen alltägliche Dinge, gehen einkaufen, kommen aus dem lang vertrauten Laden, und plötzlich fällt Ihnen nicht mehr ein, welchen Weg Sie jetzt zurück nach Hause gehen müssen. Hilflos stehen Sie da, die sonst so vertraute Umgebung erscheint plötzlich fremd und bedrohlich.
Für die meisten Menschen ein schreckliches Szenario. Als Helga Rohra dies passierte, dachte sie zunächst an stressbedingte Ausfallserscheinungen. Doch die befremdlichen Ausfälle häuften sich. Existenzangst kam hinzu, brauchte sie doch ihren klaren Verstand für ihren Beruf als freiberufliche Dolmetscherin. Manchmal fielen ihr die einfachsten Vokabeln nicht mehr ein. Hinzu kam, dass sie alleinerziehend für einen Sohn sorgte, der kurz vor dem Abitur stand und das Asperger-Syndrom hat. Was bedeutet, dass ein genauer ritualisierter Tagesplan jeden Tag von großer Bedeutung ist. Bald kamen Halluzinationen hinzu, die sie fast verzweifeln ließen.
Da Helga Rohra ein Mensch ist, der viel im medizinischen Bereich gearbeitet hatte, wollte sie schließlich die Ursache für ihren, sich stetig verschlimmernden Zustand herausfinden, zumal sie sich mittlerweile nicht mehr zutraute, Aufträge anzunehmen. Der wirtschaftliche Abstieg begann, bald waren alle Reserven aufgebraucht.
Der aufgesuchte Neurologe riet ihr, sich auszuruhen und viel spazieren zu gehen. Nach einer Odyssee von zwei Jahren endlich die Diagnose: Frühdemenz. In ihrem Fall auch noch eine Lewy-Body-Demenz, was bedeutete, dass der geistige Verfall unaufhaltsam ist, und sie die frühe Form dieser Erkrankung erwischt hat.
Erleichterung – endlich wissen, was einem fehlt, auf der anderen Seite die grausame Gewissheit: Dieses Krankheitsbild bedeutet den weiteren geistigen Verfall, der unaufhaltsam ist. Sie fiel zuerst in eine Depression, dann begann sie, sich damit auseinanderzusetzen.
Anstatt sich aufzugeben, begann sie ihren Kampf gegen das Vergessen. Sie schrieb mithilfe eines Lektors ein Buch, um andere Demenzerkrankte zu ermutigen, sich nicht aufzugeben, begann Vorträge zum Thema Demenz zu halten.
Sie bekam unerwartete Hilfe, als sie sich endlich Ihrem Sohn offenbarte, reist seitdem von Kongressen und Presseterminen, und kämpft darum, das Thema Demenz gesellschaftsfähig zu machen. Denn es ist eine weit verbreitete degenerative Erkrankung, die Aufmerksamkeit, Verstehen und Achtung von der Gesellschaft verlangt.
Ein beeindruckendes Buch über eine willenstarke Frau, die der Demenz trotzt, und die aus den Stolpersteinen des Lebens das Beste gemacht hat.
Erschienen ist das Buch im Mabuse-Verlag, ISBN 978-3-940529-86-2 unter dem Titel: „Aus dem Schatten treten“ von Helga Rohra